BILDER IM KOPF

Jeder Mensch hat individuelle Bilder im Kopf. Vorstellungen, was richtig/falsch, gut/schlecht ist. Was andere (möglicherweise) denken, was sie motiviert. Etliche dieser Bilder lassen sich unter dem Begriff „Vorurteile“ zusammenfassen. Männer sind … Frauen sind … Borderliner sind …

Es braucht nicht viel, um abgestempelt zu werden als ….

Vor kurzem bin ich auch mit „Bildern im Kopf“ zu Borderline konfrontiert worden – aber auch mit dem ehrlichen Interesse, diese zu hinterfragen und abzugleichen. Eine echte Wohltat, Menschen zu treffen, die über den Tellerrand der Vorurteile hinausblicken auf das, was es ist.

Eines dieser Vorurteile lautet: „Borderliner sind eine Gefahr für andere und sich selbst“. Sind sie das wirklich? Oder präziser gefragt: Sind Borderliner gefährlicher für sich selbst und andere als Nicht-Borderliner? Wer richtet mehr Schaden in dieser Welt an? Bei Borderlinern kann Selbstverletzung vorkommen, aber wie viel (Selbst)Verletzung findet durch Nicht-Betroffene statt? Bislang habe ich keine Studie gefunden, die sich diesem Vergleich widmet, aber ich traf auf eine Menge Vorurteile der Ablehnung, Ausgrenzung, Stigmatisierung ….

Ich liebe es, Vorurteile zu hinterfragen.

Oder neue Perspektiven zu eröffnen, so wie diese:

Ich bin Borderlinerin. Mein emotionales Gleichgewicht ist nur bedingt „von allein stabil“, weshalb ich mir über die Jahre eine tägliche Routine der Psychohygiene angewöhnt habe um Schwankungen auszugleichen und mein inneres Gleichgewicht bewusst herzustellen. Mindestens eine Stunde pro Tag (in der Bahn, beim Waldspaziergang oder auch auf der Couch) widme ich mich dem Reflektieren meiner Erlebnisse in einer Art „Achtsamkeits-Meditation“. Was ist geschehen? Wie hat es auf mich gewirkt? Was habe ich gefühlt? Wie habe ich reagiert? Wie hat das wiederum aufs Umfeld gewirkt? Was will ich künftig anders machen?

Wie viele Nicht-Betroffene reflektieren täglich ihr Verhalten und dessen Auswirkungen?

Achtsamen Umgang mit anderen und sich selbst erlebe ich im Alltag eher selten. Wenn ich daran denke, wie häufig ich in Öffis angerempelt werde (obwohl ich nicht zu übersehen bin mit über 1,80 m), neige ich dazu, Achtsamkeit unter „ferner liefen“ abzulegen. Auch all die verletzenden Worte und geringschätzigen Blicke rundum … Respekt und Höflichkeit sind offenbar ebenso aus der Mode gekommen wie Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. 

Wie wäre der Alltag in einer achtsamen Gesellschaft, in der jeder Mensch sich täglich eine Stunde der Reflexion und Psychohygiene widmet? Eine kühne Spekulation von mir: Rücksichtlosigkeit wäre die Randerscheinung unter „ferner liefen“.

Oder im Sinne von „Henne oder Ei“ gedacht: Wie verbreitet wäre Borderline in einer achtsamen Gesellschaft, in der achtsame Menschen darauf achten, nicht übergriffig zu werden oder andere zu traumatisieren? Oder sie allein lassen mit Ereignissen, die sie nicht verarbeiten können? Wer sind die Täter? Wer die Opfer?

Rotieren die Bilder im Kopf?

Jeder, der schon mal mit Vorurteilen konfrontiert war, weiß aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, vorverurteilt zu werden und wie mühsam es ist, daran etwas zu ändern. Viele Jahre meines Lebens fühlte ich mich fehlerhaft, defekt, kaputt … dieses Gefühl hat eine Menge Schaden angerichtet. Ich frage mich, was alles hätte vermieden werden können ohne dieses Defekt-Gefühl? Wie viel schneller und einfacher wäre mein Heilungsprozess verlaufen? Hilfreich war es sicherlich nicht, vom Umfeld vermittelt zu bekommen „du bist fehlerhaft“.

Aber so sind sie, die Bilder im Kopf, omnipräsent und nur selten hinterfragt. Ebenso wie all die Informationen, mit denen wir tagtäglich über diverse (soziale) Medien berieselt werden und aus denen unsere Bilder im Kopf entstehen. Wie viel davon ist wahr? Was Fake? Ist die Welt wirklich jener Ort des Schreckens, die Menschheit ohne Zukunft, oder findet sich rund um das Faktenkorn eine Menge Fake-Spreu?

Fakt ist, dass negative Gedanken und Gefühle sich negativ auf die physische und psychische Gesundheit eines Menschen auswirken. Wir werden davon langfristig krank und sterben früher. Einen Menschen laufend mit dem Vorurteil „du bist fehlerhaft“ abzustempeln sollte – meiner Ansicht nach – ebenso wie Körperverletzung behandelt werden, denn es ist per se Seelenverletzung. Leider sind Narben auf der Seele weniger sichtbar als Narben an den Unterarmen. Über letztere verfüge ich nicht, weshalb ich auch schon mal skeptische Blicke ernte im Sinne von „Du bist wirklich Borderlinerin – ohne Narben?“ Wieder so ein Bild im Kopf. Tatsächlich gibt es weniger Borderliner, die sich selbst Schnittverletzungen zufügen als solche, die es nicht tun. Dieses Bild ist allerdings weniger weit verbreitet.

Die Fake-Spreu lässt sich mit gezieltem Hinterfragen und konsequenter Achtsamkeit vom Faktenkorn trennen. Mit ihr verschwinden dann auch einige Bilder im Kopf, entsteht Raum für neue Bilder, können Vorurteile durch Erfahrungswerte ersetzt werden. Natürlich ist das ein bewusster Prozess, anders als unbewusstes Reagieren anhand unreflektierter Bilder.

Aber wie bei allem im Leben, führt auch Übung zum Erfolg und zur Meisterschaft. Für mich sind meine täglichen Achtsamkeitsmeditationen ein integrierter Bestandteil meines Lebens, ein Automatismus, Routine. Ich komme gar nicht auf die Idee, einen Tag mal NICHT zu reflektieren. Vielleicht bin ich keine typische Borderlinerin, aber auch das ist nur ein Bild im Kopf.

Bild: pixabay.com

RE-TRAUMATISIERUNG

Das Bild zeigt ein kleines Bäumchen, das sich tapfer neben den Schienen der Wiener U6 (die fährt überirdisch) seinen Platz an der Sonne erkämpft … und dabei im Minutentakt eins drübergezogen bekommt. Against all odds.

Genauso fühlt sich für mich Re-Traumatisierung an.

Vor einigen Tagen fand ich mich in einer Situation wieder, in der Menschen, zu denen ich eine persönliche Beziehung habe und für die ich mich verantwortlich fühle, von anderen Menschen drangsaliert wurden. Ich stellte mich dazwischen, versuchte rund 20 Menschen aufzuhalten, um einige wenige zu schützen.

Keine Chance.

Ich wurde überrollt. Physisch ebenso wie emotional.

Mit einem Schlag war es wieder da, das Gefühl, ausgeliefert zu sein, wehrlos, über sich ergehen lassen zu müssen was auch immer da kommt, verletzt zu werden, entwürdigt, gedemütigt, wertlos.  

Re-Traumatisierung.

Seither fühle ich mich wie dieses kleine Bäumchen. Im Minutentakt überrollen mich Gedanken und Emotionen. Unaufhaltsam. Der Körper unter Dauerstress. Ausnahmezustand. Kopflastige Menschen beurteilen mich, ohne auch nur erahnen zu können, was ich fühle. Ihre Urteile sind Sonderzüge, die zusätzlich über die Schienen donnern.

Das Hinterfragen der eigenen Handlungen wird zur Fallgrube, in der die spitzen Pfähle der Schuld nur darauf warten, mich zu durchbohren. Wer ist Täter? Wer Opfer? Wer angegriffen wird und sich zur Wehr setzt wird zum Täter, die Täter zum Opfer. Pervers, aber in einer kopflastigen Welt aus dem Gefühl zu leben und seinem Herzen zu folgen, scheint verkehrt. Die Mehrheit der Stimmen verdreht die Realität. Ein weiterer Wagon hängt sich an den Zug an.

All das soll aufhören. Sterben? Nein, einfach nur weg. Weg von allem. Aber wohin? Davonlaufen führt letztendlich irgendwann an eine Wand. Mit dem Rücken zur Wand bleibt nur ein Ausweg. Zwischendurch drängt die Erkenntnis an die Oberfläche: Niemand versteht mich! Selbst wenn ich erzähle, was in mir los ist, kann es niemand nachvollziehen.

Sie fragen: Warum?

Und ich antworte: Weil ein Blick, ein Wort, einen Stachel in das Herz des Drachen bohren kann und sein über Äonen aufgestauter Schmerz sich in einem Feuerball entlädt, voller Verzweiflung darüber, sein liebendes Herz nicht schützen zu können vor den Zerstörern.

Wer soll das verstehen? Wer spricht meine Sprache der Seelenbilder? Wer kann dem roten Faden im Labyrinth meiner Empfindungen folgen, die im Sekundentakt zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her springen bis da nur noch ein einziger Schrei ist.

Ich bin anders.

Ich bin unendlich allein – wie das kleine Bäumchen. Chancenlos.

Aufgeben ist keine Option.

Von mir wird erwartet, zu funktionieren – trotz Traumatisierungen und Re-Traumatisierungen. Ich habe gelernt zu funktionieren, oberflächlich so zu werden, wie die anderen …

Ich mache mir bewusst, dass die Situation – so schlimm sie war – mittlerweile Tage zurückliegt, in der Vergangenheit. Sie war damals gegenwärtig, aber hier und jetzt ist sie es nur mehr in meinem Kopf. Innere Bilder sind veränderbar. Also gebe ich diesem kleinen Bäumchen – mir selbst – eine Chance. Stelle mir vor, wie der Beton zu Sand zerfällt. Wie die Steine sich in Kiefernnadeln auf dem Waldboden verwandeln. Wie die Stahlschiene zu einer knorrigen Wurzel wird und das kleine Bäumchen seinen Platz an der Sonne findet, diesmal mit der Chance auf Frieden.

Allmählich beruhigen sich die Gedanken und Emotionen.

… doch in mir drin, bin ich anders, fühle und denke anders, heute, hier und jetzt, und vielleicht bis zu meinem letzten Atemzug.

Keine Ahnung, wie lange es dauern wird, wie oft ich noch meinen Blick auf das kleine Bäumchen fokussieren und seine Umgebung verändern werde, bis die Wunde in meiner Seele, die durch Menschen aufgerissen wurde, sich wieder geschlossen hat. Ich weiß nur eines: auch in diesem Schmerz liegt die Chance, jenes zu erkennen und zu entfernen, was zuvor eine vollständige Heilung verhindert hat.

Die Dunkelheit wird niemals siegen, solange ein Funke Hoffnung den Weg leuchtet.

EIN LACHENDES UND EIN WEINENDES AUGE

… waren es, die mich gestern begleitet habe – und die (neuerliche) Erkenntnis, dass alles im Leben einen tieferen Sinn hat, der sich oft erst spät offenbart.

Begonnen hat es damit, dass ich mich für ehrenamtliche Einsätze als Hüttenwirtin gemeldet hatte. Gestern fand die „Einschulung“ vor Ort statt. Aufgrund der Bahnverbindungen reiste ich bereits am Vortag an, übernachtete im Tal und spazierte früh morgens gemütlich zum Treffpunkt bei der Talstation der (noch geschlossenen Bergbahn). Gleich daneben befindet sich ein Hotel, dessen Name mir irgendwie bekannt vorkam von dem Moment an, als ich die erste Info erhielt.

Allmählich dämmerte es mir, ich zählte 1 und 1 zusammen … Hotel mit diesem Namen + Talstation = ich hatte hier vor einigen Jahren mit meinem damaligen Partner einen Skiurlaub verbracht… und kaum noch eine Erinnerung daran. Nichts hatte einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Ganz anderes als gestern. Die überwältigende Bergkulisse mit den noch weißen Gipfeln, das Grün im Tal mit den bunten blühenden Tupfern, die vereinzelten Wolken, das zwitschern der Vögel, das Rauschen des Windes, die lebendige Landluft 😉 … oafoch nua schee (einfach nur schön). Ich fand mich im Gefühl der „Umarmung des Lebens“ wieder, erfüllt von Dankbarkeit, Zufriedenheit, Gelassenheit, Geborgenheit, mit mir selbst im Reinen – gestern.

Vor ein paar Jahren konnte ich all das nicht fühlen, nicht die Schönheit der Landschaft um mich herum wahrnehmen. Es zog an mir vorüber. Ich erlebte die Welt wie durch einen emotionsdämpfenden Nebel. Ich war da – und auch nicht. Ständig darauf fokussiert, das zu tun, was ich dachte, das andere von mir erwarteten. Keinen Fehler zu machen. „Normal“ zu sein. Perfekt zu Funktionieren. Das Erleben des Augenblicks musste dem Kontrollwahnsinn weichen. Nur kein falsches Wort, keine zeitverzögerte Antwort, keine unpassende Handlung. Meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche? Unwichtig! Erwartungshaltungen erfüllen war wichtiger. Mein Denken war ständig auf 120% unterwegs, für Fühlen blieb keine Zeit.

Gestern stand ich am Fuß jenes Berges, auf dem ich im Sommer einige Zeit als Hüttenwirtin dabei helfen werden, ein cooles, auf Eigenverantwortung und Gemeinschaftssinn basierendes Konzept der Bewirtschaftung umzusetzen – und ich fühlte, dass es gut werden wird. Spürte die positive Stimmung zwischen den Menschen, die an diesem Tag zum ersten Mal aufeinandertrafen und sich auf Anhieb in den Dienst der Sache stellten. Kein Ego, das in den Vordergrund drängte, stattdessen die Bereitschaft, gemeinsam zu tun. Einer der viel zu seltenen Momente, in denen Menschen einfach Menschen sind, ohne mehr sein zu wollen.

Mein weinendes Auge blickte zurück in die Vergangenheit auf all das, was ich nicht zuließ zu fühlen. Mein lachendes Auge blickte in die Runde und freute sich auf das Kommende.

Die eigenen Gefühle „auf Mute zu schalten“ um rein aus dem Kopf heraus zu leben, Empfindungen zu konstruieren und sich einzureden, etwas zu fühlen, das war mein „Kerker“, dem ich erst vor wenigen Jahren entronnen bin. Echte Gefühle empfand ich nur, wenn ich allein war. Schutz vor Verletzung? Ja, aber gleichzeitig mit meiner „Unangreifbarkeit“ wurde ich auch „nicht mehr greifbar“ für andere. Unverständlich. Anders. Suspekt. Dies war meine selbstgewählte emotionale Isolation. Was auf den ersten Blick gar nicht so schlimm anmuten mag (emotionale Unberührbarkeit), bedenkt man die Rücksichtslosigkeit, mit der man heutzutage leider allzu oft konfrontiert wird, ist in Wahrheit ein Gefängnis, dem zu viele nur auf eine, finale Weise entrinnen können.

Da ist es wieder, das traurige Auge, das sich wünscht, meine Worte würden all jene erreichen, die sich vor der Welt in den „sicheren“ emotionalen Kerker flüchten und könnten ihnen vermitteln, das es einen Ausweg gibt, der zurück in die Umarmung des Lebens führt und sie eben jenes auf eine Weise spüren lässt, von der sie möglicherweise geträumt haben, aber sie nicht für umsetzbar hielten… und dann rückt mein lachendes Auge in den Vordergrund, das voller Hoffnung nach vorne blickt und sieht, das DU in diesem Augenblick diese Zeilen liest, meine Worte ihren Weg zu DIR gefunden haben. Und wer weiß, vielleicht öffnen sie für DICH eine Tür zurück in die Umarmung des Lebens. Das wünsche ich DIR von ganzem Herzen.

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SCHNELL (AUS)GETRÄUMT

Manchmal kann ich nur den Kopf schütteln bei dem, was mir so im Netz begegnet. Von „mach das und du bist morgen 3 Kilo leichter“ über „10.000 Top-Kunden im Handumdrehen“ bis hin zu „lass das Universum für dich arbeiten“ … jede Menge Versprechen.

Ein Traum?

Zugegeben, in der Vergangenheit bin ich selbst einigen dieser Pfade gefolgt, habe groß geträumt, und bin verkatert aufgewacht.

Über Nacht, im Handumdrehen oder das Universum für mich arbeiten lassen, hat mich nicht dorthin gebracht, wo ich heute bin. Frei und selbstbestimmt, mit einigen wenigen Altlasten in meinem Rucksack, die kaum noch spürbar sind.

Auch ich träumte einst davon, mich von all den Steinen in meinem Rucksack, möglichst rasch zu befreien. Ein Wundermittel, ein Zauberspruch, ein machtvolles Wesen … verlockende Träume, die ich einen nach dem anderen aufgab.

Ausgeträumt.

Mit mir selbst ins Reine zu kommen, traumatischer Erlebnisse und die daraus resultierenden Blockaden auflösen, innere Konflikte und Zerrissenheit in Harmonie zu verwandeln, im Gleichgewicht verweilen trotz der Stürme des Lebens, oder einfach nur Gewohnheiten wie mehr Sport, weniger Naschen etc. verändern … das erfordert konsequente Arbeit an sich selbst. Arbeit, die einem niemand abnehmen kann, weder ein anderer Mensch noch ein magisches Wundermittel. In meinem Fall waren es über 3 Jahrzehnte Arbeit um die zu werden, die ich heute bin.  

Wie schon Meister Yoda uns lehrte: „Die Dunkelheit ist nicht stärker, sie ist schneller, verlockender“. Der Weg des Lichtes, der Bewusstheit, gleicht einem Ultra-Marathon ohne Ziellinie. Der Weg ist das Ziel. Abkürzungen führen häufig in dunkle Sackgassen, aus denen man nur mühsam wieder rausfindet.

Ja, wenn man mitten in der Scheiße steckt, möchte man am liebsten schnell raus, und alles hinter sich lassen. Eine gewisse Anfälligkeit für verlockende Träume ist da nur allzu menschlich, aber so einfach läuft es nun mal nicht. Nachhaltige Veränderungen geschieht nicht über Nacht und auch nicht von selbst. Aber wer nimmt sich heute noch Zeit?

Wenn ich mich umsehe, ist vieles sehr schnelllebig geworden. Pläne für 1 Jahr? Oder 5 Jahre?

Als ich mich 2017 auf die Reise zu mir selbst machte, spürte ich intuitiv, dass ich mindestens 3 Jahre dafür brauchen werde. Als meine Beziehung nach 24 Jahren in die Brüche ging, war klar, dass ich mindestens 24 Monate zum Verarbeiten rechnen darf. Natürlich wäre es toll gewesen, beides schneller zu durchleben, aber auch unrealistisch. Eine Träumerei, die nicht in der realen Welt bestehen kann.

Unordnung in einem aufgeräumten Haus zu schaffen, geht ziemlich schnell, aber die Ordnung wieder herzustellen dauert seine Zeit. Wenige Augenblicke genügen, um einen Menschen zu traumatisieren. Es braucht mitunter Jahrzehnte, um diese Erschütterung des seelischen Gleichgewichts zu überwinden.

Heilung braucht Zeit.

Vertrauen ins Leben und sich selbst aufzubauen, braucht Zeit.

Die (zutiefst menschlichen) Bedürfnisse nach Ausgleich, Rache, Vergeltung und dergleichen hinter sich zu lassen, braucht Zeit.

Die eigenen Schwächen und Fehlbarkeiten mit Humor und einem liebevollen Lächeln annehmen zu können, braucht Zeit.

Das Ego zu zähmen und sich selbst nicht mehr so wichtig zu nehmen, braucht Zeit.

Sich der Vergangenheit bewusst zu sein, daraus zu lernen, nach vorne zu blicken und aus dem Kommenden das Bestmögliche zu machen, braucht Zeit.

Wir werden als Menschen geboren, doch zu begreifen, was das wirklich bedeutet, braucht Zeit.

Wenn mir heute jemand verspricht, dass etwas „ganz schnell“ geht, werde ich skeptisch. Vor allem in Bezug auf Selbstfindung, Auflösungsarbeit, Therapie etc.

Zeit (die es genau genommen nur in unserem Bewusstsein existiert – im Gegensatz zu den vier Grundkräften der Physik) ist es, die Erdbeeren und Wein reifen lässt – und den Menschen, wenn dieser es zulässt und seinem (nur allzu menschlichen Wunsch) nach schnellen, einfachen, oberflächlichen Lösungen widersteht, sich stattdessen darauf einlässt, dass die Dinge ihre Zeit brauchen um letztendlich gut (im Sinne von heil) zu werden.

Lebe, und sei dir bewusst, dass du lebst.

Träume, und sei dir bewusst, dass du träumst.

Lerne zu unterscheiden zwischen Traum und Wirklichkeit.

Lass die Zeit dein Verbündeter sein.

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SPÜREN – NEXT LEVEL

Was an diesem sonnigen Sonntag mit frühlingshaften Temperaturen „nur“ ein Testlauf für meine neuen Sockenschuhe hätte werden sollen, wurde so viel mehr … Aber ich nehme das Ende vorweg. Beginnen wir damit, dass ich aufbrach, eine für mich neue Erfahrung zu machen.

Damit ist jetzt nicht barfuß laufen per se gemeint, das tue ich in Räumen die meiste Zeit. Als Kind lief ich auch barfuß durch Wiese, trat dabei versehentlich auf so manches Insekt und bekam diverse Stachel und Beißwerkzeuge zu spüren. Was ich zuvor nie getan habe, mich barfuß auf einem Waldweg zu bewegen. All die Steinchen, Wurzeln, Nadeln … die Vorstellung in meinem Kopf war eine schmerzvolle. Im Gegensatz dazu hatte ich keine Vorstellung, was mich erwarten würde, als ich heute die Sockenschuhe überstreifte. Meine ersten Schritte waren …

… überraschend angenehm. Ja, ich spürte zwar die Steine, aber es tat nicht weh. Von Schritt zu Schritt fühlte es sich besser an. Oder anderes gesagt: Natürlicher – als würde ich niemals Schuhe getragen haben. Wobei, ganz stimmt das auch nicht. Was ich schon spürte, waren die Verspannungen, Verkürzungen, Verklebungen und Fehlhaltungen, die sich in der Vergangenheit aufgebaut hatte.

Dennoch, es fühlte sich einfach großartig an, den Untergrund zu spüren, wie er nun mal beschaffen war/ist. Mir wurde bewusst, wie viel ich in den vergangenen Jahren verloren habe, von der „artgerechten Bewegung“ des menschlichen Fußgewölbes – und was ich mir wieder zurückholen will.

Ein Beispiel: wenn ich mit Schuhen unterwegs bin, versuche ich möglichst auf flache Stellen zu treten. Ein aus dem Boden ragender Stein würde zwar nicht schmerzen, aber durch die feste Sohle kippt der Knöchel meistens seitlich weg, was (nach einer Menge Verletzungen während meiner über 40 aktiven Jahre im Basketballsport) unangenehme bis unsichere Gefühle bei mir auslöst. Vermutlich deshalb habe ich heute auch zuerst gezögert, auf solche Steine draufzusteigen, aber dann bemerkt, dass ohne die feste Sohle sich mein Fußgewölbe flexibel um den Stein legt und mein Knöchel stabil bleibt.

Was für ein Aha-Erlebnis!

Im nächsten Moment war da die Gewissheit in mir, dass ich vom Leben die optimale Ausrüstung bekommen habe, um mich flexibel an den jeweiligen Untergrund (oder die Umstände) meines Weges anzupassen. Alles, was es dafür brauchte, war darauf zu vertrauen. Ein Extra-Schutz (feste Schuhsohlen) war nicht nötig. Das menschliche Fußgewölbe ist architektonisch betrachtet eine Meisterleistung der Natur – ebenso wie die geistige Fähigkeit des Menschen, sich selbst zu reflektieren und aus der Selbstbetrachtung zu lernen.

Barfuß durch den Wald laufend fühlte ich mich heute stabiler unterwegs als je zuvor – und ich kenne die Strecke in- und auswendig, bin unzählige Male darauf unterwegs gewesen. Aber heute fühlte ich mich als Teil davon. Worte sind zu sperrig, meine Empfindungen zum Ausdruck zu bringen. Oder sie verleiten zu esoterischen Interpretationen. Ich habe mich öfters gefragt, wie Naturvölker ständig barfuß laufen können. Seit heute kenne ich die Antwort: einfach so. Unsere Füße wurden dafür konstruiert. Schuhe sind eine (durchaus sinnvolle) menschliche Erfindung, aber eben auch eine künstliche Grenze.

10.000 Schritte war ich heute in Sockenschuhen unterwegs auf meiner Haus- und Hofstrecke, dabei deutlich langsamer als üblich, aber es gab so viel zum Wahrnehmen, zum Spüren. Außerdem wurden Muskel beansprucht, die sonst eher ungenutzt bleiben. Meine Fußreflexzonen wurden reichlich massiert und stimuliert. Am Ende der Runde war ich müde, doch tiefenentspannt und emotional erholt wie schon lange nicht mehr.

Die Reise zu mir selbst – auch Selbstfindung genannt – hat für mich verschiedene Facetten. Emotionale, geistige und körperliche. Ich erinnere mich an die Zeit, als sich mein Körper wie ein fremdes Objekt anfühlte. Wie eine leere Hülle. Mich wieder als Mensch zu fühlen – in meinem Körper bzw. meinen Körper, so wie er von der Natur geplant wurde. Nicht mit Hightech-Laufschuhen, sondern mit einem genialen Fußgewölbe, das es richtiggehend genossen hat, auf Steinchen, Bockerl und Zweige zu steigen, um aus der gewohnten, starren Haltung auszubrechen und sich geschmeidig anzupassen.

Im Alltag werde ich weiterhin Schuhe tragen, denn im urbanen Bereich ist eine artgerechte Bewegung meiner Füße mit all dem Beton & Co rundum de facto unmöglich. Auch im alpinen Gelände bevorzuge ich den Schutz meiner Bergschuhe, um mir nicht die Füße an scharfen Felskanten zu zerschneiden, ABER Wald und Wiese werden mich künftig regelmäßig in Sockenschuhen antreffen, denn der „next level“ darf gerne Standard werden.

HEILE DICH SELBST

… dieser Satz ist mir vor ein paar Tagen begegnet. Ein nicht ganz neues Thema, zu dem so einiges Material gibt. Ein Thema, dem ich zustimme. Nach meiner Erfahrung und Überzeugung besitzt der Mensch ein enormes Selbstheilungspotenzial.

Heile dich selbst

… ist also grundsätzlich möglich. ABER wie es nun mal ist im Leben, diese Medaille hat eine zweite Seite, die ebenfalls ein zutiefst menschliches Potenzial darstellt, und sie lautet:

Zerstöre dich selbst

Ob nun wortwörtlich genommen, oder als Headline über jeder Art von ruinösen Verhalten und Denken – im Alltag begegnet mir diese Kehrseite der Medaille deutlich häufiger als ihre Vorderseite.

Was Menschen nicht alles tun, um sich in einem Zustand des Leids zu halten. Die Vielfalt scheint schier unerschöpflich. Sich selbst im Weg stehen ist da noch eines der kleineren Dramen. Andere instrumentalisieren damit sie ihre Rolle in einem toxischen Beziehungsspiel erfüllen, verdreht vordergründig die Täter-Opfer-Dynamik. Manchmal frage ich mich, ob manche Menschen zum Reden aufhören würden, wenn sie wüssten, welche Auswirkungen die Negativität ihrer Worte hat auf sie selbst hat. Ich fürchte, die Antwort lautet Nein.

All das müsste nicht sein, denn wie gesagt, ich bin davon überzeugt und habe es selbst erlebt: heile dich selbst funktioniert. Es gibt nur ein paar klitzekleine Stolpersteine, derer man sich bewusst sein sollte. Einen davon nenne ich „Hybris des Egos“. Wer glaubt, es allein hinzubekommen, vielleicht noch mit ein paar Büchern, lässt außer Acht, dass alle Menschen über einen blinden Fleck verfügen -und genau dahinter verstecken sich oft die spannendsten Lernaufgaben. Mitunter schiebt das Ego den blinden Fleck absichtlich vor eine unangenehme Lernaufgabe.

Wie man es auch dreht und wendet, niemand von uns kann sehen, was sich hinter uns befindet – egal wie gut das periphere Sehen ausgeprägt ist, einen 360 Grad Rundumblick schafft kein Mensch. Auch nicht beim Blick nach innen. Indem man sich auf etwas fokussiert, rückt anderes an den Rand der Wahrnehmung oder ins Off. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Fokus auf positives oder negatives ausgerichtet ist, wir nehmen stets nur einen Teil wahr. Deshalb ist es sinnvoll, auch beim „heile dich selbst“-Ansatz andere Blickwinkel einzubeziehen: Therapie, Coaching, Gespräche mit Freunden …

In jedem von uns finden sich die Lösungen für unsere persönlichen Probleme – davon bin ich absolut überzeugt.

Niemand kann einem anderen die Reise zu sich selbst, die Arbeit der Auflösung der eigenen Probleme abnehmen – auch davon bin ich überzeugt.

Aber der Austausch mit anderen Reisenden kann enorm bereichernd, erhellend und heilungsfördernd sein. Ebenso wie die unzähligen Spiegel, die das Leben uns ständig vor die Nase hält. Was rundum geschieht, lässt erkenntnisreiche Rückschlüsse auf das zu, was in uns los ist. Aber auch hier mogelt sich der blinde Fleck gerne dazwischen. Wir sehen nur, was wir sehen wollen – das ist wissenschaftlich erwiesen. Ausblenden funktioniert hervorragend, sabotiert jedoch den Ansatz von „heile dich selbst“.

Mein persönlicher Ansatz für „heile dich selbst“ führt mich häufig in die Natur. Je weiter ich mich vom Lärm der Menschen entferne, desto klarer kann ich meine innere Stimme hören, desto differenzierter wird mein Fühlen, desto mehr fühle ich mich wie ich selbst. Es ist also kein Zufall, dass über diesem Beitrag jenes Bild thront, dass ich während eines sonnigen Waldspaziergangs aufgenommen habe, während ich in Gedanken diese Zeilen durchging, die ich tippe. Dieser kleinen Biene auf dem Löwenzahn zuzusehen, hat mich mit umfassenden inneren Frieden erfüllt, mich die Umarmung des Lebens fühlen lassen, und das hat mit Sicherheit zu meiner Heilung beigetragen, physisch, psychisch und seelisch. Wenige Minuten nur, doch eine große Dosis „heile dich selbst“-Vibes.

DAS EWIGE MANN-FRAU-THEMA EINMAL ANDERS

Der Kampf der Geschlechter, vorprogrammierte Missverständnisse, all das existiert seit ewigen Zeiten in dieser Welt (zumindest hat es den Anschein), doch es existiert auch noch woanders und hat in meinem Leben so einiges verursacht.

Es heißt umgangssprachlich: in jedem Mann steckt eine Frau und umgekehrt in jeder Frau ein Mann. Animus und Anima (wer nachlesen möchte https://de.wikipedia.org/wiki/Animus_und_Anima)

Mein Animus oder die „Personifikation der männlichen Natur in meinem Unbewusstsein“ ist mir ziemlich bewusst. Seit meiner Kindheit kommunizierte ich mit meinen inneren Anteilen. Darunter waren auch männliche. Als ich 2017 am Abgrund meines 3. Burnouts die Kehrtwende einlegte und meinen Fokus nach innen, in mich hinein richtete, offenbarte sich mein inneres Universum aus weiblichen und männlichen Anteilen, allesamt mit vielfältigen Eigenschaften, günstig ebenso wie ungünstig, helle und dunkle … und sie haben ihre eigene Stimme, die ich in mir höre. Eine weibliche ebenso wie eine männliche. Sogar eigene Sprachmuster. Im Schreibprozess befeuern beide meine Kreativität. Doch dabei bleibt es nicht.

Auch im Alltag spüre ich deutlich, wann ich welchen meiner Anteile auslebe. Meine Sprechstimme verändert sich hörbar. Ebenso Körperhaltung und Mimik. Im Spiegel erkenne ich genau, wann ich Jana bin und wann Jan.

Nur um eines klarzustellen: Nein, ich bin weder Transgender, noch bisexuell oder etwas dergleichen.

Hierbei geht es nicht um Gender oder Sexualität, sondern um die Integration von Gegensätzen. Yin und Yang. Das Symbol kennen viele. Für mich bringt es zum Ausdruck, was ich in mir fühle. Eine helle Seite mit einem dunklen Aspekt und eine dunkle Seite mit einem hellen Aspekt. Betrachte ich meine Romanfiguren Jana und Jan, sind beide genau das: je eine Seite mit einem gegenpoligen Aspekt, die gemeinsam ein Ganzes ergeben. In meinem Fall: Mich, eine Frau durch und durch. Aber eben auch eine, die ihren Gegenpol in sich gefunden und integriert hat … und die aufgehört hat, zu suchen. Wozu auch weitersuchen? Ich habe gefunden, was es zu finden galt: mich selbst.

Wir alle tragen in uns eine Menge Gegensätze, Widersprüche, viele von uns stehen mit sich selbst im Konflikt. Genauso wie sie in der Außenwelt mit anderen im Konflikt stehen. Ich frage mich, was geschehen würde, wenn die Menschen beginnen würden, den Gegenpol in sich selbst zu integrieren. Gäbe es weniger Konflikte? Weniger Egos, die das eine oder das andere überzeichnen, nur um nicht die gegenpolige Stimme zu hören? Darf ein Mann eine weibliche Stimme in sich hören, ohne seine Männlichkeit zu verlieren? Darf eine Frau eine männliche Stimme in sich hören, ohne ihre Weiblichkeit einzubüßen? Vielleicht ist es die natürlichste Sache der Welt, seinen Gegenpol zu umarmen und „ganz“ im Sinne von „heil“ zu werden.

Meine innere Zerrissenheit endete in dem Augenblick, in dem ich meinen Gegenpol integrierte.

Eins zu sein … früher verband ich mit diesem Begriff die Vorstellung, eins mit allem um mich zu werden. Doch um eins mit dem Universum zu werden, ist es vorteilhaft, zuerst eins mit sich selbst zu werden.

Oder anders gesagt: das ewige Frau-Mann-Gegenpol-Thema in sich selbst zu lösen und den Gegenpol anzunehmen.

Wie das machbar ist, darf wohl jeder für sich selbst herausfinden. In meinem Fall war und ist es eine [nicht] ganz alltägliche Liebesgeschichte, die ich übrigens am 10. März (teilweise) live vorlesen werden. Wer also Interesse hat, die feinen Unterschiede in meiner Stimme selbst zu erleben, wenn  ich selbige Jana und Jan leihe, ist herzlich dazu eingeladen. Infos dazu demnächst auf meiner Facebook-Seite.

Gibt es ein spannenderes Abenteuer als die Reise zu sich selbst? Für mich verbirgt sich in jedem Menschen ein Universum, das es zu entdecken gilt. Was kann da mithalten?

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FRAGEN ÜBER FRAGEN

Zu Beginn dieser Woche folgte eine unerfreuliche Nachricht der anderen. Ohne ins Detail gehen zu wollen, es kam von allen Seiten: Familie, Job, Behörden … irgendwie schienen sich alle hinter meinem Rücken verschworen zu haben, mir den Nerv zu ziehen.

Dreimal tief durchatmen und weitermachen.

Mittlerweile hat sich das Bild gewandelt. Lösungen entstehen und ich atme – diesmal gelassener – durch. Nebenbei frage ich mich:

Fügt sich alles zum Guten, weil ich tief in meinem Innersten davon überzeugt bin, dass das Leben stets einen guten Weg findet?

Oder habe ich diese Überzeugung aus Erfahrung gewonnen, weil sich bislang stets eine gute Lösung fand?

Oder sind gute Lösungen (ebenso wie ihr Gegenteil) stets Teil der Realität und es liegt an mir, sie zu wählen?

Oder ist vielleicht alles ganz anders?

Welch wunderbare Gelegenheit, um Fragen zu stellen, auf die es keine Antworten gibt… zum Glück keine Antworten gibt. Ich will es auch gar nicht wissen. Ich MUSS es NICHT wissen. Es ist unglaublich befreiend, nicht wissen zu müssen, warum sich alles so gefügt hat, wie es das tut.

Henne oder Ei?

Erschaffe ich die Realität oder bin ich Produkt?

Für beide Standpunkte gibt es Theorien, doch wie es tatsächlich ist, werden wir nie wissen. Diese Unwissenheit lässt Raum für die Suche, für Gedankenspiele, für Entwicklung. Raum für etwas, das sich dem menschlichen Verstand entzieht und das man nur fühlend erfassen kann. Raum für die nicht zu erklärende Überzeugung, dass es gut ausgehen wird.

Optimismus?

Ist es nicht die Natur jedes lebenden Wesens, optimistisch zu sein? Die kleinste Chance zu nutzen, um zu wachsen und aufzublühen? Sich über alle Schwierigkeiten, Zweifel und Ängste hinwegzusetzen und dem Licht entgegenzustreben?

Sind wir nicht alle geborene Optimisten? Was lässt uns von diesem Weg abkommen? Und wie finden wir wieder zurück?

Fragen, auf die es keine Antworten gibt, doch darüber nachzudenken, öffnet mitunter neue Horizonte. Ich wünsche eine spannende Gedankenreise 😉

Bild: pixabay.com

LEIDER NICHT IMMUN …

… dagegen, getriggert zu werden – auch wenn ich es mir hin und wieder sehnlichst wünsche. Vor allem, wenn es mich – wie zuletzt – zwei Tage emotional völlig durch den Wind schießt.

Meine Mutter ist, wie sie ist. Und so war sie, seit ich sie kenne. Eigentlich sollte es mich längst nicht mehr so berühren, wie es das immer noch tut. Ich fühlte mich von ihr nie angenommen oder gar wertgeschätzt. Meine Bedürfnisse zählten nicht für sie. Stattdessen gab und gibt es Erwartungen an mich.

Es macht einen Teil von mir ungeheuer wütend.

Hinter dieser Wut steckt eine Menge Frustration, Resignation und Hilflosigkeit. Am liebsten würde ich mich umdrehen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden.

Das kann ich aber nicht.

Angesichts ihrer derzeitigen geistigen Verfassung ist es eine durchaus realistische Option, dass meine Mutter in absehbarer Zeit ihr Leben nicht mehr im Griff haben wird. Jemand wird sich um ihre Angelegenheiten kümmern müssen.

Ein Dilemma tut sich auf.

Das kleine Kind in mir, dass sich seit mehr als einem halben Jahrhundert nach einem Hauch von Anerkennung oder gar Liebe sehnt, schüttelt wütend den Kopf.

Die Erwachsene, die all das längst in ungezählten Therapiestunden analysiert und integriert hat, rational verstehend, versucht zu beruhigen.

Wie einfach wäre es, dass kleine Kind zur Seite zu schieben, das Gefühl zu unterdrücken und den Verstand dominieren zu lassen. So einfach mache ich es mir nicht. Jedes Gefühl hat seine Berechtigung. Mein inneres Kind ist nicht grundlos wütend. Diese Wut verschwindet nicht durch rhetorische Kunstgriffe der Rechtfertigung oder des Schönredens. Auch nicht nur den (aus meiner systemischen Sicht bedenklichen) Akt des Vergebens. Diese Wut darf sein – und ich will sie meinem inneren Kind keinesfalls nehmen.

Ganz im Gegenteil. Ich will ihm etwas geben. Dass, was in der Vergangenheit gefehlt hat: Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Anerkennung, Liebe. Vielleicht wird es einige Zeit dauern, doch ich bin überzeugt, mein inneres Kind wird seine Wut selbst auflösen. Ich kenne mein inneres Kind und mich selbst. Wut ist bei uns nur situationsbezogen, wie aktuell durch den Trigger. Daher wird diese Wut auch wieder verschwinden. Sie zu unterdrücken, um das schneller hinzubekommen, wäre kontraproduktiv.

Druck erzeugt Gegendruck.

Das Unterdrücken von unerwünschten Gefühlen hat in meiner Vergangenheit zu emotionalen (Vulkan) Ausbrüchen geführt.

Mein Wunsch nach Anerkennung im Außen (durch meine Mutter) wird vielleicht niemals erfüllt, doch ich kann mir (meinem inneren Kind) selbst Anerkennung geben und bei ihm bleiben, wenn es wütend alle von sich stößt und davonlaufen will, weil es einfach nur weh tut…

… so wie vor wenigen Tagen, als meine Mutter wieder einmal das getan hat, was sie schon so oft getan hat. Vermutlich war es nicht das letzte Mal, von ihr getriggert worden zu sein. Wird es irgendwann nicht mehr weh tun? Es wäre schön, aber ich zweifle dran. Vielleicht werde ich irgendwann immun, oder gelassen genug 😉 hoffentlich niemals abgestumpft. Bis es soweit ist, hilft eine Tasse Tee mit viel Liebe um die flatternden Emotionen wieder zu beruhigen.

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1 zu 10

In der vergangenen Woche ist ein Thema mehrfach in meinem Leben aufgetaucht. Unterschiedliche Situationen, aber ein gemeinsamer Kern, den ich als „Erfahrungskonto“ bezeichne. Vereinfacht gesagt, sammeln sich auf diesem Erfahrungskonto Erlebnisse der Kategorien „schmerzvoll“ ebenso wie „liebevoll“ an. Diese Erfahrungen prägen das innere Bild eines Menschen, seine Haltung, Einstellungen, Glaubenssätze, … einfach alles, bis hin zur Gesundheit.

Meine weise Nachbarin Lucy sagte einst zu mir:

„Um den Impact einer negativen Erfahrung in dir auszugleichen, brauchst du 10 positive Erfahrungen.“

Daraus habe ich für mich abgeleitet:

Für jeden schmerzvollen Moment in meinem Leben braucht es 10 liebevolle, um die Wunden zu heilen, zu lernen, zu wachsen, neu Vertrauen zu fassen und zurück in eine positive Grundhaltung zu finden … zurück in die Umarmung des Lebens.

Eigentlich eine ziemlich einfache Sache: steigere die Anzahl der liebevollen Momente in deinem Leben und mit der Zeit wird das Schmerzvolle quantitativ abnehmen, irgendwann nur noch eine Randerscheinung sein.

Eigentlich aber auch eine ziemlich herausfordernde Angelegenheit: zu erkennen und zu akzeptieren, dass liebevolle Momente (und Gedanken) zur Selbstheilung (von Körper, Geist und Seele) beitragen können, ist nur der erste Schritt. An der Umsetzung – vor allem der emotionalen – hängt der Erfolg. Liebevolles Denken und Fühlen zur alltäglichen Routine werden zu lassen, um gelebte Momente auf seinem Erfahrungskonto zu verbuchen.

Viele Jahre steckte ich in der Verstandesschiene fest. Positive Gedanken zu formulieren war einfach, doch die Gefühle dahinter waren häufig Unsicherheit, Furcht, Zweifel. Irgendwann lernte ich, positive Gedanken so intensiv zu rezitieren, dass sie in die emotionale Ebene hinein zu wirken begannen, aber es war immer noch kopfgesteuert. Erst vor einigen Jahren begann ich, zuerst das Gefühl zuzulassen, aus dem sich danach Gedanken formten. Alle meine Geschichten und Gedichte entstehen auf diese Weise.

Es beginnt stets im Gefühl.

Negativen Ereignissen oder Worten auszuweichen ist im Alltag nahezu unmöglich. Doch ich kann die Wirkung, die sie auf mich haben, minimieren, indem ich sie einerseits relativiere, und andererseits für reichlich Gegengewicht in Form liebevoller Gedanken und Gefühle sorge.

Liebevolle Gefühle und Gedanken wirken auf mich und über mich hinaus auf andere Menschen, mein Umfeld.

Selbstheilung ist für mich ein aktiver, lebenslanger Prozess nach der Formel „1 zu 10“. Um den Zustand des Seelenfriedens inmitten einer Welt voller Konflikte und Disharmonien zu erhalten, braucht es mein Zutun. Lasse ich mich treiben, wird mich der Strudel des Mainstreams verschlingen und in seinen emotionalen Untiefen aus Zweifel, Mangeldenken, Ausgeliefertsein den Umständen … ziehen. Will ich mir meine Insel der Lebensfreude, Zuversicht und Gelassenheit bewahren, so schwimmt diese auf liebevollen Gedanken und Gefühlen.

Die Realität rundum ist, wie sie ist. Selten durch mich zu verändern. Doch es gibt in meinem Leben Menschen, an die ich jederzeit einen aus einem liebevollen Gefühl geborenen Gedanken richten kann. Je öfter ich dies tue, desto mehr heile ich mich selbst.

Wer selbstlos gibt, lässt los – ersetzt das Schmerzvolle durch das Liebevolle.

Ein aus einem liebevollen Gefühl geborener Gedanke ist wie ein Sonnenstrahl, der nach einer dunklen Nacht die Nebel der Ungewissheit vertriebt und dem Leben neue Farben und Zuversicht schenkt.

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