Darf ich glücklich sein?

Diese Frage habe ich mir schon vor vielen Jahren gestellt. Mein Verstand sagte damals natürlich: JA  – eh klar, auch wenn ich es für mich selbst nicht fühlen konnte, aber der Verstand stimmte zu.

Dann kam die Diagnose Borderline. Glücklich trotz „psychischer Erkrankung“? Auch diese Frage kann ich heute offen und aufrichtig mit JA beantworten. Manchmal sogar mit einem Unterton in der Art von „jetzt erst Recht.“

Diese Antworten gibt allerdings mein Verstand. Mein Gefühl stimmt zwar ebenfalls zu, dennoch kehrt es von Zeit zu Zeit zurück in die Vergangenheit, als es anders war. Wie vermutlich der überwiegende Teil der Menschen kann auch ich nicht vollständig jene Konditionierungen ausblenden, die mich im Laufe meiner frühen Kindheit geprägt haben. Leider waren es keine Unterweisungen im Glücklich-sein, die ich damals erhielt, und die mich bis heute noch ab und an in längst vergangene (wenig erfreuliche) Gefühlszustände zurückholen wollen.

Erklären lässt sich das mit Verstrickungen im familiären System. Oder Loyalität zu (zumeist) den Eltern, in dem man das Leid und den Schmerz, das sie erfuhren und durchlebten, selbst stets aufs Neue im eigenen Leben wiederholt. Ich habe mich jahrelang mit den Theorien und Modellen dazu befasst. Mehr als einmal dachte ich mir dabei: Wenn das alles stimmt, wie kannst du aus dem Kreislauf je rauskommen?

Nun, ich habe meinen individuellen Weg gefunden. Wenn die „Geister der Vergangenheit“ mich in längst obsolete Emotionen zurückziehen wollen, halte ich dagegen. Nicht mit rationalen Argumenten, die würde mein innerer Skeptiker zerpflücken wie ein Gänseblümchen … du glaubst doch nicht, dass du glücklich sein darfst … ich weiß, dass du es nicht kannst … du weißt auch, dass du es nicht kannst …

Nein, ich gehe subtiler vor. Trickse meinen Kritiker aus, indem ich eine Geschichte erzähle und meine Botschaft in eine Metapher verpacke. So wie diese – die übrigens in meinem nächsten „Buch EMBRACE – Fühle die Umarmung des Lebens“ zu finden sein wird. Viel Spaß mit dieser kurzen Geschichte über „Glück“ und wie ich mir selbst erlaubte, glücklich sein zu dürfen:

Ein (un)glücklicher Zufall

Es war einmal eine junge Mutter, die mit ihrer Familie im ersten Stock auf der hintersten Stiege einer schon etwas renovierungsbedürftigen Wohnhausanlage wohnte. Unterhalb residierte – wohl schon seit Fertigstellung der Anlage – eine ältere und äußerst redselige Dame. Meistens beeilte sich die junge Mutter, durchs Stiegenhaus hindurch und an der Tür ihrer Nachbarin vorbei zu gelangen, ohne von ihr entdeckt zu werden. Sie hatte viel zu tun, schleppte häufig schwere Einkaufstaschen mit sich, ein kleines Kind an ihrer Hand – für ausgiebigen Nachbarschaftstratsch blieb ihr wenig Zeit. Nicht so an diesem Tag. Man könnte sagen, sie bummelte regelrecht über die grauen Betonstufen der Treppe, aus dem Augenwinkel die Tür der Nachbarin beobachtend, in der Hoffnung, diese würde sich öffnen.

Und tatsächlich geschah das Ersehnte. Als hätte sie die Gedanken der Mutter gehört, stand plötzlich die alte Nachbarin in der offenen Tür. Ein langes Leben mochte ihr Gesicht mit Falten gezeichnet haben, doch ihre Augen strahlten wie die eines jungen Mädchens, dass der Welt mit Neugier und ausgebreiteten Armen begegnete. Ganz im Gegensatz zu der jungen Mutter, die mit gesenktem Kopf und sorgenvollem Blick durchs Treppenhaus geschlichen war. Die Alte erkannte sofort die Sorgen, die wie ein unsichtbarer Rucksack voller Steine auf dem Rücken der Mutter lasteten, und bat diese auf eine Tasse Tee zu sich.

Die Wohnung der Alten war ein Panoptikum ihres Lebens. Voller verstaubter Bücher, Krimskrams aus aller Herren Länder, Erinnerungen aus Jahrzehnten. Kaum eine horizontale Fläche war frei geblieben. Selbst das Sofa bot ernst nach einigen Handgriffen des Umräumens Platz, um sich darauf zu setzen. Bodenlange Vorhänge dämpften das wenige Licht, das an den dicht belaubten Bäumen vor dem Fenster vorbei von außen herandringen konnte. Obwohl all das die junge Mutter mehr an eine Höhle denn an ein Wohnzimmer erinnerte, verspürte sie an diesem Ort doch eine Art von Wohlbehagen und Geborgenheit. Vielleicht war es die Zuversicht, welche ihre alte Nachbarin verströmte, und die ihr selbst meistens fehlte.

Nachdem die junge Frau sich einen Sitzplatz auf dem Sofa mit dem dunkelgrünen Samtbezug geschaffen hatte, begann sie auch schon zu erzählen, von ihren Sorgen und allem, was sie in diesem Augenblick belastete. Beziehungsprobleme, Kindererziehung, Job, Gesundheit, Geld, Sicherheit … kaum ein Thema des Lebens blieb außen vor. Sie sprach lange, während die Alte aufmerksam ihren Worten lauschte, ab und an einen Ratschlag unterbreitete, auf welchen die junge Mutter unmittelbar erklärte, dass sie dies bereits versucht hatte und dabei gescheitert war. Schlussendlich stellte sie resignierend fest: „Ich habe schon alles probiert, aber es ist zu viel für mich allein, und niemand ist bereit mir zu helfen. Ich weiß einfach nicht mehr weiter.“

Es war nicht zu übersehen, wie unglücklich sie mit ihrem Leben war. Die Alte seufzte tief, schüttelte ihren Kopf und meinte dann: „Ich mache uns jetzt erstmal eine gute Tasse Tee.“

Sie ging Richtung Küche, setzte einen Kessel Wasser auf und kam dann zurück ins Wohnzimmer. Beiläufig begann sie, die Bücherstapel auf dem Wohnzimmertisch umzuschlichten und Platz für die Teetassen zu schaffen. Dabei landete ein Buch direkt im Blickfeld der jungen Mutter, dass sofort deren Aufmerksamkeit auf sich zog. Der Umschlag war schon etwas ausgeblichen und an den Kanten eingerissen, dennoch griff sie danach. Nachdenklich blätterte sie durch die Seiten. Der alten Nachbarin entging das natürlich nicht. Auch wenn sie mitunter schusselig wirkte, sie war äußerst gewieft, und dieses Buch vielleicht nicht ganz zufällig im Blickfeld ihres ratsuchenden Gastes gelandet. Als sie den nach exotischen Gewürzen duftenden Tee brachte, legte die junge Mutter das Buch wieder zur Seite.

Während die Alte ausführlich über die Besonderheit dieses Tees aus Zimt, Kardamom und etlichen anderen Zutaten sprach, sowie über seine sehr spezielle Zubereitung erzählte, blinzelte die junge Mutter immer wieder zu dem Buch, das neben ihr auf dem Sofa lag. Nach einer Weile wurde sie gefragt, ob sie das Buch gerne ausleihen und in Ruhe darin lesen möchte. Dieses Angebot nahm sie dankend an, und so kehrten sie an diesem Tag zwar nicht mit weniger Sorgen, aber mit einem Buch in der Hand in ihre Wohnung in den ersten Stock zurück.

An diesem Abend fand die junge Mutter etwas Zeit für sich, zog sich in eine ruhige Ecke zurück und begann, in dem Buch zu lesen. Bereits nach wenigen Seiten entdeckte sie ein zusammengefaltetes Stück Papier zwischen den Seiten. Die Neugier erfasste sie, und so öffnete sie den Zettel. Auf dem etwas vergilbten, karierten Blatt stand in altmodischer Handschrift und königsblauer Tinte:

An diesem Tag änderte sich alles. Ich hatte den Schlüssel zum Glück gefunden. Es war gar nicht so schwer, wie ich immer geglaubt hatte, aber auch ganz anders, als ich vermutet hatte. Hätte ich das schon früher gewusst, was hätte ich alles anders gemacht. An diesem Tag begann mein neues Leben, mein glückliches Leben. Alles, was ich brauche, um glücklich zu sein, ist“

An dieser Stelle endete der Text unten rechts auf der Seite. Hastig drehte sie das Blatt um, doch die Rückseite war leer. Zwischen den Buchseiten fand sie auch keinen weiteren Zettel. Gebannt starrte sie auf die wenigen Worte, die genau das versprachen, was sie so verzweifelt suchte, und nicht verrieten, wie es zu erreichen war. Wo war bloß die fehlende Information? Die musste sie haben, unbedingt!

Aufgewühlt von den zufällig gefundenen Worten kam sie in dieser Nacht nicht zur Ruhe. War das möglich? Gab es einen Schlüssel zum Glück? Wie gerne wäre sie wieder glücklich in ihrem Leben. Sie musste herausfinden, was es damit auf sich hatte – so rasch als möglich. Am liebsten sofort, doch es war mitten in der Nacht. Bis zum nächsten Morgen würde sie sich also gedulden müssen.

Tags darauf klopfte sie aus freien Stücken an der Tür ihrer Nachbarin, erzählte von dem Fund, und dass sie mehr darüber wissen wollte. Die Alte lächelte, schilderte einige unwesentliche Details, wie sie in den Besitz des Buches gekommen war und wie es zu der Botschaft auf dem Zettel kam. Es schien, als wollte sie das Geheimnis nicht verraten. Also drängte die junge Mutter: „Bitte, ich muss es wissen.“

„Nun, du musst einfach den Satz ergänzen“, antwortete sie schließlich, „Alles, was ich brauche, um glücklich zu sein, ist … ergänze diesen Satz. Schreib auf, was du brauchst, damit du glücklich wirst.“

Stirnrunzelnd warf sie ihrer alten Nachbarin einen skeptischen Blick zu. DAS war alles? Mehr brauchte es nicht? Ihre Zweifel waren offensichtlich, denn die Alte fügte hinzu:

„Wenn du das getan hast, bring mir den Zettel und ich erkläre dir den Rest.“

Die junge Mutter kehrte wiederum in ihre Wohnung zurück, nahm ein Blatt Papier zur Hand und begann zu schreiben. Anfangs wollten sich keine Worte finden, doch je länger sie daran saß, umso zügiger ging es voran. Zeile und Zeile füllte sich mit all ihren Wünschen, die erfüllt sein mussten, damit sie endlich wieder glücklich sein konnte. Bald schon reichte ein Blatt nicht aus, ein zweites folgte und noch eines.

Schließlich stand sie mit acht dicht beschriebenen Seiten in ihrer Hand vor der Tür ihrer Nachbarin. Diese bat sie erneut zu sich ins Wohnzimmer, servierte eine Tasse nach Zimt duftenden Tee und widmete sich den Notizen. Bereits nach wenigen Augenblick ergriff sie einen Leuchtstift und markierte einzelne Passagen. Verwundert, aber schweigend verfolgte die junge Mutter das Geschehen. Sie wartete gebannt, bis die Alte die Zettel fein säuberlich nebeneinander auf den Tisch legte. Deutlich sichtbar war eine Vielzahl an breiten Markierungsstreifen in Pink.

„Das ist all das, was für dein Glück NICHT verantwortlich ist“, sagte sie nüchtern und nippte an ihrer Teetasse. Die junge Mutter ergriff die Zettel und starrte auf Pink, sehr viel Pink, viel zu viel Pink nach ihrem Empfinden. Offensichtlich verwirrt zuckte sie mit den Schultern, schüttelte den Kopf und ihr Blick war ein unausgesprochener Wunsch nach Erklärung dieser Markierungen.

„Ich habe all das rausgestrichen, wo du von anderen etwas erwartest, wo jemand anders etwas tun soll oder sich ändern soll, damit du glücklich wirst. So funktioniert nicht das nicht. Dein Glück kann und darf nicht davon abhängig sein, was jemand anders ist oder tut. Du darfst niemanden außer dir selbst die Verantwortung dafür geben. Außerdem habe ich all das rausgestrichen, wo du erklärst, was fehlt und was nicht sein soll, denn machst du dein Glück von etwas abhängig, dass du erst bekommen musst oder wieder verlieren kannst, wird es stets wankelmütig sein.“

Einen Augenblick lang herrschte vollkommene Stille, dann sagte die Junge mit ratlosem Tonfall in ihrer Stimme: „Aber was soll ich dann aufschreiben?“

Die Alte lächelte und erwiderte: „Schreib das auf, was du selbst dafür tun kannst, was sein soll und was bereits da ist.“

Nach einer kurzen Pause folgte ein zweifelnder Einwand der Mutter: „Aber wenn so viele Punkte wegfallen, dann werde ich auch weniger glücklich werden am Ende, als wenn alle erfüllt sind.“

Auf diesen Kommentar hin begann die ältere Dame herzlich zu lachen und verschüttete dabei etwas Tee. Den verständnislosen Blick ihres Gastes quittierte sie mit einer pragmatischen Aussage: „Mit dem Glück ist das wie mit einer Schwangerschaft. Entweder bist du schwanger oder nicht. Es gibt kein mehr oder weniger schwanger. Zufriedenheit kann variieren, aber Glück nicht. Entweder bist du glücklich oder du bist es nicht.“

„Aber darf ich denn überhaupt glücklich sein? Ich meine, gerade gibt’s viele Schwierigkeiten rundum, Probleme zu lösen. Ich kann doch nicht so tun, als wäre das alles unwichtig?“ hakte die junge Mutter ein, deren Gedanken zurück drifteten in ihre Kindheit, in der auch immer irgendetwas da war, das sie bedrückte.

„Du sollst keinesfalls die Realität ignorieren. Die ist, wie sie ist. Denkst du, die Probleme lassen sich leichter lösen, wenn du unglücklich bist?“

Sie sagte es zwar nicht, aber in diesem Augenblick erinnerte sich die junge Mutter an ihre häufig getätigte Aussage, dass zuerst dies oder jenes Problem verschwunden sein müsste, damit sie zur Ruhe kommen konnte. Wäre es möglich, nicht alles gemeistert zu haben UND trotzdem glücklich zu sein? Glücklich sein zu dürfen? Die Kühnheit dieser Gedanken ließ ihr junges Herz schneller schlagen, doch ihr kritischer Verstand wehrte sich dagegen, denn es widersprach all dem, was sie in der Vergangenheit gelernt hatte. Daher setzte sie erneut zu einem Einwand an:

„Aber …“

„Kein aber mehr! Mach es einfach und komm mit dem Ergebnis wieder.“

Am zweiten Abend zog sich die junge Mutter erneut zurück in die ruhige Ecke, nur diesmal wollten sich die Worte noch zäher finden als beim ersten Mal. Was sie selbst tun konnte? Das war gar nicht so einfach zu erkennen. Viel leichter fiel es ihr zu erläutern, was die anderen für sie tun sollten und was sie in ihrem Alltag vermisste. Was bereits da war? Gewiss, es gab so einiges in ihrem Leben, das sie als selbstverständlich hinnahm und nicht auf die Idee kam, dass dies ein Teil ihres Glücks sein konnte. Über all das Fehlende zu klagen brachte ihre Worte zum Sprudeln. Das Bestehende anzuerkennen und das Mögliche zu benennen waren schlichtweg ungewohnt. Erst nach und nach fügte sich Zeile um Zeile auf das Blatt Papier. Kurz vor Mitternacht waren es dann doch mehr als drei Seiten geworden.

Müde fiel die junge Frau ins Bett. In dieser Nacht geschah etwas, unbemerkt, während sie schlief. Als sie am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie eine unerklärliche Ruhe in sich. Nachdem sie ihre Familie versorgt hatte, stand sie mit ihren Zetteln vor der Tür der Nachbarin und zögerte, anzuklopfen. Schließlich tat sich es doch und saß kurze Zeit später auf dem dunkelgrünen Sofa in dem schummrigen Wohnzimmer, während die Alte die Zeilen las, ab und zu anerkennend nickte und schmunzelte. Am Ende angekommen, richtete sie eine Frage an ihren Gast:

„Und wie fühlst du dich jetzt?“

Die junge Frau antwortete nicht, sie lächelte nur – und das sagte mehr als tausend Worte. An diesem Morgen strahlten ihre Augen vor Lebendigkeit, obwohl sie wenig geschlafen hatte. Ihr Gesicht spiegelte Zufriedenheit, ihr Körper Gelassenheit. Sie wirkte insgesamt … glücklich?

„Dein Schlusssatz gefällt mir besonders: Alles, was ich brauche, um glücklich zu sein, ist bereits da, in diesem Augenblick, hier und jetzt. Alles, was ich brauche, um glücklich zu sein, bin ich selbst. Es braucht keinen Grund, ich bin es einfach.“

Von diesem Tag an änderte sich nicht sofort das Leben der jungen Mutter, aber sie übernahm die Verantwortung für ihr Glück. Das bemerkten bald die Menschen in ihrem Umfeld, die wiederum anders auf sie reagierten. Ehe sie es sich versah, hatte sich vieles verändert, darunter auch einiges von dem, das sie zuvor als Bedingung für ihr Glück angesehen hatte. All dies geschah aufgrund ihres Entschlusses, glücklich zu sein – grundlos!

War es ein glücklicher Zufall, dass sie im tiefsten Unglück hinter jener Tür der Nachbarin Rat suchte? Das ein paar gekritzelte Worte auf einem ausgeblichenen Zettel den Weg wiesen? Oder ein Unglück, dass sie so lange auf Umwegen etwas suchte, das längst schon da war? Was ist Unglück? Was ist Glück? Erschaffen wir nicht beides selbst durch die Art und Weise, wie wir auf unser Leben blicken und was wir uns selbst zugestehen?

Das Thema mit den Grenzen …

… ist gar nicht so leicht eingrenzen, bzw. abzugrenzen von anderen Herausforderungen, die sich mir als Borderlinerin im Alltag stellen. Da es allerdings in den vergangenen Tagen auf unterschiedliche Weise in meinem Leben präsent war, hier nun der Versuch, das Thema einzugrenzen ohne etwas auszugrenzen.

Meine Grenzen noch außen können nahezu undurchdringlich wie eine Stahlbeton-Wand sein. Oder ein Hauch von nichts wie eine Seifenblase. Je nach Stimmungslage, Belastungs-Level, Setting, involvierten Personen, Tageszeit, Mondstand … variiert die „strukturelle Integrität“ meines unsichtbaren Schutzschildes. Anders formuliert: eine (tendenziell unerfreuliche) Aussage kann mich einmal kalt lassen, ein anderes Mal aufwühlen, verletzen, kränken, meinen Selbstwert untergraben …

Manchmal bewundere ich jene Menschen, die scheinbar nichts aus der Ruhe bringt. Oder verletzt. Oder berührt? Diese Frage stelle ich mir nämlich auch, komme aber stets zu der Erkenntnis, dass ich lieber berührbar (mit der Konsequenz der Verletzlichkeit) bin, als unverwundbar (und damit auch unberührbar).

Berührung – physisch, psychisch und emotional – ist für mich sehr wichtig. Sie ist ein Indikator für Nähe. Und ein Risiko für Verletzung. Zu unterscheiden, wem ich wie viel Nähe (und damit verbunden das Vertrauen, nicht verletzt zu werden) zugestehe, ist für mich häufig ein bewusster Prozess, der mit vielen Überlegungen verbunden ist. Anders gesagt: ich definiere meine Grenzen nach außen zuerst denken, und anschließend fühlend.

Aber es geht nicht nur darum, was ich an mich heranlasse, sondern auch darum, was ich aus mir hinauslasse. Welche Emotionen zeige  ich wann, wo und wem gegenüber? Welche Informationen teile ich mit der Welt da draußen? Ich bin ein ziemlich redseliger Mensch und trage mein Herz auf der Zunge. Welche Risiken birgt das in Zeiten eines „gläsernen, digitalen Menschen“? Und einmal davon abgesehen: was mute ich damit anderen zu? Kann mein Gegenüber aushalten, was ich von mir preisgebe an Informationen, Emotionen usw.? Oder ziehe ich damit den anderen vielleicht in etwas hinein, was diesen überfordert?

Apropos Überforderung. Auch hier gibt es eine Grenze, an der ich (leider viel zu oft) tanze: meine persönliche Belastbarkeitsgrenze. Ich bin zwar kein AKW, das bei einem Stresstest in die Luft fliegt, aber ich bin Borderlinerin. Eine Missachtung der Belastbarkeitsgrenze kann viel Schaden bei mir und anderen anrichten.

Jahrelang habe ich keinen Gedanken an das Thema „Grenzen“ verschwendet. Ich lebte einfach so dahin, stolperte von einer Katastrophe in den nächsten Super-Gau. Meistens fühlte ich mich als „Opfer“ der äußeren Umstände oder involvierten Personen, denen ich die Verantwortung für meinen leidenden Zustand zuschob. Doch im Nachhinein betrachtet, wäre vieles zu verhindern oder abzuschwächen gewesen, wenn ich mehr auf meine Grenzen geachtet hätte; wenn mir bewusst gewesen wäre, das es überhaupt ein Thema ist und nicht alles sich von alleine richtig fügt. Aber die Grenzverletzungen meiner Kindheit hatten meine Wahrnehmung dessen ausgeschalten und das Tor für schmerzhafte Erfahrungen geöffnet. Wie auch immer – das ist vorüber.

Heute widme ich meinen Grenzen viel Aufmerksamkeit und Reflexion. Manche sind nach wie vor gleich einer Stahlbeton-Wand, andere passen sich an die Menschen in meinem Umfeld und die Situationen an. Ich bin mir meiner Hyper-Sensibilität und schier grenzenlosen Emotionalität bewusst, die es achtsam zu schützen gilt, die aber auch eine Intensität an Lebensfreude und Lebendigkeit ermöglichen, die schier grenzenlos sein kann.

Da wären wir wieder beim Thema mit den Grenzen …

Blogger gesucht!

Seit einigen Wochen bin ich am Re-Launch eines Mindstyle- & Lifestyle-Magazins namens „Mein Leben Live – Entdecke die Vielfalt“

Das Magazin positioniert sich als Medium der Mitgestaltung und Vielfalt mit Beiträgen von Leser/innen für Leser/innen. Daher suchen wir laufend Gastautor/innen für das Magazin selbst bzw. für den demnächst startenden Blog.

Themen: Leben Live in allen Facetten 🙂

Lebensgeschichten, Erfahrungsberichte, Reiseberichte, Trends rund um Mindstyle & Lifestyle, Mode, Beauty & Fashion, Ernährung & Gesundheit … das Magazin ist breit aufgestellt. In der Wohlfühl-Oase finden auch Kurzgeschichten Platz.

Was ist DEINE Geschichte?

Wer Interesse hat, auch einmal einen Beitrag für das Magazin und/oder den Blog zu schreiben, bitte eine E-Mail an lesley.b.strong@gmx.net senden oder unterhalb kommentieren. Danke 🙂

Fluch oder Segen? Die Positiven Seiten von Borderline

Vor wenigen Tagen begegnete mir im Netz eine Aussage in der Art von: „Jemand meinte, ich soll mir die positiven Seiten von Borderline anschauen, aber beim besten Willen kann ich nichts Positives an Borderline finden.“

Ich denke, dass viele Menschen – Betroffene oder Angehörige – das auch so sehen. Ich nicht. Ganz und gar nicht.

Zum einen hat für mich alles – wirklich alles – im Leben zwei Seiten, manchmal sogar mehr. Nichts ist nur gut, nichts ist nur schlecht. Zugegeben, manchmal gehört Hardcore-Philosophie dazu, in manchen Ereignissen oder Menschen etwas Positives zu entdecken, doch das liegt hauptsächlich am subjektiven Ego, das es ein wenig zu dämpfen gilt. Sobald mein Blick stärker Richtung Objektivität fokussiert, wird es wesentlich einfacher.

Zum anderen leben wir in einem dualen Universum. Eine Menge kluger Köpfe hat dazu Statements wie folgende postuliert: „Kein Problem kann getrennt von seiner Lösung existieren.“ „Die Bewertung, ob etwas gut oder schlecht für uns ist, wird häufig durch den Lauf der Zeit umgekehrt.“ „Yin und Yang gemeinsam ergeben ein Ganzes.“ „Pol und Gegenpol bedingen einander.“ „Ohne das eine (z.B. Dunkelheit, Nacht, kalt, …) können wir das anderen (z.B. Licht, Tag, warm …) nicht wahrnehmen. Erst anhand der Unterscheidung können wir erkennen.“ Übrigens ergibt sich aus dem Erkennen BEIDER Seiten fast automatisch der Ausstieg aus dem Drama (siehe Beitrag vom 14.01.2020).

Ein Teil von mir stimmte all dem schon vor langer Zeit zu. Ein anderer – mein rechthaberisches, leicht zu kränkendes Ego – fand 1001 Argumente, warum das für mich nicht zutreffen konnte.

Nach vielen Mühen gelang es mir schließlich, mein Ego an die Leine zu legen. Danke an dieser Stelle auch all jenen Menschen, die mich in die Geheimnisse von NLP einweihten. Eine der wichtigsten Fragen, die sie mich lehrten, war jene: Was ist das Gute daran? Oh ja, es gibt in ALLEM etwas Gutes. Es zu entdecken, erfordert mitunter viel Arbeit und die Bereitschaft, „nicht-Recht-haben-zu-wollen.“

Was ist das Gute an Borderline? Diese Frage habe ich mir aufrichtig gestellt und ehrlich beantwortet. Deshalb gibt es hier und heute eine Liste meiner Big 5 der positiven Seiten meines Borderline-Syndroms.

  1. Emotionalität zum Quadrat: intensives, fast grenzenloses Fühlen – für mich die absolute Nummer 1. Liebe, Geborgenheit, Sex … 😊😊
  2. Theatralik und Dramatik in Reinkultur: lässt sich wunderbar beim Schreiben von hochemotionalen Geschichten ausleben und verleiht den Stories das gewisse Etwas, Kopfkino pur 😊
  3. Bewusste Abgrenzung statt unbewusster Abschottung: durchlässig sein für das, was von anderen kommt. Eine besondere Art von Empathie, die bis in die körperliche Wahrnehmung des anderen reicht.
  4. Hyper-Sensibilität: kleinste Veränderung in Stimmungen anderer, in deren Wortstellungen in Sätzen oder Gesprächen wahrnehmen können. Manche meinen, ich könnte Gedanken lesen, was natürlich Blödsinn ist. Sind die Antennen ausgerichtet und der 6. Sinn aktiviert, werden die Menschen transparent.
  5. Rollenverständnis und Positionswechsel: da ich die Welt lange nicht von meinen eigenen (weil nicht vorhanden) Standpunkt aus wahrnehmen konnte, lernte ich, sie aus der Sicht der anderen zu sehen. Eine Fähigkeit, die insbesondere bei Konflikten sehr hilfreich ist, weil sie hilft, nachzuvollziehen, was andere zu ihren Handlungen motiviert. Ich kann verstehen, ohne zustimmen zu müssen.

Für mich ist meine Borderline-Persönlichkeit ein Potenzial, aber kein Problem. Und schon gar keine Krankheit. Sie befähigt mich zu einem Leben mit intensiven Wahrnehmungen und Gefühlen, voller Fantasie und Träume.

Natürlich liegt eine gewisse Herausforderung darin, mit solch einer Persönlichkeit inmitten einer Gesellschaft zu leben, die dafür wenig Verständnis aufbringt und „psychische Erkrankungen“ pauschal vorverurteilt. Intoleranz und Ignoranz sind wie Dornen, und manchmal brauche ich ein sehr dickes Fell, um nicht mein Gleichgewicht zu verlieren.

Aber hey, wer behauptet, das Leben sei ein Spaziergang? Für mich ist es mehr wie eine Wanderung über Berge und durch Täler bei jedem Wind und Wetter rund ums Jahr. Manchmal regnet es, ein anderes Mal scheint die Sonne. Man weiß nie, was hinter dem nächsten Hügel wartet. Nur eines ist gewiss: es hat auf jeden Fall mindestens zwei Seiten.

Fluch oder Segen?

Eigentlich egal, ich mach einfach das Beste draus 😉

Mach kein Drama draus …

… diese Aufforderung begegnete mir sehr oft in meinem Leben. Wie ich in den letzten Monaten feststellen durfte, gehört Drama wohl untrennbar zur Borderline-Thematik. Genauer gesagt: die Drama-Dynamik oder das Drama-Dreieck bestehend aus Täter, Opfer und Retter. Es gibt viel Literatur darüber, beginnend bei Stephen Karpman und der Transaktionsanalyse https://de.wikipedia.org/wiki/Dramadreieck und allen, die danach folgten.

Vor Jahren habe ich als Trainerin zweitätige Workshops dazu abgehalten, und dabei nur an der Oberfläche dessen gekratzt, was sich in der Tiefe der Drama-Dynamik verbergen kann. Ich denke, ich werde mein Wissen und meine Erfahrungen diesbezüglich ausführlich in einem meiner bereits geplanten künftigen Bücher (vermutlich in RE/CONNECTED) verarbeiten. Da jedoch das Thema derzeit in meinem Leben dauerpräsent ist, möchte ich heute eine Facette der Drama-Dynamik schildern, die nur wenigen bewusst ist.

Täter, Opfer und Retter … man sollte meinen, es braucht drei Personen für dieses „Spiel“, wie es gerne von Experten genannt wird. Wobei, dieses „Spiel“ macht selten Spaß, vielmehr ist es eine destruktive Abwärtsspirale, die Leid und Schmerz mit sich bringt. Dieses „Spiel“ können auch zwei miteinander spielen, auch Personengruppen, oder eine Person mit sich selbst. In diesem Fall intrapersonelle Drama-Dynamik genannt, fungieren einzelne Persönlichkeitsanteile wie Personen. Schieben wir die abstrakte Theorie beiseite, ergibt sich folgender beispielhafter innerer Monolog:

„Mein Leben ist sch… So sehr ich mich auch bemühe, die Krankheit (Anm.: Borderline) macht es unmöglich, dass es mir gut geht. Ich füge anderen und mir selbst Schmerz zu, daran ist nichts zu ändern“ … so klagte mein inneres Opfer.

„Aber ich gebe nicht auf, ich kämpfe weiter, ich will und werde es schaffen. Andere haben es auch geschafft. Es muss doch auch für mich möglich sein. Ich muss nur an mich glauben, das wird schon“ … ermutigte mich mein innerer Retter.

„Auch wenn es absolut nicht fair ist. Warum ich? Womit habe ich das verdient? Andere haben mir das angetan (Anm.: frühkindliche Traumatisierung) und kommen ungeschoren damit davon, während ich bis heute darunter leide. Ich wünschte, ich könnte sie in die Verantwortung holen, sie spüren lassen, was sie angerichtet haben“ … forderte mein innerer Täter mit wütender Stimme und einer gewissen Aggressionsbereitschaft den Ausgleich ein … „ihnen das zurückgeben, was sie auf mich abgeladen haben.“

„Doch es ist unmöglich, nicht zu ändern. Es liegt an mir, all dies zu ertragen, all dies auszuhalten, nicht zu verzweifeln angesichts der Aussichtslosigkeit“ … und wieder zurück in der leidvollen Opferrolle.

Dies ist nur eine Schleife durch die Drama-Dynamik. Ein innerer Monolog, durchlaufen in wenigen Minuten, der sich wieder und wieder holen kann. Vielleicht kommen dir Sätze wie diese bekannt vor? Ja, das ist der Einstieg ins Drama, wie es innerhalb einer Person ablaufen kann. Von Runde zu Runde verstärkt sich die Dynamik, werden die Argumente schärfer und die Emotionen schmerzhafter. Das Absurde daran: meistens entsprechen diese Gedanken und Worte nicht der Realität, sondern nur der subjektiven Wahrnehmung, verfälscht durch innere, von der Vergangenheit geprägt Bilder … oder anders gesagt: Das Drama hat keinen realen Hintergrund! Umso erschreckender sind die fatalen Auswirkungen, die auf drama-gesteuerte Handlungen folgen können.

Der Ausstieg aus der Abwärtsspirale ist schwierig, aber nicht unmöglich. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist aus meiner Sicht das Erkennen, was gerade läuft: Drama! Und die Ehrlichkeit, sich das auch einzugestehen. Drama ist im Grunde ziemlich einfach zu erkennen: sobald man für sich nur mehr eine Handlungsoption sieht, beginnt das Spiel. Wäre diese eine Handlungsoption mit erfreulichen Ereignissen oder Gefühlen verbunden, wäre es kein Drama. Es geht darum, einer Handlung ausgeliefert zu sein, sich nicht dagegen wehren zu können, fremdbestimmt zu sein und sich fremdgesteuert zu fühlen bei etwas, dass sich gegen die eigenen Vorstellungen richtet, von unerwünscht bis unangenehm und schmerzhaft wahrgenommen wird. Es geht darum, in einem Verhaltensmuster gefangen zu sein, sehenden Auges auf einen Abgrund zuzusteuern und nichts dagegen tun zu können.

„Man möchte ja gerne anders, aber es geht nicht, weil man keine Wahl hat.“

Genau darin liegt der Irrtum. Man – oder besser: jeder von uns – hat immer die Wahl, etwas zu tun, oder nicht. Oder etwas anderes zu tun. Es gibt immer mehrere Möglichkeiten!

Der Ausstieg aus dem Drama oder die Umkehrung der Drama-Dynamik bedeutet, seine eigenen vielfältigen Handlungsoptionen erkennen und umsetzen zu können.

In diesem einen Satz steckt der Schlüssel zu einem Geheimnis, für das ich Jahre benötigte, um es nicht nur theoretisch zu lüften, sondern praktisch anwenden zu können. Die allgemeinen Grundlagen mögen dieselben sein, der individuelle Weg wird sich vermutlich auch bei der Drama-Dynamik unterscheiden. Was rein rational schnell nachvollziehbar und logisch erscheint, stellte für mich als Borderlinerin auf der emotionalen Ebene eine Herausforderung dar, die es zu meistern galt: das unbewusste Verlangen danach, Theatralik (und damit Drama) auszuleben!

Es war schon ein ganz besonderes Aha-Erlebnis, sehenden Auges zu beobachten, wie meine Drama-Energie sich in leidenschaftlich ausgefochtenen Diskussionen austobte, während mein Verstand längst über die Absurdität meiner Argumentation den Kopf schüttelte. Ja, Drama ist schon ein ganz spezielles Thema, das Stoff für dutzende Buchseiten (oder Bücher?) liefern kann.

Für heute nur so viel: die Drama-Dynamik ist definitiv umkehrbar, und dieser Prozess nimmt der Borderline-Thematik viel Wind aus den Segeln. Mein Leben und meine Emotionen wurden ausgeglichener, umso öfter ich das Ruder umlegte und kein Drama draus machte.

Quo vadis? … mein Status Quo Jänner 2020

Wer diesem Blog seit Juli 2019 folgt, kennt einen Teil meiner Geschichte und meine Vision, diese Welt ein klein wenig zu verändern. Ab und an frage ich mich selbst, ob das nur leere Worte meinerseits sind, mit denen ich mir selbst Mut zu spreche. Oder eine unrealistische Illusion? Ein Wunschtraum? Wo stehe ich damit?

Zeit für eine Zwischenbilanz. Wo starte ich also am Beginn von 2020?

Als Autorin finalisiere ich aktuell den 2. Teil von „JAN/A – Eine [nicht] ganz alltägliche Liebesgeschichte“, und mein Ist-mir-zwischen-durch-passiert-Buchprojekt „EMBRACE“. Zwar hinke ich ein klein wenig hinter meinem eigenen Zeitplan, aber hey – EMBRACE war eigentlich nicht geplant. Trotzdem – oder gerade deshalb – bereitet es mir sehr viel Freude, Geschichten, Gedichte und Texte zusammenzustellen, die in mir das Gefühl „vom Leben umarmt zu werden“ auslösen. Das wird ein Buch wie eine Schmusedecke inklusive heißer Schokolade an einem verregneten Sonntagnachmittag. Und es wird zeigen, welch vielfältige tiefen Emotionen ich trotz (oder aufgrund?) meines Borderline-Syndroms empfinden kann.

Zwischendurch ergeben hat sich auch eine intensive Zusammenarbeit mit dem Magazin „Mein Leben Live – Entdecke die Vielfalt“. In der Jänner-Ausgabe wird ein Artikel von mir zum Thema Borderline unter Titel „Mit Romantik aus der Krise?“ erscheinen, sowie eine Kurzgeschichte in der Wohlfühl-Oase des Magazins. Seit kurzem gehöre ich zum Team der Gastautoren von „Mein Leben Live“ und bin Administratorin der angeschlossenen Facebook-Gruppe, werde die Vielfalt mit meinem Input und meinem Borderline-Blickwinkel ergänzen.

Ebenfalls „passiert“, weil zufällig gefunden, ist mir www.story.one Kurzgeschichten mit maximal 2.500 Zeichen erzählen – welch eine Herausforderung! … für eine langatmige Erzählerin wie mich 😉 Es macht richtig Spaß, mich dieser Challenge zu stellen und auf das Wesentliche einer Story zu fokussieren. Hier kannst du mitlesen

Dann wäre da noch das „Geheimprojekt“, über das ich zu diesem Zeitpunkt leider noch nichts berichten darf, bzw. nur dann, wenn sich dieser Beitrag nach dem Lesen innerhalb von 5 Sekunden automatisch zerstört. Nein, dies lassen wir lieber bleiben. Geduld ist eine Tugend – leider nicht meine Stärke 😉

Ich bin also fleißig am Schreiben, und alles, was ich schreibe, kreist um ein zentrales Thema, beleuchtet es aus verschiedenen Blickwinkeln und verarbeitet es mit unterschiedlichen Methoden und Stilrichtungen: Borderline … und was es noch sein kann. Wie kann Leben mit etwas gelingen, dass so schwer zu erfassen, zu erklären, zu verstehen ist?

Dabei stelle ich mir selbst folgende Fragen:

  • Wie mit Emotionen zurechtkommen, die so heftig sind, dass es sich manchmal anfühlt, als würde ich von einer Dampfwalze überrollt, von einer Lokomotive mitgerissen und über eine Achterbahn gezerrt, scheinbar ohne Bremse und Steuer?
  • Wie jene Phasen aushalten, in denen mich eine grenzenlose innere Leere zu beherrschen scheint, meine eigene Lebendigkeit mir zwar im Verstand bewusst, jedoch im Fühlen abhanden gekommen ist?
  • Wie Verständnis für jene Instabilität aufbringen, die mein Umfeld mitunter verzweifeln lässt?
  • Wie auf die eigenen (Belastungs-)Grenzen achten und das dauerhafte eigene Wohlbefinden vor das kurzfristige Zuckerl „Anerkennung durch andere“ stellen?
  • Wie beim Blick auf die Welt dem Schwarz-Weiß-Denken entkommen und die bunte Vielfalt an Möglichkeiten – auch für mich selbst – sehen können?
  • Wie der unerklärlichen Sehnsucht nach Schmerz wiederstehen, in dem Wissen, dass dies nur ein Umweg zum eigentlichen Ziel ist: zu dem Wohlgefühl, das jene Botenstoffe im Gehirn auslösen, die nach großem Schmerz den Körper fluten? Wie also den direkten Weg zum Wohlgefühl einschlagen?
  • Wie den „Drachen“ und seine feurigen Ausbrüche im Zaum halten?
  • Wie jeden Morgen aufs Neue in den Spiegel blicken mit all den Erinnerungen an die Vergangenheit?
  • Wie im Hier und Jetzt bleiben?
  • Wie ich selbst bleiben?

Von allem, was ich in über 30 Jahren ausprobiert habe, funktioniert für mich Schreiben immer noch am besten. Es hat mich weitergebracht als alles andere, und scheint aus heutiger Sicht auch nachhaltig auf mich zu wirken. Schreiben hat mein Leben verändert. Ich erzähle meine Geschichte für andere und für mich selbst auf vielfältige Art und Weise. Manchmal auf diese …

Ich nutze bewusst zahlreiche Techniken aus dem Mentaltraining und NLP (z.B. Dissoziation, Reframing, VAKOG-Sprache, Milton Patterns, Umkehrung der Drama-Dynamik, Anker-Techniken, Modelling Prozesse …) und habe für mich selbst damit ein Programm geschrieben, dass Trigger im Alltag zum Teil neutralisiert hat, zum anderen Teil Verhaltensmuster kreiert hat, welche die durch Trigger aktivierten Borderline-Dynamiken ausgleichen.

… und manchmal auf eine andere. Eine Art und Weise, wie es auch das innere Kind in mir, das mit 3 ½ Jahren aus der Umarmung des Lebens gestoßen wurde, verstehen kann, in dem ich jene Sprache verwende, die auch ein kleines Kind versteht, abseits von Fachtermini und rationaler Logik: Die bildhafte Sprache von Märchen, voller Archetypen und Symbole …

Wenn sich die Dunkelheit über den Horizont erhebt, eisige Kälte und das Gefühl erdrückender Einsamkeit den Drachen (Jan) umfangen; wenn der Schmerz in seinem Herzen schier unerträglich wird, während er verzweifelt gegen die Sturz zurück in jenen Kerker der Dunkelheit ankämpft und sein eigenes Feuer ihn dabei zu verschlingen droht, dann eilt ihm ein Phönix (Jana) zu Hilfe. Schützend legt sie ihre Arme um seinen Körper, breitet ihre mächtigen Schwingen aus und steigt gemeinsam mit ihm aus den Flammen empor, nimmt den gefallenen Drachen und sein liebendes Herz mit sich zurück in ihre Welt aus Licht und Liebe. Verbunden durch bedingungslose Liebe und grenzenloses Vertrauen folgen sie ihrem gemeinsamen Weg. Er atmet ein, und sie aus. Ein Herzschlag, ein Sein – eins. Ich.

Manche mögen es romantischen Unfug nennen, aber für mich funktionieren diese Bilder innerhalb von Minuten und holen mich zurück auf meinen selbst gewählten Kurs.

Man kann darüber streiten, was Medizin ist und was nicht. Früher habe ich öfters gesagt: „Wenn es dir hilft, dass jemand mit einer Feder in der Hand um dich herumtanzt, dann ist das deine Medizin und sie hat ihre Berechtigung“.  Nun, es gibt heute fundierte Fachliteratur über die Wirkung von Placebos, die dies untermauern. Aus meiner Sicht verwende ich für mich – das muss ich jetzt mal so sagen – ein geniales Placebo. Es macht Spaß. Löst angenehme Gefühle aus. Kennt keinen Gewöhnungseffekt. Ist frei von (negativen) Nebenwirkungen – abgesehen davon, dass mich jemand eine Spinnerin nennen könnte. Das halte ich aus 😉

Ich schreibe über mein Leben mit Borderline in all seinen Facetten. Manchmal schildere ich dabei schmerzhafte Emotionen und dunkle Momente, doch ich werde meine Geschichten niemals darin enden lassen und immer bis zu einem Happy End weiterschreiben. Schließlich geht’s um mein Leben (Achtung: doppeldeutig) und ich steh‘ nun mal auf ein Happy End 😉

2020 – ein neues Abenteuer

Back again. Feiertage und Jahreswechsel überstanden. In der Vergangenheit nicht immer die einfachste Zeit des Jahres, aber diesmal war ich mit dem Vorsatz angetreten, dieser speziellen Zeit die Chance zu geben, mich zu überraschen. Das tat sie dann auch. Keine ausufernden Familiendramen. Es blieb erstaunlich ruhig und gelassen. Insofern war es angenehme Zeit. Okay, wenn man über eine Woche von einem Grippevirus außer Gefecht gesetzt wird, ist das nicht angenehm, aber auch eine Lappalie im Vergleich zu einem Familiendrama.

Es hätte mir also zwei Wochen lang gut gehen können, tat es aber nicht. Ohne wirklichen Anlass im Außen, kurvte ich (auch jetzt noch) auf meiner emotionalen Achterbahn – im vollen Bewusstsein, dass es keinen Grund dafür gibt. Wie ferngesteuert, allerdings haben diese Emotionen heute nur noch selten die Kontrolle über meine Handlungen. In gewisser Weise stehe ich einen Schritt neben mir und beobachte mein Gefühlsleben, dass wieder einmal seinen eigenen Kurs abfährt, als wäre es in eine Phase meines Lebens vor vielen Jahren zurückgekehrt. Zeitreise rückwärts im Fühlen.

Da hilft nur eines: die Gegenwart vor Augen führen.

2020 hat gerade erst gestartet.

Meine theoretischen Neujahrsvorsätze:

  1. Was auch immer kommt, nimm’s mit einer großen Portion Humor
  2. In Bewegung bleiben … körperlich und auch geistig bzw. emotional, wenn’s mal wieder irgendwo blockiert (im negativen Bereich)
  3. Mir selbst treu bleiben … ich bin, wer ich bin
  4. Mindestens 2 Bücher rausbringen … eh klar, langweilig darf mir nicht werden

Meine praktische Umsetzung:

Naja, ich habe heute eine Kurzgeschichte „Rezept zum Lächeln“ geschrieben. Eine Anleitung für meine Anti-Depressions-Suppe. Zumindest für mich hat sie gewirkt 😊

In diesem Sinne: 2020 ich komme 😊 Ein neues Abenteuer beginnt …

… und wer mein Rezept nachkochen möchte: Guten Gelingen

Rezept zum Lächeln

Grundlos unglücklich.

Für jemand, der noch nie Depressionen hatte, vermutlich kaum nachvollziehbar, aber so real. Und – verdammt nochmal – mir ist selbst bewusst, dass es keinen Grund dafür gibt, dennoch … OK, ich muss irgendetwas tun.

Runter vom Sofa und rein in die Küche. Ich will etwas kochen, mich auf andere Gedanken bringen, ablenken. Was findet sich noch im Kühlschrank? Ein paar alte Kartoffeln aus dem letzten Jahr – am 05.01.2020 sind das zwar Relikte aus einem anderen Jahrzehnt, aber immer noch genießbar. Mein erster Gedanke abseits der „Geisterbahn“.

Mein Mann lässt sich zum Zwiebelschneiden überreden. Wunderbar. Heulgefahr ausgelagert. Zu den Kartoffeln gesellen sich noch ein paar gleichaltrige Pastinaken. Gemeinsam wird geschnipselt. Sein technisches Unverständnis, warum man die aus stangenförmigen geschnittenen Teile im Küchenjargon „Würfel“ nennen kann, lässt mich einige Minuten nach einer vernünftigen Antwort suchen, doch es bleibt bei: das sind nun mal Würfel … die im Butterschmalz mit den Zwiebel gemeinsam langsam glasig rösten. Ein wenig Gemüsebrühe und das Kartoffelgewürz dazu. Und natürlich die Kartoffelwürfel.

Während nun alles vor sich hin köchelt, bleibt reichlich Zeit für eine innige Umarmung und meine erste bewusste Feststellung, dass ich mich besser fühle. Also Mann aus der Küche verscheuchen, denn jetzt ist das Finale angesagt: Abschmecken und Dekorieren. Nicht gerade seine Domäne.

Der letzte Rest Schwarzbrot wird von mir gewürfelt (wieder Würfel) und darf in einer Pfanne vor sich hin rösten. Derweilen verwandelt ein Pürierstab die anderen Würfel in eine wohlschmeckende Kombination aus Stückchen in cremiger Suppe, die ich lächelnd in zwei große Schalen verteile. Kartoffel bilden die sämige Basis, unterstrichen von der frischen Note der Pastinaken. Darüber die krossen braunen Brotwürfel und zum Drüberstreuen würzig-scharfe Kresse. Ein Hauch grün. Farbenspiel in Suppenschalen. Genuss pur. Wohlgefühl zum Löffeln. Untermalt vom wunderbaren Sound meiner Lieblings-Playlist.

War da nicht noch etwas? Richtig. Grundlos unglücklich. Nun, wenn es keinen Grund gibt, warum dann an dem Gefühl festhalten? Warum es nicht einfach ziehen lassen? Oder mit einer Schale duftender Suppe vertreiben? Ich könnte ja einfach eine Geschichte darüber schreiben …