Tagebuch meines neuen Lebens / Tag 4

Dank Gipsy (der Spitzname für meinen Spaltgips) zur (beinahe) Untätigkeit auf dem Sofa verdammt. Organisatorisches kann ich noch per Telefon/Internet erledigen, aber darüber hinaus … nada. Einbeinig duschen mit Müllsack am Fuß als Spritzschutz … oh Mann, nicht das erste Mal, aber das letzte Mal liegt doch schon ein paar Jahre zurück.

Zeit habe ich momentan mehr, als mir lieb ist. Ich würde – wie in der Vergangenheit – gerne einfach proaktiv die Sache angehen, etwas tun, mich ablenken … aber diesmal bin ich dazu verurteilt, zuzuschauen, was geschieht.

Für mich noch immer unglaublich POSITIV ist die vielfältige Unterstützung und Hilfestellung, die wie aus dem Nichts aufgetaucht ist. Viele Herausforderungen, die sich aus der Situation ergeben, lösen sich fast von allein auf, als würde jemand oder etwas die Steine aus meinem Weg räumen und mich einladen, in mein neues Leben voran zu schreiten … zumindest gedanklich/emotional.

Mir war bis vor wenigen Tagen nicht bewusst, wie viele Menschen für mich da sind, wenn ich Hilfe brauche. Das berührt mich tief und erfüllt mich mit Dankbarkeit. Ich kann nur hoffen, dass ich beides auch angemessen zum Ausdruck bringe.

Deshalb liege ich gerade auf dem Sofa, trockne Gipsy, der beim Duschen heute etwas gelitten hat, reflektiere über die vergangenen Tage und warum ich in dieser völlig verrückten Situation in mir eine unerklärliche Ruhe und Gelassenheit verspüre.

Bin ich total neben der Realität? Ich hätte nicht den Eindruck, kümmere mich um alles, was zu tun ist und blicke auf das, was da ist. Realitätsverweigerung kann es nicht sein.

Emotionaler Schockzustand, der mich entkoppelt? Passt auch nicht. Sicher, es hat extrem weh getan, 24 gemeinsame Jahre innerhalb von wenigen Tagen aufzulösen, aber irgendwie will ein Teil von mir nicht am Alten festhalten, auch wenn vieles davon schön und gut war.

Ich frage mich, wann es begann, auseinander zu driften? Vermutlich im Oktober 2017, als ich zur Reise zu mir selbst aufbrach. Zu Beginn, vor 24 Jahren, hatte ich viele Probleme, suchte und fand einen Beschützer und Versorger. Das hat viele Jahre recht gut funktioniert. Kleine Probleme gab es immer wieder mal, doch die Rollenverteilung blieb aufrecht. Seit 2017 bin ich unabhängig und eigenverantwortlich geworden. Ich brauche keinen Versorger oder Beschützer, weder in väterlicher Form noch als meinen Partner. Das brachte vermutlich die Rollen-Balance ins Kippen. Er ist nach wie vor der Typ Versorger und Beschützer. Ich möchte jedoch einen Partner auf Augenhöhe an meiner Seite, der mir die Verantwortung für mein Leben und meine Probleme überlässt und mir zutraut, dass ich damit klarkomme und wenn nicht, um Hilfe bitte. Genau dieses Thema war der Funke, der am vergangenen Wochenende unsere Beziehung explodieren ließ.

Meine Entwicklung führte mich weg von der gemeinsamen Richtung. Vielleicht fällt es mir deshalb relativ leicht, alles hinter mir zu lassen und in ein neues Leben aufzubrechen. Ich bin nicht abhängig von der Beziehung oder meinem Ex-Partner. Wir hatten unzählige schöne Momente zusammen und ich werde stets mit Wertschätzung an ihn zurückdenken, aber mein Weg geht vorwärts, nicht rückwärts. Was auch immer vor mir liegt, ich bin offen dafür und freue mich darauf.

Vielleicht zeichnete sich all das schon seit längerem ab und ich habe es nicht wahrnehmen wollen. Wenn ich meine Beiträge der letzten 12 Monate betrachte, dann gab es immer wieder das Thema „Beziehungsstress“. Das war nicht neu. Schon in den Jahren davor hatten wir regelmäßige Stressepisoden und kein brauchbares Tool, um diese Konflikte gut zu lösen. Das hätten wir eigentlich am vergangenen Wochenende im Rahmen des Seminars entwickeln wollen. Stattdessen kam es zur finalen Trennung. Vielleicht waren/sind unsere Konflikte nicht zu lösen, weil unsere Positionen zu weit auseinander liegen, um noch die Basis einer Beziehung zu bilden?

Das klingt jetzt alles wieder einmal sehr kopflastig, doch diesmal war das Gefühl da, bevor ich die Worte niederschrieb.

Es mag einige irritieren, aber mir geht es wirklich gut. Traurigkeit ist da, ja, ich lasse immerhin 24 Jahre meines Lebens mit dem Mann, den ich als meinen besten Freund bezeichnet habe, hinter mir. Doch gleichzeitig verspüre ich auch eine große Erleichterung, nicht mehr jeden Satz auf die Goldwaage legen zu müssen, ob ich nun die passenden Worte wähle, die auf Verständnis treffen. Nicht mehr verstecken zu müssen, wenn ich einfach durchs Wohnzimmer tanzen will (sobald Gipsy verabschiedet ist), weil es mir grundlos gut geht, das aber als Überemotionalität verstanden werden könnte.

War das nicht bereits ein Anzeichen? Voller Lebensfreude zu sein und diese „abzuschalten“, sobald der Partner den Raum betritt, weil es für ihn „zu viel“ ist?

Hätte ich unser Auseinanderdriften darin erkennen können, dass mein Partner keines meiner Bücher, Gedichte, Geschichten oder meinen Blog je gelesen hat? Trotz meiner Bitten und Erklärungen, dass er dadurch besser erfassen könne, wer ich bin? War er nicht bereit, sich auf meine Entwicklung einzulassen?

Viele Fragen. Letztendlich führen mich die Antworten zu dem Schluss, dass es gut so ist, wie es ist. Es tut noch weh, aber der Schmerz wird vorüber gehen. Die Freude wir wieder in den Vordergrund rücken. Ich fühle mich trotz dem ganzen Chaos um mich vom Leben umarmt, geborgen und geliebt.

Ich habe alles, was ich brauche: Liebe, Optimismus, Humor … und wirklich tolle Freunde, für die ich von ganzem Herzen dankbar bin.

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