Vor einigen Tagen fragte ich mich, was es bringt, noch länger in Selbsthilfegruppen aktiv zu sein. Ich bezeichne mich mittlerweile als „post-borderline“, da ich keinerlei Symptome, Beschwerde oder sonstiges habe. Anders gesagt: ich bin mit mir selbst und der Welt im Reinen. Mir geht’s gut.
Zudem stelle ich immer häufiger fest, dass meine Schilderungen bei Betroffenen (die noch tief in der Drama-Dynamik feststecken) auf Unverständnis stoßen. Nun, ich kann, will und werde die Welt oder das Leben eines anderen Menschen nicht verändern. Es genügt mir völlig, mein eigenes gut zu schaukeln.
Also, was soll ich noch dort?
Eine Antwort auf diese Frage fand ich heute Morgen, als ich unter einen Beitrag, der Traumatisierungen, daraus resultierende innere Bilder bzw. Erwartungshaltungen thematisierte, folgenden Kommentar setzte:
Einer meiner Schlüsselsätze war dieser: „Die Umwelt spiegelt dir immer, was du in dir hast. Gefällt es dir nicht, dann beginne in dir aufzuräumen“. Das war seinerzeit eine harte Lektion, weil ich mit vielen Vorwürfen und Schuldzuweisungen durchs Leben ging. Genau das bekam ich damals auch ständig gespiegelt. Irgendwann begann ich, die Verantwortung für das, was ich fühlte, zu übernehmen, hörte auf, unter den Ereignissen meiner Kindheit zu leiden und lernte, Menschen zu vertrauen und gleichzeitig auf mich selbst gut zu achten. Interessanterweise verschwanden mit meiner inneren Wandlung auch im außen jene, die es nicht gut mit mir meinten. Heute liebe ich Menschen, aber nicht jeder muss Teil meines Lebens sein. Die Richtigen finden mich schon, weil ich nach wie vor die anziehe, die mein Inneres spiegeln. Heute fühle ich tief in mir Dankbarkeit, Ruhe, Vertrauen, Kraft, Liebe, Geborgenheit, Wertschätzung… all das begegnet mir Tag für Tag und ich bin dankbar für diese harte Lektion.
Ergänzend füge ich nun hinzu: Ich bin dankbar für jeden Menschen und jedes Ereignis auf meinem Lebensweg. Manche lassen mich erkennen, was ich noch in mir zu lösen haben. Andere spiegeln mir, was bereits hinter mir liegt. Die Art und Weise, wie ich in mit diesen Menschen und Ereignissen in Resonanz gehe, zeigt, ob etwas vor oder bereits hinter mir legt.
Ablehnung bedeutet für mich immer: Da gibt es etwas zu tun.
Zustimmung bzw. dem anderen die Freiheit zu lassen, eine andere Meinung, Sichtweise, Einstellung … zu haben, signalisiert, dass ich ganz bei mir bin, gefestigt in mir selbst und daher keinen Kampf ausfechten muss. Anders formuliert (hier mit den Worten, die ich vor ein paar Tagen gepostet habe):
Morgengedanken: persönliche Freiheit beginnt dann, wenn den anderen ihre Meinung zugestanden wird. KEIN Ablehnen, Übernehmen oder Überzeugen. Einfach gesagt: behandle jeden anderen so, wie du selbst behandelt werden willst.
Vielleicht nicht immer ganz einfach, aber es lohnt sich. Frei vom Ballast fremder Meinungen und dem kräftezehrenden Kampf, seine eigene zu verbreiten, bleibt viel Energie, sich selbst und das eigene Leben zu entdecken.
Hin und wieder höre ich die Aussage: „Du philosophierst alles zu Tode.“
Das ist eine Sichtweise.
Im Austausch auf Augenhöhe mit einer sehr erfahrenen Psychotherapeutin begegnete mir folgende Aussage: „Philosophie ist die Basis einer erfolgreichen Therapie, denn sie hilft, das Leben und sich selbst neu zu sehen, zu verstehen und annehmen zulernen. Alles, was wir zur Heilung brauchen, ist von Beginn an in uns. Es geht nur darum, wertfrei auf das Leben zu blicken, dem zuzustimmen, was ist. Alles, was uns auf unserem Weg begegnet, ist da, damit wir daraus lernen und daran wachsen.“
Auch eine Sichtweise. Eine, die mir gefällt und die ich täglich praktiziere, wenn ich über mein Leben und die Ereignisse auf meinem Weg philosophiere, sie als Spiegel dessen, was in mir ist, betrachte und darin erkenne, wo ich noch etwas zu lernen habe und wo ich mich entspannt zurücklehnen und mein Leben genießen darf.
Es wäre so einfach …
… und es ist einfach – für mich – nach vielen Jahren des Kampfes – blicke ich heute in den Spiegel und sage: JA 😊 zum Leben und zu mir selbst