NOCH MEHR UND NOCH BESSER …

Etwas finde ich total spannend: Ich bekomme regelmäßig Empfehlungen und Ratschläge von Menschen, was ich noch alles tun könne, damit es mir noch besser geht.

Hm, ich denke, diese Menschen haben nicht verstanden, worum es mir geht. Deshalb heute ein kleiner Exkurs zum Thema „noch mehr und noch besser“.

Also, mein Leben ist so wie es ist für mich in Ordnung. Ich stimme allem, was ist, voll und ganz zu – auch mir selbst, bin mit mir selbst im Reinen, verspüre weder einen Mangel noch Konflikt in mir. Ganz im Gegenteil, ich bin voller Dankbarkeit für den Überfluss, in dem ich leben darf, denn genau genommen bräuchte ich viel weniger, aber das Leben verwöhnt mich mit einigen besonderen Goodies, unter anderem auch jenen, die man nicht für Geld kaufen kann: Liebe, Freundschaft, Gesundheit … die wirklichen wichtigen Dinge also.

Nun frage ich mich, was geht da noch mehr? Kann mein Leben „noch mehr in Ordnung“ sein als „nur in Ordnung“?

Mehr Geld klingt interessant, aber was würde ich damit tun? Dinge kaufen, die ich nicht brauche, um damit Menschen zu beeindrucken, die ich nicht mag?  Den Spruch habe ich vor langer Zeit gehört und im Gedächtnis behalten. In ihm liegt so viel Wahrheit.

Vermutlich könnte ich mich selbst noch ein wenig mehr lieben, aber ehrlich – wer taxiert schon Liebe?

Und vor allem: für dieses „noch mehr“ wäre ja auch etwas zu tun. Es kommt nicht von allein. Also wieder zurück auf die Straße der Suchenden? Um was dort zu finden? Das, was ich schon habe, was aber offenbar nicht ausreicht, weil ich ja nach mehr davon strebe?

Für mich klingt das dann doch nach „zurück ins Hamsterrad“ in dem (Mangel)Bewusstsein, dass noch etwas fehlt.

Das tut es aber nicht.

Mir fehlt nichts.

Positiv formuliert: Ich habe alles, was für mich wichtig ist.

Puh, ich bin schon ein zäher Brocken für rastlos Missionierende der Liga „Es geht immer noch mehr“.

Natürlich könnte man argumentieren, ich sei lernunwillig oder überheblich in der Annahme, ich wisse bereits alles. Weit gefehlt. Ich weiß, das unzählige Weisheiten sich mir noch nicht erschlossen haben und es vermutlich niemals tun werden. Aber ist es denn zwingend notwendig, alles zu wissen, nur um mit sich selbst und seinem Leben zufrieden zu sein. Mehr noch – glücklich zu sein?

Meine offenen Fragen sind beantwortet. Meine Rätsel gelöst. Mein Leben ein Geschenk und ich für jeden einzelnen Augenblick davon dankbar, für jene, die hinter mir legen ebenso wie für jene, die noch kommen werden.

Wozu also weitersuchen? Um es noch besser zu machen? Ein Kreis ist rund. Er kann nicht runder werden als er schon ist.

Viele Jahre suchte ich nach mehr und noch mehr, nach Antworten, Weisheiten, Lösungen … ich suche nicht mehr. Ich bin angekommen. Das habe ich erst bemerkt, als mir bewusst wurde, dass ich aufgehört hatte, zu suchen. Es gab nicht „die eine Erkenntnis“, die mein Leben in die Balance brachte, nicht das ultimative Ereignis. Vielmehr geschah es einfach so. Tricky. Aber offenbar verrät die andauernde Suche und das Streben nach mehr und immer mehr, dass noch etwas fehlt. Aber wie erkläre ich das jenen, die um der Suche Willen suchen? Warum sollte ich es überhaupt erklären? Vielleicht liege ich ja völlig falsch und endloses Suchen ist der Sinn des Lebens?

Milliarden von Menschen und Milliarden von Lebenskonzepten, jedes davon wie eine schillernde bunte Murmel, einzigartig inmitten der Unzähligen. Mein Konzept ist eines davon. Welches letztendlich das richtige ist, werden wir möglicherweise irgendwann in ferner Zukunft herausfinden. Aber bis es soweit ist, begnüge ich mich damit, mein Leben zu genießen; und voller Wissbegierde zu ergründen, wie andere das ihre gestalten … nicht weil ich etwas suche, sondern aus Freude am Entdecken der Vielfalt.

#FeelTheEmbraceOfLife #Borderline #BorderlineSolved #LesleyBStrong #Lebenskonzept #Lebensphilosophie #LebenmitBorderline

Bild: pixabay.com … herzlichen Dank 😊

Mein aktueller Status

In den letzten Wochen hat sich enorm viel getan. Zeit, für eine Bestandsaufnahme. Zeit, einer Wahrheit ins Auge zu blicken, die vor wenigen Jahren noch undenkbar war und für mich selbst meinen aktuellen Status zu definieren.

Ich bin mit mir selbst und der Welt im Reinen.

Keinerlei Vorwürfe anderen Menschen gegenüber.

Keine Ablehnung der Realität.

Keine Stimmungsschwankungen oder gar Depressionen. Kein Schwarz-weiß-Denken. Keine Selbstentwertung oder Selbstverletzung … ich könnte die Reihe der Borderline-Symptome hier fortsetzen, doch das Ergebnis bliebe dasselbe.

Meine Lebenssituation hat sich weitgehend verändert. Nach 24 Jahren die Trennung von dem Mann an meiner Seite. Der Umzug. Man könnte annehmen, in dieser Situation wären Trauer, Wut, Schmerz oder ähnliches angebracht. Fehlanzeige. Ich stehe zu meiner Entscheidung. Die Liebe ist noch da, doch für eine funktionierende Beziehung braucht es immer zwei, die sich einig sind über die Art und Weise ihrer Partnerschaft. Das war nicht mehr gegeben.

Ich entdecke die Welt neu für mich. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich nur für mich selbst verantwortlich. Kein Partner oder Kind zu versorgen. Ich kann mich uneingeschränkt in mich selbst einfühlen, ohne die Erwartungshaltungen anderer zu erfüllen (was ich unbewusst ständig gemacht hatte) oder mich von deren Stimmungen anstecken zu lassen (auch das war eines meiner Abgrenzungsdefizite). Frei von „Störfunk“ nehme ich mich voll und ganz wahr, festige dieses Bewusstsein und werde damit auch für die Zukunft resilienter.

Und so kommt es, dass ich an einem Samstagmorgen um kurz nach 8 Uhr auf dem Fahrrad sitzend durch die noch angenehm frische Morgenluft radle, einer verträumten Melodie in meinem Kopf lausche, die aus mir selbst heraus entsteht. Ich „schwinge“ in der Frequenz meiner bevorzugten Songs, blicke mit einem Lächeln auf diese Welt und mir geht’s einfach nur gut.

Welche Worte können das angemessen beschreiben? Schwierig, weil es eine sehr subjektive Erfahrung ist. Meine liebste Formulierung: Geborgen in der Umarmung des Lebens. Tief in mir verwurzelt fühle ich Ruhe, Gelassenheit, Geborgenheit, Liebe, Lebensfreude, Glück und DANKBARKEIT – einfach nur im Hier und Jetzt sein zu dürfen. Dankbarkeit für mein Leben und jede einzelne Erfahrung, die ich machen durfte – ganz gleich, welche es war. Nicht alle waren erfreulich oder freiwillig gewählt, aber in Summe haben mich alle an diesen Punkt in meinem Leben gebracht.

Hochemotional und hypersensitiv bin ich nach wie vor. Intensive Gefühle sind an der Tagesordnung. Sie lassen meine Welt in den schönsten Farben erstrahlen. Ich liebe es, zu fühlen. Meine Gefühle entstehen aus mir selbst heraus und wie ich auf diese Welt, die Ereignisse und die Menschen blicke. Ganz selten nur noch löst ein anderer direkt und für kurze Zeit unerwünschte Emotionen in mir aus. Ich habe voll und ganz die Verantwortung für mich selbst und mein Erleben dieser Welt übernommen. Anders gesagt: Ich gestehe niemanden mehr die Macht und das Recht zu, über mein Erleben dieser Welt zu bestimmen. Ich bin berührbar, verwundbar, aber ich entscheide, ob und wann ich mich durch jemand oder etwas verletzt fühlen will. Ich bin stark. Und ich bin frei.

Drama-Dynamik erkenne ich im Alltag auf Schritt und Tritt, doch ich persönlich habe mich weitgehend aus den Verstrickungen herausgenommen. Die Opferrolle liegt hinter mir. Heute gestalte ich mein Leben nach meinen Vorstellungen.

Achtsamkeit und Selbstsorge sind integrierter Bestandteil meines Alltags.

Es fällt mir tatsächlich schwer, noch Borderline-Verhaltensmuster in mir zu finden. Erinnerungen gibt es zuhauf. Heute betrachte ich sie wie einen leicht verblichenen Film. Ja, das war ich einmal, es ist vertraut und zugleich fremd, weil ich das heute nicht mehr bin.

Es heißt, Menschen können sich nicht ändern. Ich denke auch nicht, dass ich mich geändert habe, sondern das ich zurückgefunden habe zu dem, was ich war, bevor die Ereignisse des Lebens mich jemand werden ließen, der ich nie sein wollte oder sollte.

Ich bin ich. Ein feuriger Funken Lebensfreude mit dem Potenzial, alles sein zu können, was ich sein will. Weitgehend frei im Denken. Grenzenlos im Fühlen. Bedingungslos im Lieben.

Ich fühle die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut, schließe meine Augen, lausche der Melodie in mir, lasse mir den Wind um die Nase wehen – und wenn ich in die Welt hinausblinzle, sage ich: JA 😊

Ende der Bestandsaufnahme.

Wie bezeichne ich nun meinen erreichten Status? Post-Borderline? Borderline solved? Oder einfach … LEBENDIG

#FeelTheEmbraceOfLife #BorderlineSolved #AliveAgain

Alles im Leben ist ein Spiegel

Vor einigen Tagen fragte ich mich, was es bringt, noch länger in Selbsthilfegruppen aktiv zu sein. Ich bezeichne mich mittlerweile als „post-borderline“, da ich keinerlei Symptome, Beschwerde oder sonstiges habe. Anders gesagt: ich bin mit mir selbst und der Welt im Reinen. Mir geht’s gut.

Zudem stelle ich immer häufiger fest, dass meine Schilderungen bei Betroffenen (die noch tief in der Drama-Dynamik feststecken) auf Unverständnis stoßen. Nun, ich kann, will und werde die Welt oder das Leben eines anderen Menschen nicht verändern. Es genügt mir völlig, mein eigenes gut zu schaukeln.

Also, was soll ich noch dort?

Eine Antwort auf diese Frage fand ich heute Morgen, als ich unter einen Beitrag, der Traumatisierungen, daraus resultierende innere Bilder bzw. Erwartungshaltungen thematisierte, folgenden Kommentar setzte:

Einer meiner Schlüsselsätze war dieser: „Die Umwelt spiegelt dir immer, was du in dir hast. Gefällt es dir nicht, dann beginne in dir aufzuräumen“. Das war seinerzeit eine harte Lektion, weil ich mit vielen Vorwürfen und Schuldzuweisungen durchs Leben ging. Genau das bekam ich damals auch ständig gespiegelt. Irgendwann begann ich, die Verantwortung für das, was ich fühlte, zu übernehmen, hörte auf, unter den Ereignissen meiner Kindheit zu leiden und lernte, Menschen zu vertrauen und gleichzeitig auf mich selbst gut zu achten. Interessanterweise verschwanden mit meiner inneren Wandlung auch im außen jene, die es nicht gut mit mir meinten. Heute liebe ich Menschen, aber nicht jeder muss Teil meines Lebens sein. Die Richtigen finden mich schon, weil ich nach wie vor die anziehe, die mein Inneres spiegeln. Heute fühle ich tief in mir Dankbarkeit, Ruhe, Vertrauen, Kraft, Liebe, Geborgenheit, Wertschätzung… all das begegnet mir Tag für Tag und ich bin dankbar für diese harte Lektion.

Ergänzend füge ich nun hinzu: Ich bin dankbar für jeden Menschen und jedes Ereignis auf meinem Lebensweg. Manche lassen mich erkennen, was ich noch in mir zu lösen haben. Andere spiegeln mir, was bereits hinter mir liegt. Die Art und Weise, wie ich in mit diesen Menschen und Ereignissen in Resonanz gehe, zeigt, ob etwas vor oder bereits hinter mir legt.

Ablehnung bedeutet für mich immer: Da gibt es etwas zu tun.

Zustimmung bzw. dem anderen die Freiheit zu lassen, eine andere Meinung, Sichtweise, Einstellung … zu haben, signalisiert, dass ich ganz bei mir bin, gefestigt in mir selbst und daher keinen Kampf ausfechten muss. Anders formuliert (hier mit den Worten, die ich vor ein paar Tagen gepostet habe):

Morgengedanken: persönliche Freiheit beginnt dann, wenn den anderen ihre Meinung zugestanden wird. KEIN Ablehnen, Übernehmen oder Überzeugen. Einfach gesagt: behandle jeden anderen so, wie du selbst behandelt werden willst.
Vielleicht nicht immer ganz einfach, aber es lohnt sich. Frei vom Ballast fremder Meinungen und dem kräftezehrenden Kampf, seine eigene zu verbreiten, bleibt viel Energie, sich selbst und das eigene Leben zu entdecken.

Hin und wieder höre ich die Aussage: „Du philosophierst alles zu Tode.“

Das ist eine Sichtweise.

Im Austausch auf Augenhöhe mit einer sehr erfahrenen Psychotherapeutin begegnete mir folgende Aussage: „Philosophie ist die Basis einer erfolgreichen Therapie, denn sie hilft, das Leben und sich selbst neu zu sehen, zu verstehen und annehmen zulernen. Alles, was wir zur Heilung brauchen, ist von Beginn an in uns. Es geht nur darum, wertfrei auf das Leben zu blicken, dem zuzustimmen, was ist. Alles, was uns auf unserem Weg begegnet, ist da, damit wir daraus lernen und daran wachsen.“

Auch eine Sichtweise. Eine, die mir gefällt und die ich täglich praktiziere, wenn ich über mein Leben und die Ereignisse auf meinem Weg philosophiere, sie als Spiegel dessen, was in mir ist, betrachte und darin erkenne, wo ich noch etwas zu lernen habe und wo ich mich entspannt zurücklehnen und mein Leben genießen darf.

Es wäre so einfach …

… und es ist einfach – für mich – nach vielen Jahren des Kampfes – blicke ich heute in den Spiegel und sage: JA 😊 zum Leben und zu mir selbst

TOXIC PEOPLE

In den letzten Wochen und Tagen hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und Nachspüren. Letzteres kam in meinem Leben immer wieder zu kurz bzw. blockierte ich mich selbst, überließ es meiner Beobachtungsgabe und meinem Verstand, die Geschehnisse zu analysieren, zu bewerten und Entscheidungen zu treffen. Vielleicht auch deshalb, weil ich als „Hochsensible“ es schlichtweg nicht aushielt, was ich auf Gefühlsebene wahrnehmen konnte. Als Kind davon überfordert, behielt ich meine „kopflastige“ Lebensweise lange bei. Heute bin ich stark und reflektiert genug, auch meine Wahrnehmung auf Gefühlsebene wieder zuzulassen. Was ich dabei beobachte, werde ich in diesem und den folgenden Beiträgen schildern.

Beginnen möchte ich mit einem Begriff, der immer wieder mal fällt: Toxic People. Googelt man den Begriff, findet man abweichende Definitionen (wie bei vielen anderen Begriffen auch, denen wir im Alltag begegnen). Daher starte ich gleich mal mit einer Begriffsklärung, was „Toxic People“ für mich bedeutet.

Für mich sind Toxic People Menschen, die durch ihre Art und Weise, wie sie handeln, welche Worte sie verwenden und welche Emotionen sie dabei ausstrahlen, wie Gift auf meine physische, psychische und emotionale Balance und damit meine Gesundheit per se wirken. Ich sage nicht, dass diese Personen an sich „giftig“ sind. Das wäre eine Zuschreibung, die mir nicht zusteht. Für mich zählt, welche Auswirkungen ihre Handlungen auf mich haben und hierbei geht es nochmal darum zu erkennen, dass ich diese Auswirkungen zulasse – ich könnte mich ja auch abgrenzen und entfernen, was mittlerweile meine Vorgehensweise ist. Zu behaupten, ich wäre der Wirkung ausgeliefert, käme einer Flucht in die Opferrolle und der Aufgabe der Eigenverantwortung gleich. Ich würde diesen Menschen gestatten, über mein Empfinden zu bestimmen, mich ihnen ausliefern – ihnen de facto Macht über mich geben.

Viel abstrakte Theorie. Zeit, für alltagstaugliche Praxis.

In meinem Freundeskreis gibt es Person X, oder es gab Person X, denn seit einigen Monaten vermeide ich jeglichen Kontakt. Ich wähle hier bewusst die Bezeichnung „Person X“, um jegliche Ableitung in Mann oder Frau zu unterbinden. Einerseits könnte das tief verwurzelte stereotype Rollenbilder wachrufen, andererseits gab es tatsächliche mehrere Personen X in meinem Leben und es fällt mir schwer, mich bei meinen Schilderungen auf eine davon zu beschränken, denn im Verhalten waren alle X austauschbar.

Die Kommunikation mit Person X verlief stets in ähnlichen Schemata: auf anfängliche Trivialitäten und Höflichkeitsfloskeln folgte rasch ein kaum zu bremsender Wortschwall an Negativitäten. Jammern und Klagen über Freunde, Familie, Job, die Welt, das Leben, alles und jeden. Zu diesem „Müll“ gesellte sich stets die Aufforderung und Rückversicherung, ob ich das alles genauso sähe und verstehen könne. Unzählige Male wurde ich um Rat und Hilfe gefragt, doch meine Vorschläge wurden entweder sofort oder einige Zeit später als „nicht umsetzbar“ zurückgewiesen. Irgendwann erkannte ich, dass es nicht darum ging, tatsächlich ein Problem zu lösen, sondern nur Frust und andere negativen Emotionen abzuladen. Manchmal sogar um regelrechte Intrigen gegen Dritte. Manipulation pur. Destruktiv und anmaßend. Regelmäßig nach solchen Kommunikationen stürzte ich selbst aus meinem zuvor guten Zustand in ein bodenloses Loch. Es mangelte mir eindeutig an der Fähigkeit, mich gegen diesen „Müll“ abzugrenzen.

Meine schlaue Lucy gab mir dazu vor vielen Jahren ein leicht nachvollziehbares Bild. Sie sagte: „Stell dir ein Glas mit kristallklarem Wasser darin vor. Das bist Du, wenn es dir gut geht. Dann kommt jemand und lässt einen Tropfen schwarze Tinte in das Wasser fallen und es beginnt sofort sich einzutrüben. Jedes Wort von uns ist ein Tropfen. Positive Worte sind klar, negative schwarz wie Tinte. Es braucht nicht viele Worte, um ein Glas kristallklares Wasser in eine trübe Brühe zu verwandeln.“

Auch wenn ich ihr Gleichnis verstand, ich fand lange Zeit nicht die Kraft und den Mut, mich abzugrenzen. Bildlich gesprochen: Meine schützende Hand über das Glas mit kristallklarem Wasser zu halten und die schwarze Tinte abzublocken. Wovor ich Angst hatte? Vor Zurückweisung, Ablehnung, Ausgrenzung … ich nahm all das „Gift“ bereitwillig an, weil ich mich nach Zugehörigkeit, Anerkennung, Geborgenheit und Liebe sehnte. Ich gab jenen Toxic People die Macht über mich, akzeptiere die Giftigkeit ihres Verhaltens, zahlte den aus meiner Sicht notwendigen Preis, verharrte in der Opferrolle.

Heute ist damit Schluss.

Menschen können tun und lassen was sie wollen. Ich verurteile niemanden, aber ich entscheide, wen ich in mein Umfeld lasse. Empfinde ich ein Verhalten als belastend, grenze ich mich ab, halte meine schützende Hand über mich selbst.

Jeder Mensch hat das Recht auf seine eigene Meinung und seine persönliche Wahrnehmung dieser Welt. Ich muss keine einzige davon teilen oder gar übernehmen, denn auch ich habe meine eigene. Ich entscheide selbst, ob und wie lange ich eine Kommunikation aufrechterhalten, und ob ich als Mülleimer für die Psychohygiene anderer fungieren will. Ob ich in diesem Augenblick die Kraft und notwendige Distanz habe, um für jemand, der wirklich Hilfe braucht, da zu sein. Oder ob Person X einfach nur die Welt vergiften will, um die eigene Erwartungshaltung zu verwirklichen.

Toxic People können toxisch sein so viel sie wollen. Ich spiele bei ihrem Spiel nicht mehr mit. Das ist meine persönliche Entscheidung, getroffen aus der Eigenverantwortung und Selbstsorge mir gegenüber.

Toxic People per se zu verurteilen und zu verdammen würde bedeuten, sich auf deren Niveau zu begeben. Genau genommen geschieht das bereits durch die Verwendung des Begriffes.

Deshalb lautet meine Entscheidung, mich mit Menschen zu umgeben, die meine Werte teilen und mein Leben bereichern, mit denen ein wertschätzender Austausch möglich ist und die ihre eigenen sowie meine Grenzen respektieren.

Vor einigen Tagen meinte jemand, ich „säße auf einem hohen Ross und solle mal runterkommen“. Diese Person (X) darf gerne diese Meinung über mich haben – ebenso wie ich meine eigene: Ich habe die Verantwortung für mich selbst, mein Leben und meinen eigenen Zustand übernommen. Wer damit ein Problem hat, darf dies gerne behalten. Ich habe keines. Oder anders (positiv) formuliert: Für mich ist es genauso in bester Ordnung 😉

#FeelTheEmbraceOfLife

Apropos Wasser: Schon vor vielen Jahren begegnete mir die Theorie des „Besprechens von Wasser“. Meine eigenen Erfahrungen dazu sind positiv. Für mich hat es funktioniert – unabhängig davon, ob wissenschaftlich nachgewiesen oder nicht. Vielleicht war das der berühmte Placebo-Effekt? Wie auch immer, wenn ich bedenke, dass unsere Körper zu einem sehr hohen Anteil aus Wasser bestehen und dieses Wasser die Information (oder Energie) unserer Worte speichern kann … gewinnt der Satz „Achte auf deine Worte …“ noch mehr an Bedeutung 😉

Bild: pixabay.com

Made in Hollywood?

Wenn ich auf die letzten 30 Tage zurückblicke, drängt sich diese Frage auf. Heute ist der 13.08., also genau 1 Monat nach dem Tag X (13.07.2020), an dem sich mein Leben, wie ich es die 25 Jahre davor kannte, innerhalb weniger Stunden drastisch verändert hatte. Beziehung zu Ende, Auszug aus der gemeinsamen Wohnung, … alles wurde anders – und das auf eine Art und Weise, die fast drehbuchreif erscheint.

Wobei, würde ich ein solches Drehbuch schreiben, käme vermutlich die Rückmeldung: zu unrealistisch. Vielleicht ist das wahre Leben wesentlich unrealistischer als manche Fantasie?

Was also ist geschehen, das als „zu unrealistisch“ eingestuft werden würde?

Am Montag, 13.07. wurde mir klar, dass es räumliche und zeitliche Distanz brauchen würde, um die verfahrene Situation zu beruhigen. Am Donnerstag, 16.07. war ich mit Sack und Pack ausgezogen, aber nicht einfach irgendwohin, sondern in die Wohnung einer Bekannten, mit der ich in den darauffolgenden Tagen eine WG gründete. Eine Mädels-WG. Mit einer Psychotherapeutin und Philosophin. Wer mich kennt, weiß, dass es wohl nichts Passenderes gäbe als diese Konstellation, der tiefgründige Gespräche über das Leben quasi in die Wiege gelegt wurden. Und es geht noch mehr: Wir harmonieren punkto Lebenseinstellung, Ernährung, Hobbies … faszinierend, würde Mr. Spock sagen.

Beruflich macht sich gerade das Sommerloch breit, so dass ich meinen rekonvaleszenten linken Fuß im Home Office aufpäppeln kann.

Auto könnte ich schon wieder eines haben, weil mein Sohn sein altes noch nicht verkaufen konnte, aber da ich es derzeit Zeit ohnehin nicht fahren kann – was auch nicht notwendig ist.

Beginnend bei der unmittelbaren Unterstützung durch Freunde und Familie ab dem Tag X, der Übersiedelung im Rekordtempo, dem Entrümpeln verabschiedungswerter Altlasten jeder Art bis hin zur Einrichtung des neuen Lebensraums … all das fügte sich wie Puzzleteile ineinander, als würde aus dem Hintergrund eine Art Masterplan durchschimmern und den Vordergrund lenken.

Faszinierend, so lautet auch meine heutige Conclusio.

Während ich diese Zeilen tippe, sitze ich in meinem neuen Heim, fühle mich angekommen und es geht mir gut. Wirklich gut. Kein Zwangsoptimismus und keine Durchhalteparole. Es geht mir richtig gut. Ich fühle mich hier wohl, genieße die Gespräche und gemeinsamen Aktivitäten, komme mehr und mehr zur Ruhe, spüre eine sich ausbreitende Gelassenheit in mir, verweile in der Umarmung des Lebens.

Ich wohne jetzt eine Stiege weiter. Wenige Meter nur von meinem Leben „davor“, doch bereits weit genug entfernt, um einen anderen Blickwinkel einnehmen zu können auf das, was nun fast unvermeidbar erschien und wofür ich dankbar bin, weil es die Karten neu gemischt und wieder alles möglich gemacht hat.

Alles möglich?

Das bedeutet auch, nicht zu wissen, was kommen wird oder in welche Richtung sich mein Leben entwickeln wird. Früher hätte mich diese Ungewissheit nervös gemacht. Heute betrachte ich sie mit stetig wachsender Gelassenheit. In den vergangenen Leben das Leben einmal mehr bewiesen, dass es der menschlichen Planung um Welten überlegen ist. Ich darf mich lebhafter Fantasie rühmen, doch eine Geschichte wie jene, die mir tatsächlich passiert ist, hätte ich mir ausdenken können. Zu glatt fügen sich die einzelnen Bausteine zusammen, ganz so, als hätte der Fluss des Lebens über Jahre daran gearbeitet, sie in die Recht form zu bringen.

Das Leben macht keine Fehler. Wir Menschen schon. Oftmals bleiben uns übergeordnete Zusammenhänge oder der Sinn hinter den Geschehnissen verborgen – doch das Leben behält den Überblick. Es trennt, was nicht mehr passt und fügt zusammen, was aneinander und voneinander lernen darf.

Das Leben schreibt die besten Geschichten – nach wie vor. Auch wenn sie manchmal wie „Made in Hollywood“ erscheinen 😉

Bild: pixabay.com

(Ent)Rümpelstilzchen 😉

Manchmal kann „Entrümpeln“ eine fast magische Wirkung entfalten. Wenn etwas in meinem Leben unrund läuft, fange ich an, aufzuräumen. Wenn ich gerne etwas verändern möchte, aber nichts tun kann, fange ich an, aufzuräumen. Wenn ich nicht weiter weiß, fange ich an, aufzuräumen. Wenn ich unruhig bin, fange ich an, aufzuräumen. Wer mir Ideen fehlen, fange ich, aufzuräumen.

Es gibt einige Modelle dazu, die erklären, wie diese Wirkung zustande kommt. Ob es nun blockierte Energien sind, die wieder fließen können, oder eine Art von Resonanzwirkung auf die Veränderungen innerhalb des Systems, oder was auch immer. Im Grunde hat es für mich keine Bedeutung, WARUM es funktioniert. Viel wichtiger ist, DAS es funktioniert. Und das tut es.

Vor 3 Wochen packte ich mein „Leben“ in rund 75 Kartons. Würde ich heute erneut packen, wären es nur mehr 50 Kartons. Oder weniger. Die Differenz wurde zwischenzeitlich auf vielfältige Weise „entrümpelt“. Manches landete in sozialen Projekten, anderes bei Menschen, die sich darüber freuten. Nur weniges endete im Müll. Ich bin keine, die etwas, das noch gut, schön und funktionsfähig ist, einfach so entsorgt. Es gibt immer Möglichkeiten, anderen damit eine Freude zu bereiten oder gar einen Bedarf abzudecken, auch wenn diese Dinge nicht mehr zu meinem Leben passen und zu Ballast wurden.

Ich habe viel Ballast abgeworfen in diesen 3 Wochen. Auch körperlich. Ein paar Kilos sind verschwunden – worüber ich ebenso erfreut bin wie über den neugewonnenen Überblick über mein Leben. So vieles hatte sich in den Jahren angesammelt, war in den Untiefen von Schubladen und Kästen ins Vergessen hinabgesunken. All das durfte nun gehen. Ich bin dabei zu erkennen, wie wenig ich wirklich brauche, wie einfach das Leben dadurch werden kann, und wie viel Unnötiges ich so lange mitgeschleppt habe.

Aufräumen und entrümpeln hat eine heilsame Wirkung auf mich – und vermutlich nicht nur auf mich. Schließlich gibt es auch einige Bücher darüber.

Wobei – ich beschränke mich nicht auf Kästen und Schubladen. Meine Aufräum- und Entrümpelungsaktion erstreckt sich bis in eine Dimension, die weniger populär ist: meine Verhaltensmuster, Einstellungen und Glaubenssätze.

Ja, auch dort sammelte sich im Laufe von Jahren und Jahrzehnten eine Menge an, und einiges davon passt nicht mehr in meine aktuelle Lebenssituation und zu mir als Person. Während es allerdings recht einfach ist, einen Keller oder Kasten zu entrümpeln, stellt unser Unterbewusstsein (in dem unsere Einstellungen, Glaubenssätze und Verhaltensmuster verankert sind) eine Herausforderung dar. Einen Ordner – egal, ob in Papierform oder digital – kann ich hernehmen und durchackern, aber meine „Programme“ sind nicht so einfach abrufbar wie die Ordnerstruktur auf meinem PC.

Dennoch – es ist möglich.

Zu Hilfe kommt mir dabei der Umstand, dass ich mich nun in einem anderen Umfeld und einer völlig anderen Lebenssituation befinde. Erstmals in meinem Leben, teile ich meinen Wohnraum nicht mit Menschen, zu denen ich in einer familiären Beziehung oder Partnerschaft stehe. Dadurch greifen meine die Trigger meiner frühkindlichen Traumatisierungen nicht mehr, weil es eben „nur“ eine Wohngemeinschaft ist. Wenn es Stress gibt, dann auf Augenhöhe ohne emotionale Beziehungsebene und Verstrickungen, die alte Gefühle und Verletzungen reaktivieren. Anders gesagt: mein inneres Kind bleibt bei all dem gelassen, weil es mit dieser neuartigen Situation keine negativen Erinnerungen verbindet.

Während wir uns also in der Wohngemeinschaft aufeinander einstellen, habe ich die Gelegenheit, mich selbst zu hinterfragen. Nichts ist hier selbstverständlich oder gewohnt. Alles ist neu. Alles kann geprüft werden auf Relevanz für meine Gegenwart und Zukunft. Vieles wird über Bord geworfen. Bildlich gesprochen. Routinen werden verändert, angepasst an das, was für mich heute Sinn macht und nicht länger weitergeführt als etwas, was „ich schon immer so getan habe“.

Meine innere Haltung in Bezug auf mein Umfeld verändert sich. In Bezug auf mich selbst begann ich damit 2017, entdeckte mich selbst neu und fand zurück zu mir selbst. Nun geht es in die nächste Runde.

Wann hat man schon die Gelegenheit, sich selbst und sein Leben in diesem Umfang zu hinterfragen und neu auszurichten? Tag X hat mir diese Gelegenheit verschafft. Und ich nutze sie. Aufräumen, entrümpeln, neu definieren …

Ich erschaffe mir gerade meine Zukunft. Aus der Vergangenheit darf bleiben, was mir guttut, zu mir passt, mich stärkt und Sinn macht. Die Gegenwart gleicht einem weißem Blatt Papier, auf dem ich mit einem magischen Stift experimentiere. Meine Gedanken und Ideen für die Zukunft entstehen gerade erst auf einem Fundament aus Gefühlen, die sich unter einem Nenner zusammenfassen lassen: Vertrauen!

Ich vertraue dem Leben, das mich bis hierhergeführt hat.

Ich vertraue mir selbst, dass ich daraus lernen und mich weiterentwickeln werden.

Ich vertraue der Liebe, denn sie findet immer einen Weg.

Und ich vertraue auf die magische Wirkung des Entrümpelns – auch loslassen genannt.

Manchmal muss man im Leben alles loslassen, um herauszufinden, womit man noch (in Liebe und Wertschätzung) verbunden ist, denn dies wird stets zurückkehren.

Manchmal muss man sich bewusst machen, dass wir nichts wirklich besitzen. Oder in den Worten meiner romantischen Ader formuliert:  

„Du kannst nichts verlieren, denn wir besitzen nichts. Weder unser Leben, das wir von der Ewigkeit geliehen haben; noch die Liebe, die uns begleitet; noch nicht einmal den Atem, der uns am Leben hält, denn auch ihn lassen wir mit jedem Ausatmen aufs Neue ziehen. Lass alles los, damit zurückkehren kann, was bestimmt ist, dich durch dieses Leben zu begleiten.“  (Zitat: Kurzgeschichte „1001 Schmetterlinge“ aus dem Buch „EMBRACE – Fühle die Umarmung des Lebens“)

Manchmal erschafft das Leben eine Situation, in der ein Gedanke alle anderen überstrahlt: Die wirklich wichtigen Dinge des Lebens sind weder in Kästen noch Kellern zu finden, sondern tief in uns, in unserem Denken, unserem Fühlen, unserem Sein.

Aber ist das überhaupt ein Gedanke? Oder nicht doch ein Gefühl? Intuitives Wissen? Eine universelle Wahrheit? Find es heraus. Fang an, in deinem Leben und dir selbst aufzuräumen, zu entrümpeln, loszulassen …

Vielleicht wird es dir so ergehen wie mir selbst: unabhängig von dem, was außen ist, fühle ich mich geborgen in der Umarmung jenes Lebens, das gut für mich sorgt, weil ich gut für mich sorge 😊

#FeelTheEmbraceOfLife

(Tag 29 in meinem neuen Leben)

Bild: pixabay.com

Tagebuch meines neuen Lebens / Tag 25

Wenn ich morgens in meinem neuen Leben und neuem Heim aufwache, fühle ich mich unendlich leer. Etwas fehlt. Etwas, das ich vermisse. Etwas, das ich mir selbst nicht geben kann. Auch wenn ich gelernt habe, mich selbst zu lieben, mich so anzuerkennen, wie ich bin und die Geborgenheit in der Umarmung des Lebens wahrzunehmen – eines kann ich mir selbst nicht geben: die Nähe eines vertrauten Menschen, der die Hälfte meiner bisherigen Lebenszeit an meiner Seite verbracht hat. Mit dem ich so vieles geteilt habe.

Es ist, wie es ist. Unsere Wege haben sich getrennt. Mein Verstand hat es längst realisiert und akzeptiert. Doch Gefühle lassen sich nicht so einfach umschalten. Deshalb bin ich traurig, unkonzentriert, noch immer neben meiner üblichen, hoch effizienten Spur.  Ich verarbeite emotional die Geschehnisse. Das gehört dazu. Kein Grund für Leid oder gar böswillige Gedanken. Einfach nur Trennungsschmerz. Ich habe etwas verloren, das mir ans Herz gewachsen war, das mir lieb und teuer war auf eine Weise, die sich nicht mit Worten beschreiben lässt.

Wie einfach wäre es, mich einfach in eine Depression fallen zu lassen, im Schmerz zu versinken, im Leid zu baden, in der Opferrolle aufzugehen. Von vielen würde ich Trost, Zuspruch und Zuwendung dafür erhalten, weil es doch verständlich wäre, so zu empfinden. Doch so einfach ist es nicht – für mich. Ich sehe nicht nur eine Position, nicht nur ein Ereignis. Aus der Meta-Position heraus offenbart sich mir ein komplexes Bild mit tradierten Rollen und Verhaltensmustern sowie langjährig aufgebaute Verstrickungen.

Schuldzuweisungen? Wer damit anfängt, versagt sich jeglichen Lerneffekt aus Krisen.

Vorwürfe? Erschweren nur den Blick auf die Eigenverantwortung.

Vielleicht ist das, was im Moment schmerzt, auch die Erkenntnis, an welchen Punkten auf unserem gemeinsamen Weg eine andere Handlungsweise zu anderen Ergebnissen geführt und somit den Tag X verhindert hätte. Oder das Wissen um die Unveränderbarkeit der Vergangenheit?

Nicht umsonst heißt es: Im Nachhinein ist man immer klüger.

Der Verstand kann sich schnell mal hinter weisen Sprüchen und Erklärungen zurückziehen und zur Ruhe kommen, doch das Herz bleibt im Sturm der Gefühle zurück.

Es heißt: Zeit heilt alle Wunden.

Das will ich glauben. Ich will daran glauben, dass der Tag kommen wird, an dem ich aufwache, und wieder vertraute Nähe zu einem Menschen fühle, dem ich mein Herz geöffnet habe.

Tagebuch meines neuen Lebens / Tag 21

3 Wochen. So lange braucht ein Hühnerküken, um aus seinem Ei zu schlüpfen. 3 Wochen habe ich gebraucht, um wieder in einem Bett zu schlafen, das ich mein Eigen nenne. Seltsam, wie wichtig mir dieser Punkt ist, im Gegensatz zu vielen anderen, deren Wichtigkeit oder Priorität in diesen 3 Wochen verloren ging. Immer alles aufgeräumt und abgeschlossen? Rechts vor mir lehnen noch ein paar Kartons, deren Inhalt sich erst dann zu einem Schrank zusammenfügen wird, wenn der Rest geliefert wurde. Apropos Rest: Umzugskartons verwahren auch heute noch gut die Hälfte meiner Kleidung, Küchenutensilien, Kosmetikartikel … „angekommen“ ist ein dehnbarer Begriff. Dennoch fühle ich mich bereits zuhause.

Krise gemeistert? Ich würde mal sagen: entschärft. Während ich auf der einen Seite mein Leben um vieles erleichtere, kreisen auf der anderen Seite meine Gedanken um Vergangenheit und Zukunft.

Teilweise bin ich noch immer erstaunt, was ich alles seit Jahrzehnten mit mir rumschleppe in diversen Ordnern und Schachteln. Die Müllabfuhr darf sich freuen. Allerdings taucht auch einiges auf, über das ich mich freue, dass ich längst vergessen hatte und das gleichzeitig genau in die Situation passt. So fand ich zum Beispiel gestern die handschriftlichen Originale einiger Gedichte aus dem Jahr 1996, die ich heuer in EMBRACE veröffentlicht habe. Damals schrieb ich den Tag und die Uhrzeit oben rechts in die Ecke auf den karierten Blättern. Ich hielt den exakten Entstehungszeitpunkt fest und – fast unglaublich, aber wahr – es gibt kaum Korrekturen auf diesen Blättern. Ich schrieb die Gedichte in einem Stück, wie bei einem Diktat. Genau wie heute auch. Ich überarbeite oder korrigiere nur wenig.

In der Vergangenheit entdecke ich neue, alten Facetten von mir, erkenne weitere Zusammenhänge, vertiefe das Verständnis meiner selbst.

Mir wurde klar, dass der Tag X unausweichlich hatte kommen müssen. Tag X symbolisiert das Ende einer Beziehung und den Anfang von etwas Neuem. Aus der Asche erhebt sich der Phönix – eine Metapher, die ich häufig verwende und sie trifft es genau. Veränderung erfordert auch überholtes loszulassen, damit neues entstehen kann. Seit Oktober 2017 habe ich mich verändert. Für den nächsten Schritt war Tag X essenziell. Diesen Tag und seine Ereignisse zu erleben, dabei weder die alleinige Schuld und damit die Täterrolle zu übernehmen noch die Verantwortung abzugeben und mich in die Opferrolle zu flüchten, sondern das Zusammenwirken vieler Faktoren wertfrei anzuerkennen, eröffnet mir einen neuen Blick auf die Welt und mich selbst.

Durch die Fügung des Schicksals lebe ich nun in einer WG mit einer Philosophin. Unser heutiges stundenlanges Gespräch über Eigenverantwortung und wertfreie Betrachtung war vermutlich nur das erste von vielen, die noch folgen werden.  Die Autodidaktin trifft auf die Expertin. Ich hätte irgendwo stranden können, doch ich landete bei einer, von der ich lernen und meinen eigenen Horizont erweitern kann. Welch Fügung des Schicksals.

Soll die Zukunft anders werden als die Vergangenheit, gilt es diese zu verstehen und daraus zu lernen. Ich bin dabei, meine blinden Flecke zu erkunden. Subtile Verhaltensmuster zu identifizieren, die auf den ersten Blick harmlos, auf den zweiten jedoch manipulativ sind. Parallel dazu beginne ich damit, die finale Phase von JAN/A zu schreiben. Ich weiß zwar noch nicht, wie lange ich dafür brauchen werde, aber ich weiß, wenn ich Band 3 von JAN/A fertig habe, wird auch mein eigener Prozess, der im Oktober 2017 begann, abgeschlossen sein.

Zwischendurch frage ich mich immer wieder: Bin ich noch Borderlinerin? Tag X, die Wochen danach, all das ohne emotionale Zusammenbrüche, Depression, Selbstverletzung, Selbsterniedrigung oder sonstige „typische“ Borderline-Symptome. Okay, ein paar Mal lagen meine Nerven blank, reagierte ich gereizt oder emotional, aber in einem Ausmaß, das man als „normal“ in einer Krisensituation einstufen könnte.

Meine Feinfühligkeit und intensive Emotionen sind immer noch da, vielleicht sogar stärker als je zuvor. Ich empfinde Freude, Glück, Schmerz … alles da. Nur eines fehlt: ich leide nicht. Nicht mehr. Vor einigen Wochen verabschiedete ich mich während des Schreibprozesses vom „Leid“. Im Klartext heißt das: ich bin verwundbar, kann Schmerz empfinden, aber ich leide nicht – weder unter einer Wunde noch unter dem Schmerz. Mitgefühl und Mitleid sind zwei sehr unterschiedliche paar Schuhe. Mein Verstand wusste es schon länger, doch nun kann ich es auch fühlen.

Und ich bin dankbar für alles, was geschehen ist. Auch für Tag X. Ich bin weder durchgeknallt noch abgehoben, vielmehr geerdeter denn je zuvor.

Meine komplexe (Borderline-)Persönlichkeit und ich sind im Einvernehmen und gut auf Kurs Richtung Zukunft.