(Ent)Rümpelstilzchen 😉

Manchmal kann „Entrümpeln“ eine fast magische Wirkung entfalten. Wenn etwas in meinem Leben unrund läuft, fange ich an, aufzuräumen. Wenn ich gerne etwas verändern möchte, aber nichts tun kann, fange ich an, aufzuräumen. Wenn ich nicht weiter weiß, fange ich an, aufzuräumen. Wenn ich unruhig bin, fange ich an, aufzuräumen. Wer mir Ideen fehlen, fange ich, aufzuräumen.

Es gibt einige Modelle dazu, die erklären, wie diese Wirkung zustande kommt. Ob es nun blockierte Energien sind, die wieder fließen können, oder eine Art von Resonanzwirkung auf die Veränderungen innerhalb des Systems, oder was auch immer. Im Grunde hat es für mich keine Bedeutung, WARUM es funktioniert. Viel wichtiger ist, DAS es funktioniert. Und das tut es.

Vor 3 Wochen packte ich mein „Leben“ in rund 75 Kartons. Würde ich heute erneut packen, wären es nur mehr 50 Kartons. Oder weniger. Die Differenz wurde zwischenzeitlich auf vielfältige Weise „entrümpelt“. Manches landete in sozialen Projekten, anderes bei Menschen, die sich darüber freuten. Nur weniges endete im Müll. Ich bin keine, die etwas, das noch gut, schön und funktionsfähig ist, einfach so entsorgt. Es gibt immer Möglichkeiten, anderen damit eine Freude zu bereiten oder gar einen Bedarf abzudecken, auch wenn diese Dinge nicht mehr zu meinem Leben passen und zu Ballast wurden.

Ich habe viel Ballast abgeworfen in diesen 3 Wochen. Auch körperlich. Ein paar Kilos sind verschwunden – worüber ich ebenso erfreut bin wie über den neugewonnenen Überblick über mein Leben. So vieles hatte sich in den Jahren angesammelt, war in den Untiefen von Schubladen und Kästen ins Vergessen hinabgesunken. All das durfte nun gehen. Ich bin dabei zu erkennen, wie wenig ich wirklich brauche, wie einfach das Leben dadurch werden kann, und wie viel Unnötiges ich so lange mitgeschleppt habe.

Aufräumen und entrümpeln hat eine heilsame Wirkung auf mich – und vermutlich nicht nur auf mich. Schließlich gibt es auch einige Bücher darüber.

Wobei – ich beschränke mich nicht auf Kästen und Schubladen. Meine Aufräum- und Entrümpelungsaktion erstreckt sich bis in eine Dimension, die weniger populär ist: meine Verhaltensmuster, Einstellungen und Glaubenssätze.

Ja, auch dort sammelte sich im Laufe von Jahren und Jahrzehnten eine Menge an, und einiges davon passt nicht mehr in meine aktuelle Lebenssituation und zu mir als Person. Während es allerdings recht einfach ist, einen Keller oder Kasten zu entrümpeln, stellt unser Unterbewusstsein (in dem unsere Einstellungen, Glaubenssätze und Verhaltensmuster verankert sind) eine Herausforderung dar. Einen Ordner – egal, ob in Papierform oder digital – kann ich hernehmen und durchackern, aber meine „Programme“ sind nicht so einfach abrufbar wie die Ordnerstruktur auf meinem PC.

Dennoch – es ist möglich.

Zu Hilfe kommt mir dabei der Umstand, dass ich mich nun in einem anderen Umfeld und einer völlig anderen Lebenssituation befinde. Erstmals in meinem Leben, teile ich meinen Wohnraum nicht mit Menschen, zu denen ich in einer familiären Beziehung oder Partnerschaft stehe. Dadurch greifen meine die Trigger meiner frühkindlichen Traumatisierungen nicht mehr, weil es eben „nur“ eine Wohngemeinschaft ist. Wenn es Stress gibt, dann auf Augenhöhe ohne emotionale Beziehungsebene und Verstrickungen, die alte Gefühle und Verletzungen reaktivieren. Anders gesagt: mein inneres Kind bleibt bei all dem gelassen, weil es mit dieser neuartigen Situation keine negativen Erinnerungen verbindet.

Während wir uns also in der Wohngemeinschaft aufeinander einstellen, habe ich die Gelegenheit, mich selbst zu hinterfragen. Nichts ist hier selbstverständlich oder gewohnt. Alles ist neu. Alles kann geprüft werden auf Relevanz für meine Gegenwart und Zukunft. Vieles wird über Bord geworfen. Bildlich gesprochen. Routinen werden verändert, angepasst an das, was für mich heute Sinn macht und nicht länger weitergeführt als etwas, was „ich schon immer so getan habe“.

Meine innere Haltung in Bezug auf mein Umfeld verändert sich. In Bezug auf mich selbst begann ich damit 2017, entdeckte mich selbst neu und fand zurück zu mir selbst. Nun geht es in die nächste Runde.

Wann hat man schon die Gelegenheit, sich selbst und sein Leben in diesem Umfang zu hinterfragen und neu auszurichten? Tag X hat mir diese Gelegenheit verschafft. Und ich nutze sie. Aufräumen, entrümpeln, neu definieren …

Ich erschaffe mir gerade meine Zukunft. Aus der Vergangenheit darf bleiben, was mir guttut, zu mir passt, mich stärkt und Sinn macht. Die Gegenwart gleicht einem weißem Blatt Papier, auf dem ich mit einem magischen Stift experimentiere. Meine Gedanken und Ideen für die Zukunft entstehen gerade erst auf einem Fundament aus Gefühlen, die sich unter einem Nenner zusammenfassen lassen: Vertrauen!

Ich vertraue dem Leben, das mich bis hierhergeführt hat.

Ich vertraue mir selbst, dass ich daraus lernen und mich weiterentwickeln werden.

Ich vertraue der Liebe, denn sie findet immer einen Weg.

Und ich vertraue auf die magische Wirkung des Entrümpelns – auch loslassen genannt.

Manchmal muss man im Leben alles loslassen, um herauszufinden, womit man noch (in Liebe und Wertschätzung) verbunden ist, denn dies wird stets zurückkehren.

Manchmal muss man sich bewusst machen, dass wir nichts wirklich besitzen. Oder in den Worten meiner romantischen Ader formuliert:  

„Du kannst nichts verlieren, denn wir besitzen nichts. Weder unser Leben, das wir von der Ewigkeit geliehen haben; noch die Liebe, die uns begleitet; noch nicht einmal den Atem, der uns am Leben hält, denn auch ihn lassen wir mit jedem Ausatmen aufs Neue ziehen. Lass alles los, damit zurückkehren kann, was bestimmt ist, dich durch dieses Leben zu begleiten.“  (Zitat: Kurzgeschichte „1001 Schmetterlinge“ aus dem Buch „EMBRACE – Fühle die Umarmung des Lebens“)

Manchmal erschafft das Leben eine Situation, in der ein Gedanke alle anderen überstrahlt: Die wirklich wichtigen Dinge des Lebens sind weder in Kästen noch Kellern zu finden, sondern tief in uns, in unserem Denken, unserem Fühlen, unserem Sein.

Aber ist das überhaupt ein Gedanke? Oder nicht doch ein Gefühl? Intuitives Wissen? Eine universelle Wahrheit? Find es heraus. Fang an, in deinem Leben und dir selbst aufzuräumen, zu entrümpeln, loszulassen …

Vielleicht wird es dir so ergehen wie mir selbst: unabhängig von dem, was außen ist, fühle ich mich geborgen in der Umarmung jenes Lebens, das gut für mich sorgt, weil ich gut für mich sorge 😊

#FeelTheEmbraceOfLife

(Tag 29 in meinem neuen Leben)

Bild: pixabay.com

Tagebuch meines neuen Lebens / Tag 25

Wenn ich morgens in meinem neuen Leben und neuem Heim aufwache, fühle ich mich unendlich leer. Etwas fehlt. Etwas, das ich vermisse. Etwas, das ich mir selbst nicht geben kann. Auch wenn ich gelernt habe, mich selbst zu lieben, mich so anzuerkennen, wie ich bin und die Geborgenheit in der Umarmung des Lebens wahrzunehmen – eines kann ich mir selbst nicht geben: die Nähe eines vertrauten Menschen, der die Hälfte meiner bisherigen Lebenszeit an meiner Seite verbracht hat. Mit dem ich so vieles geteilt habe.

Es ist, wie es ist. Unsere Wege haben sich getrennt. Mein Verstand hat es längst realisiert und akzeptiert. Doch Gefühle lassen sich nicht so einfach umschalten. Deshalb bin ich traurig, unkonzentriert, noch immer neben meiner üblichen, hoch effizienten Spur.  Ich verarbeite emotional die Geschehnisse. Das gehört dazu. Kein Grund für Leid oder gar böswillige Gedanken. Einfach nur Trennungsschmerz. Ich habe etwas verloren, das mir ans Herz gewachsen war, das mir lieb und teuer war auf eine Weise, die sich nicht mit Worten beschreiben lässt.

Wie einfach wäre es, mich einfach in eine Depression fallen zu lassen, im Schmerz zu versinken, im Leid zu baden, in der Opferrolle aufzugehen. Von vielen würde ich Trost, Zuspruch und Zuwendung dafür erhalten, weil es doch verständlich wäre, so zu empfinden. Doch so einfach ist es nicht – für mich. Ich sehe nicht nur eine Position, nicht nur ein Ereignis. Aus der Meta-Position heraus offenbart sich mir ein komplexes Bild mit tradierten Rollen und Verhaltensmustern sowie langjährig aufgebaute Verstrickungen.

Schuldzuweisungen? Wer damit anfängt, versagt sich jeglichen Lerneffekt aus Krisen.

Vorwürfe? Erschweren nur den Blick auf die Eigenverantwortung.

Vielleicht ist das, was im Moment schmerzt, auch die Erkenntnis, an welchen Punkten auf unserem gemeinsamen Weg eine andere Handlungsweise zu anderen Ergebnissen geführt und somit den Tag X verhindert hätte. Oder das Wissen um die Unveränderbarkeit der Vergangenheit?

Nicht umsonst heißt es: Im Nachhinein ist man immer klüger.

Der Verstand kann sich schnell mal hinter weisen Sprüchen und Erklärungen zurückziehen und zur Ruhe kommen, doch das Herz bleibt im Sturm der Gefühle zurück.

Es heißt: Zeit heilt alle Wunden.

Das will ich glauben. Ich will daran glauben, dass der Tag kommen wird, an dem ich aufwache, und wieder vertraute Nähe zu einem Menschen fühle, dem ich mein Herz geöffnet habe.

Tagebuch meines neuen Lebens / Tag 21

3 Wochen. So lange braucht ein Hühnerküken, um aus seinem Ei zu schlüpfen. 3 Wochen habe ich gebraucht, um wieder in einem Bett zu schlafen, das ich mein Eigen nenne. Seltsam, wie wichtig mir dieser Punkt ist, im Gegensatz zu vielen anderen, deren Wichtigkeit oder Priorität in diesen 3 Wochen verloren ging. Immer alles aufgeräumt und abgeschlossen? Rechts vor mir lehnen noch ein paar Kartons, deren Inhalt sich erst dann zu einem Schrank zusammenfügen wird, wenn der Rest geliefert wurde. Apropos Rest: Umzugskartons verwahren auch heute noch gut die Hälfte meiner Kleidung, Küchenutensilien, Kosmetikartikel … „angekommen“ ist ein dehnbarer Begriff. Dennoch fühle ich mich bereits zuhause.

Krise gemeistert? Ich würde mal sagen: entschärft. Während ich auf der einen Seite mein Leben um vieles erleichtere, kreisen auf der anderen Seite meine Gedanken um Vergangenheit und Zukunft.

Teilweise bin ich noch immer erstaunt, was ich alles seit Jahrzehnten mit mir rumschleppe in diversen Ordnern und Schachteln. Die Müllabfuhr darf sich freuen. Allerdings taucht auch einiges auf, über das ich mich freue, dass ich längst vergessen hatte und das gleichzeitig genau in die Situation passt. So fand ich zum Beispiel gestern die handschriftlichen Originale einiger Gedichte aus dem Jahr 1996, die ich heuer in EMBRACE veröffentlicht habe. Damals schrieb ich den Tag und die Uhrzeit oben rechts in die Ecke auf den karierten Blättern. Ich hielt den exakten Entstehungszeitpunkt fest und – fast unglaublich, aber wahr – es gibt kaum Korrekturen auf diesen Blättern. Ich schrieb die Gedichte in einem Stück, wie bei einem Diktat. Genau wie heute auch. Ich überarbeite oder korrigiere nur wenig.

In der Vergangenheit entdecke ich neue, alten Facetten von mir, erkenne weitere Zusammenhänge, vertiefe das Verständnis meiner selbst.

Mir wurde klar, dass der Tag X unausweichlich hatte kommen müssen. Tag X symbolisiert das Ende einer Beziehung und den Anfang von etwas Neuem. Aus der Asche erhebt sich der Phönix – eine Metapher, die ich häufig verwende und sie trifft es genau. Veränderung erfordert auch überholtes loszulassen, damit neues entstehen kann. Seit Oktober 2017 habe ich mich verändert. Für den nächsten Schritt war Tag X essenziell. Diesen Tag und seine Ereignisse zu erleben, dabei weder die alleinige Schuld und damit die Täterrolle zu übernehmen noch die Verantwortung abzugeben und mich in die Opferrolle zu flüchten, sondern das Zusammenwirken vieler Faktoren wertfrei anzuerkennen, eröffnet mir einen neuen Blick auf die Welt und mich selbst.

Durch die Fügung des Schicksals lebe ich nun in einer WG mit einer Philosophin. Unser heutiges stundenlanges Gespräch über Eigenverantwortung und wertfreie Betrachtung war vermutlich nur das erste von vielen, die noch folgen werden.  Die Autodidaktin trifft auf die Expertin. Ich hätte irgendwo stranden können, doch ich landete bei einer, von der ich lernen und meinen eigenen Horizont erweitern kann. Welch Fügung des Schicksals.

Soll die Zukunft anders werden als die Vergangenheit, gilt es diese zu verstehen und daraus zu lernen. Ich bin dabei, meine blinden Flecke zu erkunden. Subtile Verhaltensmuster zu identifizieren, die auf den ersten Blick harmlos, auf den zweiten jedoch manipulativ sind. Parallel dazu beginne ich damit, die finale Phase von JAN/A zu schreiben. Ich weiß zwar noch nicht, wie lange ich dafür brauchen werde, aber ich weiß, wenn ich Band 3 von JAN/A fertig habe, wird auch mein eigener Prozess, der im Oktober 2017 begann, abgeschlossen sein.

Zwischendurch frage ich mich immer wieder: Bin ich noch Borderlinerin? Tag X, die Wochen danach, all das ohne emotionale Zusammenbrüche, Depression, Selbstverletzung, Selbsterniedrigung oder sonstige „typische“ Borderline-Symptome. Okay, ein paar Mal lagen meine Nerven blank, reagierte ich gereizt oder emotional, aber in einem Ausmaß, das man als „normal“ in einer Krisensituation einstufen könnte.

Meine Feinfühligkeit und intensive Emotionen sind immer noch da, vielleicht sogar stärker als je zuvor. Ich empfinde Freude, Glück, Schmerz … alles da. Nur eines fehlt: ich leide nicht. Nicht mehr. Vor einigen Wochen verabschiedete ich mich während des Schreibprozesses vom „Leid“. Im Klartext heißt das: ich bin verwundbar, kann Schmerz empfinden, aber ich leide nicht – weder unter einer Wunde noch unter dem Schmerz. Mitgefühl und Mitleid sind zwei sehr unterschiedliche paar Schuhe. Mein Verstand wusste es schon länger, doch nun kann ich es auch fühlen.

Und ich bin dankbar für alles, was geschehen ist. Auch für Tag X. Ich bin weder durchgeknallt noch abgehoben, vielmehr geerdeter denn je zuvor.

Meine komplexe (Borderline-)Persönlichkeit und ich sind im Einvernehmen und gut auf Kurs Richtung Zukunft.

Tagebuch meines neuen Lebens / Tag 19

Angekommen im neuen Zuhause. Da bin ich nun. Vor mir liegt die erste Nacht in meinem neuen Heim. Es stehen zwar noch etliche Kartons im Zimmer. Es fehlt noch da und dort dies und das, unter anderem ein Kleiderschrank, aber auch wenn nicht alles perfekt ist (was es nie sein wird), es spiegelt bereits meine persönliche Note wider und fühlt sich passend an. So weit, so gut.

Ein Teil von mir ist angekommen und freut sich auf das, was vor mir liegt.

Ein anderer Teil von mir ist traurig über das, was geschehen ist.

Und ich bin unbeschreiblich müde. Fast drei Wochen habe ich als Nomadin gelebt. Entwurzelt nach einem Vierteljahrhundert. Ich mag vielleicht geistig sprunghaft und flexibel sein, aber mein Lebensmittelpunkt ist es nicht. Der gleicht mehr einem Redwood Baum. Verpflanzen bekommt uns beiden nicht.

Ohne die Hilfe vieler Freunde und vor allem meines Sohnes, hätte ich sicherlich nicht so schnell wieder Wurzeln schlagen können. Das Gefühl, irgendwo hin zu gehören, ist für mich essenziell. In diesem Augenblick gehöre ich hierher, an diesen Ort, mein neues Zuhause. Ob es so bleiben wird, ist offen. Zu vieles ist noch in Bewegung, in Unruhe. Die Wellen, losgetreten von den Ereignissen um den 11.07., sind zwar abgeflacht, doch keineswegs völlig geglättet.

Für heute bin ich zu müde zum Nachdenken, zu müde zum Planen oder Organisieren. Für heute ist alles getan, was getan werden konnte. Alles andere wird sich morgen zeigen. Für heute will ich einfach nur zur Ruhe kommen und die erste Nacht in meinem neuen Heim in der Umarmung des Lebens verbringen – denn ich fühle mich nach wie vor vom Leben gehalten. Gleich, welches Chaos auch über mich hereingebrochen ist, so vieles hat sich in kurzer Zeit zu guten Lösungen gefügt, dass selbst mein kritischer Verstand resigniert und anerkannt, dass hinter all dem wohl so etwas wie ein Sinn stecken muss. Aber darüber denke ich morgen nach. Heute wird geschlafen. Gute Nacht. 😊

Tagebuch meines neuen Lebens / Tag 17

Heute morgen erhielt dieser Beitrag aus dem letzten Jahr ein Like – und das holte die Geschichte in meine gefühlte Gegenwart. Sie ist 100% autobiographisch.

Wie damit umgehen, diesen Lebensmensch verloren zu haben?

Ich weiß es nicht.

Vielleicht gibt es keine Antwort auf diese Frage. Kein Wissen um das „wie“?

Nach dem Schmerz kommt die Trauer. Irgendwann folgt auch wieder das Lachen. Auch wenn ich es gerne möchte, dieser Prozess lässt sich nicht beschleunigen. Mein Verstand arbeitet schnell, doch meine Gefühle fordern Zeit ein … notwendige, wichtige Zeit.

„Funktionieren“ wird nebensächlich.

Ich bin keine Maschine – werde es nie sein.

Ich bin ein Mensch. Ich fühle, mache Fehler, scheitere … stehe auf und gehe weiter. Vielleicht ein wenig angeschlagen, langsamer, nachdenklicher, verletzlicher … doch ich gehe weiter meinen Weg, lebe mein Leben, verharre im Gefühl der Liebe – zu mir selbst, zum Leben, zu den Menschen… auch zu dem einen, der nun nicht mehr an meiner Seite ist.

Es ist, wie es ist.

Und ich bin, wer ich bin.

Ein feuriger Funken Lebensfreude, der zur Zeit auf Sparflamme brennt, aber keinesfalls erloschen ist 🔥

Tagebuch meines neuen Lebens / Tag 5+6

Endlich wieder einmal richtig gut und erholsam geschlafen. Gestern Abend die letzten Kartons geholt und die offizielle Verabschiedung vom Ex-Partner. Ein paar Tränen waren dabei, aber nicht, weil ich ging, sondern weil die Kluft zwischen uns schmerzlich war. Schließlich begann es einst als Freundschaft, doch davon war scheinbar nichts übriggeblieben.

Ich staune über mich selbst, wie schnell ich diese langjährige Beziehung ablege. All die Jahre davor, wenn das Thema „Trennung“ in der Luft schwebte, drohte ich daran fast zu ersticken, versank in Schmerz und Leid, suchte die Schuld bei mir, verfiel in Selbstanklage und Ablehnung, kroch auf dem Boden (bildlich und wörtlich), um wieder seine Gunst zu gewinnen, ertrug seine offen zur Schau gestellte moralische Überlegenheit … all das nur, um einige Monate später wieder an diesem Punkt zu landen. Ab 2017 begann sich mein Verhalten zu verändern. Ich hörte auf, zu leiden, wenn zwischen uns wieder einmal Funkstille herrschte, blieb stattdessen ruhig und gelassen, während ich auf seine „Rückkehr“ wartete. Keine Selbstentwertung mehr, kein einseitiges Schuldeingeständnis, sondern ein offener Blick für die Zusammenhänge und das Zusammenwirken beider Seiten. Das sehe ich auch heute, und ich sehe die Unvereinbarkeit unserer Positionen, Werte und Interessen. Vielleicht kann ich heute deshalb so leicht und schnell gehen, weil ich schon viele Male an diesem Punkt gestanden habe, ohne den Mut aufzubringen, es zu tun. Die Bequemlichkeit obsiegte. Ich nahm in Kauf, innerhalb der Beziehung nicht ich selbst sein zu dürfen, Teile von mir selbst zu verbergen oder zu unterdrücken, um die Partnerschaft nicht zu gefährden. Doch welche Art von Partnerschaft ist es, wenn man nicht so sein kann, wie man ist? Wenn einer der beiden die Meinung vertritt, am anderen ist etwas „kaputt“, das repariert werden muss, damit die Probleme aus der Beziehung verschwinden?

Probleme in einer Beziehung haben immer mit beiden Seiten zu tun.

Heute sehe ich das, akzeptiere es und handle danach. Ich kann mich nicht länger selbst verleugnen oder unterdrücken. Das ist eine Form der Selbstverletzung, die weithin unbekannt ist, aber um nichts weniger schmerzt als Schnittwunden am Körper. Seelischer Schmerz ist unsichtbar. Genau deshalb ist er so gefährlich, weil die anderen ihn nicht erkennen und nicht eingreifen können. Genau deshalb geschieht manchmal etwas, das scheinbar völlig überraschend kommt, dass niemand erwartet hätte, weil eben niemand in die Seele eines anderen blicken kann.

Monatelang habe ich mich mit subtilen körperlichen Befindlichkeitsstörungen herumgeschlagen. Verspannungen, blockierte Lymphe, Nervenflirren, Muskelzucken … trotz dem Chaos an Umzugskartons, dem emotionalen Stress und Gipsy fühle ich mich körperlicher fitter als vor dem Crash. Ich fühle eine enorme Menge Energie in mir, die gerade freigesetzt wird, und die mich nach vorne blicken und gehen lässt. Durchatmen. Freiheit. Lebensfreude. Vor mir liegt eine Zukunft, die ich selbst nach meinen eigenen Vorstellungen gestalten werde.

Gemeinsam mit meinem Sohn habe ich rund die Hälfte der Umzugskartons (= mein ganzes Leben) sortiert und bewertet, was bleibt und was gehen darf. Letzteres verschwindet nicht einfach im Müll, sondern wird über Netzwerkkontakte verteilt und kommt diversen sozialen Projekten oder Menschen zu Gute, die dafür Verwendung haben und sich darüber freuen.

Zwischendurch tauchen alte Erinnerungen auf, wenn ich das eine oder andere in die Hand nehme. Tränen. Ein Kloss im Hals. Darf sein. Ist heilsam. Es war nicht alles schlecht. Viele schöne und gute Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre … ein Vierteljahrhundert gemeinsam. Wenn ich mein eigenes Alter bedenke – wer weiß, ob ich je wieder mit einem Menschen so lange in einer Beziehung sein werde. Bedauern im Vorfeld über eine Zukunft, die noch im Unklaren liegt? Weg mit diesen Gedanken. In der Gegenwart gibt es genug zu tun.

Ich lasse los – meine Vergangenheit und alles, was hinderlicher Ballast auf dem Weg in meine Zukunft wäre. Diese Auswirkungen sind auch körperlich erkennbar. Seit letzten Sonntag habe ich mindestens 2 kg verloren. Zumindest bis Mittwoch war es so. Danach machte Gipsy ein Abwiegen obsolet, aber wenn ich mich im Spiegel betrachte, sehe ich das verschwinden, was in den letzten Monaten beständig mehr geworden war und mich gestört hatte.

Es war definitiv an der Zeit für mich, loszulassen.

Sonntag

Wieder eine neue Erfahrung in meinem neuen Leben: auf einem Schreibtischdrehsessel sitzend die Küche putzen bzw. mit dem Staubsauger durch die Wohnung meines Sohnes zu düsen. Hat schon einen leichten Touch von durchgeknallt. Ich habe meinen Spaß dabei – und den kann ich gut gebrauchen, denn am Nachmittag ging’s an die zweite Hälfte der Kartons. Gegen Abend waren wir damit fertig und mein Leben fein säuberlich auseinanderdividiert – bis auf die Bücher, die folgen am Montag.

Erstaunlich, wieviel sich in den Jahren angesammelt hat, wie wenig mir bewusst war, was ich eigentlich alles besitze, und wie wenig es mit meinem Leben noch zu tun hat. Zeit, um radikal auszumustern. Vieles darf gehen. Loslassen, loslassen, loslassen …

Tagebuch meines neuen Lebens / Tag 4

Dank Gipsy (der Spitzname für meinen Spaltgips) zur (beinahe) Untätigkeit auf dem Sofa verdammt. Organisatorisches kann ich noch per Telefon/Internet erledigen, aber darüber hinaus … nada. Einbeinig duschen mit Müllsack am Fuß als Spritzschutz … oh Mann, nicht das erste Mal, aber das letzte Mal liegt doch schon ein paar Jahre zurück.

Zeit habe ich momentan mehr, als mir lieb ist. Ich würde – wie in der Vergangenheit – gerne einfach proaktiv die Sache angehen, etwas tun, mich ablenken … aber diesmal bin ich dazu verurteilt, zuzuschauen, was geschieht.

Für mich noch immer unglaublich POSITIV ist die vielfältige Unterstützung und Hilfestellung, die wie aus dem Nichts aufgetaucht ist. Viele Herausforderungen, die sich aus der Situation ergeben, lösen sich fast von allein auf, als würde jemand oder etwas die Steine aus meinem Weg räumen und mich einladen, in mein neues Leben voran zu schreiten … zumindest gedanklich/emotional.

Mir war bis vor wenigen Tagen nicht bewusst, wie viele Menschen für mich da sind, wenn ich Hilfe brauche. Das berührt mich tief und erfüllt mich mit Dankbarkeit. Ich kann nur hoffen, dass ich beides auch angemessen zum Ausdruck bringe.

Deshalb liege ich gerade auf dem Sofa, trockne Gipsy, der beim Duschen heute etwas gelitten hat, reflektiere über die vergangenen Tage und warum ich in dieser völlig verrückten Situation in mir eine unerklärliche Ruhe und Gelassenheit verspüre.

Bin ich total neben der Realität? Ich hätte nicht den Eindruck, kümmere mich um alles, was zu tun ist und blicke auf das, was da ist. Realitätsverweigerung kann es nicht sein.

Emotionaler Schockzustand, der mich entkoppelt? Passt auch nicht. Sicher, es hat extrem weh getan, 24 gemeinsame Jahre innerhalb von wenigen Tagen aufzulösen, aber irgendwie will ein Teil von mir nicht am Alten festhalten, auch wenn vieles davon schön und gut war.

Ich frage mich, wann es begann, auseinander zu driften? Vermutlich im Oktober 2017, als ich zur Reise zu mir selbst aufbrach. Zu Beginn, vor 24 Jahren, hatte ich viele Probleme, suchte und fand einen Beschützer und Versorger. Das hat viele Jahre recht gut funktioniert. Kleine Probleme gab es immer wieder mal, doch die Rollenverteilung blieb aufrecht. Seit 2017 bin ich unabhängig und eigenverantwortlich geworden. Ich brauche keinen Versorger oder Beschützer, weder in väterlicher Form noch als meinen Partner. Das brachte vermutlich die Rollen-Balance ins Kippen. Er ist nach wie vor der Typ Versorger und Beschützer. Ich möchte jedoch einen Partner auf Augenhöhe an meiner Seite, der mir die Verantwortung für mein Leben und meine Probleme überlässt und mir zutraut, dass ich damit klarkomme und wenn nicht, um Hilfe bitte. Genau dieses Thema war der Funke, der am vergangenen Wochenende unsere Beziehung explodieren ließ.

Meine Entwicklung führte mich weg von der gemeinsamen Richtung. Vielleicht fällt es mir deshalb relativ leicht, alles hinter mir zu lassen und in ein neues Leben aufzubrechen. Ich bin nicht abhängig von der Beziehung oder meinem Ex-Partner. Wir hatten unzählige schöne Momente zusammen und ich werde stets mit Wertschätzung an ihn zurückdenken, aber mein Weg geht vorwärts, nicht rückwärts. Was auch immer vor mir liegt, ich bin offen dafür und freue mich darauf.

Vielleicht zeichnete sich all das schon seit längerem ab und ich habe es nicht wahrnehmen wollen. Wenn ich meine Beiträge der letzten 12 Monate betrachte, dann gab es immer wieder das Thema „Beziehungsstress“. Das war nicht neu. Schon in den Jahren davor hatten wir regelmäßige Stressepisoden und kein brauchbares Tool, um diese Konflikte gut zu lösen. Das hätten wir eigentlich am vergangenen Wochenende im Rahmen des Seminars entwickeln wollen. Stattdessen kam es zur finalen Trennung. Vielleicht waren/sind unsere Konflikte nicht zu lösen, weil unsere Positionen zu weit auseinander liegen, um noch die Basis einer Beziehung zu bilden?

Das klingt jetzt alles wieder einmal sehr kopflastig, doch diesmal war das Gefühl da, bevor ich die Worte niederschrieb.

Es mag einige irritieren, aber mir geht es wirklich gut. Traurigkeit ist da, ja, ich lasse immerhin 24 Jahre meines Lebens mit dem Mann, den ich als meinen besten Freund bezeichnet habe, hinter mir. Doch gleichzeitig verspüre ich auch eine große Erleichterung, nicht mehr jeden Satz auf die Goldwaage legen zu müssen, ob ich nun die passenden Worte wähle, die auf Verständnis treffen. Nicht mehr verstecken zu müssen, wenn ich einfach durchs Wohnzimmer tanzen will (sobald Gipsy verabschiedet ist), weil es mir grundlos gut geht, das aber als Überemotionalität verstanden werden könnte.

War das nicht bereits ein Anzeichen? Voller Lebensfreude zu sein und diese „abzuschalten“, sobald der Partner den Raum betritt, weil es für ihn „zu viel“ ist?

Hätte ich unser Auseinanderdriften darin erkennen können, dass mein Partner keines meiner Bücher, Gedichte, Geschichten oder meinen Blog je gelesen hat? Trotz meiner Bitten und Erklärungen, dass er dadurch besser erfassen könne, wer ich bin? War er nicht bereit, sich auf meine Entwicklung einzulassen?

Viele Fragen. Letztendlich führen mich die Antworten zu dem Schluss, dass es gut so ist, wie es ist. Es tut noch weh, aber der Schmerz wird vorüber gehen. Die Freude wir wieder in den Vordergrund rücken. Ich fühle mich trotz dem ganzen Chaos um mich vom Leben umarmt, geborgen und geliebt.

Ich habe alles, was ich brauche: Liebe, Optimismus, Humor … und wirklich tolle Freunde, für die ich von ganzem Herzen dankbar bin.