In den letzten Tagen wird mein Selbstbild auf eine Weise geprüft, die ich als äußert unangenehm empfinde. Reden wir Klartext.
Hinter mit liegen einige sehr unausgeglichene Tage. Emotionale Schwankungen ohne erkennbaren Auslöser und damit auch kaum rational erklärbar. Insbesondere mein Lebenspartner reagiert aktuell auf diesen Umstand mit Rückzug und Distanz. Oder einfacher formuliert: er geht mir aus dem Weg. Kein Wort. Keine Berührung. Kein Kuss. Nichts, dass Auslöser für einen Crash liefern könnte. Einerseits ganz gut, aber andererseits … öffnet dieses Verhalten für mich Tür und Tor Richtung destruktiver Gedanken in der Art von: Ich habe wieder einmal etwas falsch gemacht, war zu emotional, habe nicht richtig funktioniert, mich kann man eben nicht leicht aushalten – ich bin das Problem.
Vermutlich wie viele andere Borderliner auch, neige ich dazu, die Verantwortung für alles, was rund um mich passiert, auf meine Schultern zu legen. Ganz besonders wenn etwas nicht zufriedenstellend läuft – wie gerade eben bei mir zuhause.
Mir ist durchaus bewusst, dass es seinerseits keine böse Absicht ist, sondern er einfach – genauso wie ich hin und wieder – Raum für sich selbst braucht um Durchzuatmen. Nur – verstehen ist eine Sache, fühlen eine ganz andere. Sind die gedanklichen Mühlen der Selbstdemontage erst einmal gestartet, mahlen sie langsam, aber ausdauernd. Von der Selbstdemontage bis zur Selbstzerfleischung – so nenne ich die gesteigerte Form jener Gedanken der Selbstentwertung – dauert es dann nicht mehr lange.
Plötzlich geschieht etwas völlig unerwartetes.
Eine Person betritt rein zufällig mein Leben im Rahmen eines beruflichen Gespräches. Weniger als eine Stunde später erzählt mir diese Person, dass sie am Morgen dieses Tages im Rahmen ihrer Motivationsarbeit sich vorgestellt hat, in den folgenden Stunden jemand zu treffen und Informationen zu erhalten, die ihr bei ihren offenen Themen im Leben weiterhelfen. Dann trifft sie mich, bekommt genau das, was sie gesucht hat. Und ich denke mir: Wow!
Plötzlich ist da ein anderer Gedanke, der beginnt, den Mühlen der Selbstdemontage das Wasser zu entziehen. Es gesellen sich weitere Gedanken dazu. Da war doch diese Frau letzte Woche bei der Veranstaltung, die hat ähnliches gesagt. Der Eine, den ich mit meinen Worten ein paar Wochen durch eine schwierige Zeit begleitet habe. Und dann war doch noch jemand … je mehr ich über die vergangenen Wochen und Monate nachdenke, desto mehr Menschen werden mir bewusst, für dich nicht jene war, die sie nicht aushalten konnten, sondern genau das Gegenteil: ich war die, die ihnen etwas geben konnte, dass ihnen in diesem Augenblick geholfen hat. Ich war die Lösung.
Somit stehe ich – wieder einmal – vor einem gedanklichen und gefühlten Widerspruch.
Bin ich das Problem? Bin ich aufgrund meiner Persönlichkeit, meines manchmal unerklärbaren Verhaltens und meiner sicherlich nicht leicht nachvollziehbaren, mitunter überbordenden Emotionalität eine, die man nicht dauerhaft uneingeschränkt aushalten kann?
Bin ich die Lösung? Bin ich aufgrund meiner vielleicht nicht dem Durchschnitt oder der Norm entsprechenden Gedanken- und Gefühlsmuster eine, die anderen jenen Input geben kann, denn sie sonst nicht so leicht finden würden und der etwas Positives zu ihrem Leben beiträgt?
Bin ich irgendwo dazwischen?
Nichts von alle dem?
Nur ein Mensch …
Nur ein Mensch?
Nur ein Mensch!