NEUE (GEDANKEN)WEGE

Es verblüfft mich nach wie vor, welch immensen Einfluss die Körperchemie auf mein Denken hat(te). Der Mangel an Vitaminen und Hormonen warf mich in eine düstere Gedanken- und Gefühlswelt wie selten zuvor. Kaum fülle ich meine Speicher im Körper mit den fehlenden Mikronährstoffen wieder auf, erhebt sich mein eigentliches Ich aus der Versenkungen … im wahrsten Sinne des Wortes 😉

Mein Blick dringt wieder tief unter die Oberfläche des Offensichtlichen. Möglichst viel Zeit in der freien Natur zu verbringen, tut das ihre dazu. Noch dazu wandle ich vermehrt auf mir bis dato unbekannten Wegen, was den Effekt der „neuen Wege“ verstärkt und mich zudem jedes Mal ein kleines Abenteuer im Alltag erleben lässt. Vor einigen Tage schnappte ich während einer Doku über die Entwicklung der Menschheit sinngemäß folgendes Satz auf:

„Uns Menschen eigen ist der Entdeckergeist, über den Horizont hinaus zu blicken und erkunden zu wollen, was sich dort verbirgt.“

Dem kann ich voll und ganz zustimmen und ergänzen:

„Auch über den (eigenen) geistigen Horizont hinauszublicken und in sich hinein um zu erkunden, was in uns schlummert und darauf wartet, entdeckt und gelebt zu werden.“

Ein Plädoyer für die Reise zu sich selbst. Das größte Abenteuer, dem sich ein Mensch stellen kann, den kein Abgrund ist so tief wie jener der eigenen Seele, kein Schrecken größer als die Furcht im eigenen Herzen. Nichts erfordert mehr Mut, als sich seinen eigenen Ängsten zu stellen. Nichts bringt einen weiter, als die eigenen inneren Konflikte zu lösen und die Wunden in der Seele zu heilen.

Das klingt doch schon wieder ganz nach der gewohnt lebensphilosophischen Lesley 😉 … und doch auch anders. Jede Krise trägt in sich das Potenzial von Veränderung und damit Entwicklung. Meine „Körperchemie-Krise“ ließ mich einiges überdenken, titelgebenden neue (Gedanken-)Wege einschlagen.

Es scheint sogar, als hätten sich meine empathischen Fähigkeiten verstärkt – zumindest habe ich das Gefühl, als würde ich Menschen noch intensiver wahrnehmen als zuvor (oder zuletzt). Vor ein paar Tagen hat das einiges an „innerer Gleichgewichtsstörung“ bei mir ausgelöst, aber mittlerweile – in der Ruhe der Bergwelt angekommen – pendelt sich das wieder ein und ich kann gelassen mit dem umgehen, was meine empathischen Antennen auffangen, wenn ich sie auf eine Person richte. Mir ist natürlich klar, dass ich – was auch immer ich auffangen – nur das verstehen und interpretieren kann, was auch in mir selbst vorhanden ist, sprich: wo ich in Resonanz gehen. Insofern wird das Außen zum bewusst erlebten Spiegel meines Innenlebens. Bewusst erlebt deshalb, weil es eigentlich bei jedem Menschen so ist, aber viele realisieren nicht, das sie im Leben stets auf sich selbst treffen 😉

However, kurz nach Sonnenaufgang waren meine Antennen ausgerichtet und fingen etwas auf, das mich auch etwas über mich selbst erkennen ließ:

„Um Liebe geben zu können, muss zuerst der eigene Schmerz geheilt sein. Jemand zu lieben bedeutet nicht gleichzeitig auch Liebe zu geben. Diesen Unterschied zu verstehen hat bei mir lange gedauert, aber es gibt ihn. Es ist der Schritt aus dem „Ich“ heraus ins „Du“. Jener Schritt, nicht nur zu fühlen, sondern dieses Gefühl (der Liebe) auch zu schenken. Dein Denken mag sich jetzt vielleicht die Stirn runzeln über diese scheinbare Wortklauberei, aber wenn du deine Augen schließt und in dein Herz hineinhorchst, wird sich dir der Unterschied allmählich offenbaren.

Das Leben legt dir all das auf deinen Weg, was deine Seele braucht um heil zu werden. Woher das Leben weiß, was du brauchst? Es fragt deine Seele.

Du musst nicht perfekt sein, um Liebe zu bekommen. Du musst auch nichts im Gegenzug erbringen. Du darfst sie einfach annehmen und damit den ersten Schritt der Heilung tun. Das macht dich weder größer noch kleiner, weder stärker noch schwächer, sondern schlichtweg lebendiger, denn du umarmst das Leben.“

Was bleibt noch hinzuzufügen?

Von meiner Seite aus ein Hauch dessen, was sich vor meinem Fenster zeigt, während ich diese Zeilen tippe: ein weit entfernter Horizont, hinter dem zu Entdeckendes auf mich wartet – ein Spiegel dessen, was in mir ist.

GEDANKEN ZUM NEIN-SAGEN

Rund um Ostern dreht sich alles um Wiedergeburt, Auferstehung, Neubeginn, das Leben „danach“. Ein passender Zeitpunkt für ein paar Gedanken zum Leben nach dem Nein-Tabu. Du fragst dich vielleicht, was das Nein-Tabu sein soll? So nenne ich jenes Verhaltensmuster, das mir als Kleinkind eingebläut wurde: ich darf nicht Nein sagen. Ein Muster, das ich vermutlich mit vielen Borderlinern (und auch Nicht-Betroffenen) teile, und das unmittelbar für eine Menge schmerzhafter Erfahrungen in meinem Leben verantwortlich ist.

Wenn das Nein-Tabu am Steuer sitzt, ist es nahezu unmöglich, Nein zu sagen – ganz gleich, was geschieht. Jemand kommt dir näher als du willst, aber du wehrst dich nicht, setzt keine Grenze, obwohl du dich ekelst vor dem, was dabei ist zu geschehen, obwohl es sich falsch anfühlt und alles in dir aufbegehrt, losschreien und weglaufen möchte, tust du nichts, lässt es einfach geschehen, weil Nein-sagen nicht erlaubt ist. Schlimmer noch, ein Nein würde noch schrecklichere Konsequenzen mit sich bringen. Jenes Nein, das dich schützen sollte, wird zur Bedrohung. Also erduldest du. Stumm. In dich zurückgezogen, in dem Versuch, möglichst nichts zu fühlen – oder das, was du fühlst, möglichst tief in die Dunkelheit des Verdrängens abzuschieben.

Ab und an treffe ich (vor allem) Frauen, die Übergriffe und Missbrauch erleben. Zu viele von ihnen bleiben, zu wenige befreien sich. Häufig treffen sie auf Unverständnis, auf Aussagen in der Art von „Warum wehrst du dich nicht?“ Grundsätzlich eine angebrachte Frage, aber wenn das Nein-Tabu seine Finger im Spiel hat, wirken Fragen dieser Art nicht wie zugeworfene Rettungsringe, sondern wie umgeschnallte Senkbleie. Natürlich weißt du, dass du dich wehren solltest, aber du schaffst es nicht, was das Gefühl des Versagens verstärkt.

Jahrzehntelang lebte ich unter der Fuchtel des Nein-Tabus, ließ Übergriffe zu, von Nahestehenden und völlig Fremden. Rückblickend der völlige Irrsinn. Eine starke, taffe Frau, die Leistungssport betrieb und im Job so einiges weitergebracht hat, erstarrte und verstummte, wenn jemand mehr wollte als ich zu geben bereit war.

Es ist mehr als an der Zeit, das Nein-Tabu den Flammen des Osterfeuers zu übergeben.

Möge das Tabu in den Flammen zu Asche verbrennen.

Möge sich aus der Asche etwas Neues erheben, ein Nein-Schild.

Möge dieses Nein-Schild mit Bedacht geführt seine schützende Macht entfalten.

Möge der kommende Sonnenaufgang ein neues Leben(sgefühl) mit sich bringen, die Kraft UND das Vertrauen, im Nein einen starken Beschützer und Verbündeten zu haben.  

Die Zeit ist gekommen, Nein zu sagen, wenn du Nein fühlst.

Zu viele Borderliner erleben die (Übergriffs- & Missbrauchs)Hölle auf Erden, weil sie nie gelernt haben, sich zu wehren, weil sie nie darin bestärkt wurden, sich zu wehren, weil ihnen nie jemand das Recht zugestanden hat, sich zu wehren … mögen sie „wiedergeboren“ werden in den Osterfeuern und sich vom Nein-Tabu befreien.

Gewidmet all jenen, die zu lange zu viel ertragen und erduldet haben.

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KRAFTVOLLE WURZELN

Damit ein Baum fest verankert den Stürmen des Lebens widerstehen und seine prachtvolle Krone tragen kann, braucht er starke Wurzeln. Mitunter reichen diese im Untergrund weiter als sein Blätterdach oberhalb. Eine wunderbare Analogie, die sich auch auf den Menschen übertragen lässt. Damit dieser die Fülle der in ihm angelegten Potenziale – ob in Beziehungen, im Job, Kreativität etc. – entfalten kann, sind starke Wurzeln und die damit einhergehende Erdung wichtig.

Die Wurzeln eines Menschen liegen in seinen Vorfahren, im Familiensystem – und hier beginnt es interessant, um nicht zu sagen herausfordernd zu werden. Mit seinen Vorfahren in gutem Einvernehmen zu stehen, fällt nicht immer leicht, insbesondere nicht wenn man – so wie ich – aus einem belastenden familiären Umfeld stammt.

Worum geht’s bei diesen Wurzeln?

In erster Linie darum, anzuerkennen, woher man stammt. Diese Challenge habe ich gemeistert. Ich bin meinen Eltern dankbar für das Geschenk des Lebens, das sie mir gemacht haben – unabhängig von dem, was später alles folgte. Meine Dankbarkeit bezieht sich darauf, dass ich ohne sie nicht hier wäre. Meine Lebenswurzel ist verankert. Punkt.

Der nächste Schritt, mit dem ich mich derzeit befasse, geht etwas weiter. Bildlich gesprochen sind es die vielen Nebenwurzeln, die ein Baum braucht, um stabil Halt zu finden. Ein Kind ist das Ergebnis der Vermischung von Anteilen der Mutter und des Vaters. Beide Seiten bringen DNA ein, aber keine Seite zu 100% (sonst käme ein Klon dabei raus). Jedes Kind trägt also Anteile von beiden Elternteilen in sich. Lehnt das Kind einen Elternteil konsequent ab, lehnt es de facto auch einen Teil von sich ab, was wiederum die Wurzeln schwächt. Lehnt es beide Elternteile ab, lehnt es auch sich selbst ab und kappt die eigenen Wurzeln. Das alles vollzieht sich meist subtil im Unterbewusstsein, doch die Auswirkungen werden im Alltag Leben sichtbar. Diese Menschen finden einfach nicht in ihre Kraft, sind häufig instabil, ständig in Konflikten (die sie genau genommen aus sich selbst heraus ins Umfeld projizieren), Anklage, Opferrolle, unterdrückte und/oder gelebte Aggression … kurz gesagt: mit sich selbst nicht im Reinen.

Die kraftvollen Anteile meines Vaters anzunehmen, war relativ einfach. Von ihm habe ich meine Kreativität und das Geschichtenerzählen, die Liebe zur Natur … einige wunderbare Geschenke. Ich habe allerdings auch ein paar belastende Anteile abbekommen, mit denen ich allerdings zwischenzeitlich gut umgehen gelernt habe (anders als mein Vater, der dies nie geschafft hat).

Was ich von meiner Mutter habe, ist nicht ganz so einfach. Auch deshalb nicht, weil mein Verhältnis zu ihr nach wie schwierig ist. Erschreckenderweise ertappte ich mich in der Vergangenheit mitunter dabei, genauso wie so zu sprechen oder zu handeln. Nur nie sein wie sie! Der perfekte Vorsatz, um genauso zu werden, denn damit liegt der Fokus darauf etwas zu vermeiden.

Alles, was genährt wird (auch das, was wir vermeiden wollen) wächst.

Nun ja, Theorie und Praxis. Allem Wissen zum Trotz stolpere auch ich manchmal über meine eigenen Beine. Aufstehen und Weitergehen.

Also, welche kraftvollen Anteile habe ich von meiner Mutter? Ich kann – ebenso wie sie – viel aushalten, eine Menge negatives ertragen. Keine sehr positive Aussicht, zumindest auf den ersten Blick, denn ich identifizierte damit sofort ihre Leidensfähigkeit. Seit ich mich erinnern kann lebt meine Mutter in der Opferrolle und tat dies vermutlich auch die Jahrzehnte davor. Leidensfähig bin ich auch, aber es das ein kraftvoller Anteil, für den ich dankbar sein will/kann? Ein Anteil, der mich gut im Leben verwurzelt? Was ist Leidensfähigkeit eigentlich genau? Wer etwas lange Zeit ertragen kann, ist doch irgendwie auch „stark“, oder nicht? Es braucht dafür eine Menge Ausdauer. Mit Ausdauer kann ich gut. Die habe ich im Sport, im Job und auch in Beziehungen bewiesen. Wobei – gerade in Beziehungen war es auch die Version „ausdauernd aushalten“. Die Betonung liegt hier auf WAR, denn mittlerweile ist meine Ausdauer in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht mehr von Verlustangst geprägt, sondern vom Wunsch Liebe zu teilen.

Ausdauer als kraftvolle Wurzel, als Geschenk meiner Mutter? Mein Vater wird nicht ausdauernd. Wenn etwas schief ging, ließ er es bleiben. Vielleicht eine Folge seiner zwei Fluchterfahrungen, bei denen er jedes Mal fast alles zurücklassen musste?

Je mehr ich mich damit befasse, desto mehr entdecke ich, was ich von meinen Eltern auf meinen Weg mitbekommen habe. Vieles davon konnte ich mittlerweile zu kraftvollen Wurzeln weiterentwickeln. Manches haben sie aufgrund ihrer eigenen Vergangenheit auf negative, teils zerstörerische Weise ausgelebt.

Ein Mensch kann ausdauern darin sein, an seinem Schmerz festzuhalten, gefesselt von seinen Ängsten und zu leiden – oder ausdauernd darin, die Wunden seiner Seele zu heilen und seinen Weg zurück in die Umarmung des Lebens zu finden. Ausdauer ist per se neutral. Selbiges gilt für Kreativität. Mein Vater setzte sie dafür ein, seine Depressionen und seine Alkoholerkrankungen vor der Welt zu verbergen. Ich nutze meine Kreativität und erzähle Geschichten, um die Herzen von Menschen zu berühren. Kreativität ist per se neutral.

Auch wenn ich das meiste anders ausleben als meine Eltern, so bin ich dankbar für das, was ich mitbekommen habe – selbst für die belastenden Anteile. Diese waren mit dafür verantwortlich, einige besonderes starke Wurzeln zu bilden. Letztendlich habe ich gelernt, selbst zu entscheiden, was ich aus meinem „Erbe“ mache.

Ein paar Gedanken möchte ich hier noch anschließen für alle jene, die ihre Eltern nie kennengelernt habe. In meinem Umfeld sind dies einige Menschen. Diese Erfahrung teile ich zwar nicht, aber ausgehend von dem, was weise Menschen mich gelehrt haben und was ich selbst beobachtet habe, gehe ich davon aus, dass auch hier die menschliche Vorstellungskraft ein mächtiges Werkzeug ist. Es kommt wohl weniger darauf an, was es wirklich war, als auf das, wie es in uns ist.

Eine meiner Mentorinnen hatte einen Spruch dazu: „Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben.“ Provokante Aussage, ich weiß, aber ich arbeite daran, die guten Augenblicke in den Fokus zu holen, um meine Wurzeln zu stärken, und die schmerzhaften dort zu lassen, wo sie hingehören: in der Vergangenheit.

Die gute Nachricht zum Tage: Wurzeln stärken ist auch in der Lebensmitte noch möglich 😉

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ALTE WUNDEN

Liebe heilt alle (seelischen) Wunden, davon bin ich nach wie vor felsenfest überzeugt. Allerdings gibt es meiner Erfahrung nach eine kleine (entscheidende) Bedingung: man muss/darf/soll hinsehen auf das, was zur Wunde geführt hat. Nicht angenehm, aber notwendig. Wie sehr, wird mir gerade wieder einmal vor Augen geführt.

Gestern hat jemand im beruflichen Kontext mit einer an sich banalen Aussage unabsichtlich etwas sehr altes und schmerzhaftes in mir getriggert. Näher werde ich darauf nicht eingehen. Viel wichtiger als die Details ist, was darauf folgte. Das „banale“ Ereignis begann in meinem Denken Schleifen zu drehen, gestartet durch die ursprüngliche Emotion (aus der verletzenden Erfahrung) und genährt durch die all die Emotionen, die mit jedem gedanklichen Durchlauf des Worst-Case-Szenarios dunkler und intensiver wurden. Einiger solcher Schleifen haben dazu geführt, dass ich von einem Augenblick auf den anderen meine Zelte abgebrochen und wichtige Bereiche meines Lebens hinter mir gelassen habe … mehrfach! Auch eine Form der „Zerstörung“.

Für alle Nicht-Betroffenen: Solche Negativ-Spiralen können durch Kleinigkeiten ausgelöst werden, drehen sich unaufhaltsam Richtung Abgrund und werden dabei unerträglich. Manche Borderliner greifen dann zu Klingen, andere zu Drogen, Kurzschlusshandlungen … die Methoden sind vielfältig, ihr Ziel meistens das gleiche – endlich wieder Ruhe zu finden.

Diese Ruhe kommt nicht von allein – zumindest nicht bei mir. Solange ich beschäftigt bin, abgelenkt, konzentriert, kann ich diese Spirale auf Mute schalten, aber wehe es wird ruhig rund um mich, springt der Schalter auf „Continue“ und es geht weiter. Gedanken- und Gefühlsschleife Runde 99 …

Ein Ausweg, der für mich (und ich gehe davon aus, auch für andere) funktioniert ist jener, mich aus dem Alltag zurückzuziehen (deshalb sitze ich gerade wieder in den Bergen) und mit räumlich/zeitlichem Sicherheitsabstand auf jenes zu blicken, was war (gestern und vor langer Zeit). Ich blicke zurück, mir selbst bewusst machend, dass – was immer es war – ich überlebt habe, es weiterging, und ich jene wurde, die ich heute bin: eine, die von Lebensfreude und Liebe bestimmt wird. Trotz – oder vielleicht auch aufgrund – dessen, was vor langer Zeit geschehen ist, fand ich meinen Weg zurück zur Liebe. Was auch immer es damals war, es lag am Beginn dieses Weges und mittlerweile weit entfernt in der Vergangenheit, die niemand verändern kann. Vergangenheit gilt es zu akzeptieren und dort zu belassen, wo sie hingehört: In der Vergangenheit. Leben findet stets in der Gegenwart statt. Niemand kann gestern atmen, um heute auf einen Berg zu steigen. Fokus auf die Gegenwart: was ist es im Hier und Jetzt?

Die Vermischung von Vergangenheit und Gegenwart wieder entwirren. In Liebe auf mich selbst zu blicken, mit Dankbarkeit für meinen Weg, der mich zu diesem Augenblick geführt hat. Loslassen und in die Vergangenheit entlassen, was dorthin gehört.

Danach wird es auch wieder möglich, die „banale“ Aussage als das zu hören, was sie war: eine Aussage, welche die Meinung einer anderen Person wiedergibt. Nicht mehr und nicht weniger. Kein Grund für intensive Emotionalität – außer ich entscheide mich bewusst dafür. Keine Kurzschlusshandlungen.

Ob meine alte Wunde nun vollständig geheilt ist oder vielleicht noch die eine oder andere liebevolle Zuwendung braucht, wird sich zeigen. In mir ist reichlich Liebe und ein Kurztrip übers Wochenende in die Berge kostet (Dank Klimaticket) weniger als 2 h beim Therapeuten. Mal ehrlich: 2 Tage in den Bergen oder 2 Stunden auf der Therapie-Couch? Ich nehme die Berge 😉

Das Beitragsbild entstand während der Bahnfahrt, aufgenommen aus dem fahrenden Zug bei ca. 120 Km/h. Sonnenaufgang über dem Wallersee, etwas unscharf (wie so manches im Leben), dennoch ein Spiegelbild (wie so vieles im Leben).

IN DER LIEBE LEBEN

Sonntags gönne ich mir oft ein gemütliches Frühstück, höre mir dabei eine Radiosendung an, in der Menschen interviewt werden und aus ihrem Leben erzählen. Ich bin mittendrin eingestiegen, habe also nicht das Gespräch vorher mitbekommen, aber ein Zitat, dass ich versuche hier wiederzugeben:

„Am Ende meines Lebens möchte ich in der Liebe gelebt haben, nicht nur in der Zeit“.

Leider habe ich nicht gehört, wer diese weisen Worte formuliert hat und meine Online-Recherche dazu brachte auch noch kein Ergebnis.

Was ich allerdings mitbekommen habe, war die „Wow“-Reaktion des Interviewers, die wiederum bei mir die stirnrunzelnde Frage ausgelöst hat: „Was erstaunt dich daran? Genau darum geht es doch im Leben.“

… und im nächsten Moment wurde mir (wieder einmal) bewusst, dass nicht alle Menschen wissen, worum es wirklich geht im Leben, was zu innerem Frieden, Gelassenheit und einem rundum gesunden (im Sinne von in der eigenen Mitte sein) führt. Dass seelische Gesundheit maßgeblich das emotionale Gleichgewicht und die physische Konstitution beeinflusst, sei hier nur nebenbei erwähnt.

In der Liebe leben …

… eigentlich hatte ich mir für heute vorgenommen darüber zu schreiben, wie ich damit umgehe, wenn die „Kopfarbeit“ über Hand nimmt (was sie gerade tut) und wie wichtig es für mein Gleichgewicht ist, in solchen Phasen mich bewusst meinen „Herzthemen“ zu widmen:

  • Liebevolle Gedanken in die Welt hinauszuschicken (auch in dem Wissen, dass alles, was ich denke, sage und schreibe, stets mindestens 1 Zuhörerin erreicht – nämlich mich selbst und damit auch mir gut tut).
  • Kreativität auszuleben und etwas zu erschaffen, das mein Herz erfreut – und im besten Fall auch andere.
  • Die Begrenzung des Individuums zu überwinden (und damit auch die gefühlten Beschränkungen) und ein Teil dessen zu werden, was größer ist als ICH … EINS zu werden mit dem Leben selbst. Am einfachsten fällt mir das draußen in der Natur.

Ich wollte heute darüber schreiben, wie besonders die (an sich nicht neue, aber erst seit relativ kurzer Zeit freudvolle) Erfahrung für mich ist, auf mir noch unbekannten, aber vielfach sehr alten, verwachsenen Wegen durch die Weiten des Waldes zu streifen, nicht zu wissen, was hinter der nächsten Anhöhe auf mich wartet, dabei alle Alltagsgedanken hinter mir zu lassen, völlig im Augenblick dieses Mini-Abenteuers zu leben …

… einfach nur zu sein. Einfach nur in der Liebe zu leben.

Liebe ist so viel mehr als das Gefühl für einen anderen Menschen, einen Ort, eine Sache …

Liebe ist (für mich) auch das völlige Annehmen des Augenblicks, jeden Sonnenstrahl zu spüren, der durch das bunte Blätterdach der Bäume zu mir vordringt, all die Farben wahrzunehmen, das Rascheln unter meinen Füßen bei jedem Schritt sowie den Duft des Herbstes, der sich von allen anderen Jahreszeiten unterscheidet. Im Augenblick, in dem einen Herzschlag, den mein Bewusstsein erfassen kann, zu leben voller Dankbarkeit dafür, hier zu sein und dieses Leben, das mir geschenkt wurde, für dessen Gelingen ich die alleinige Verantwortung trage, zu lieben – mit allem, was dazugehört. Keine unausgesprochene Anklage, kein stummer Groll, kein nagender Zweifel, keine diffuse Angst … einfach nur umfassende Dankbarkeit, bedingungsloses (Ur)Vertrauen, innere Gelassenheit, lebensbejahende Zuversicht, kraftvolle Ruhe – oder in ein Wort gebracht: Liebe.  

In der Liebe zu leben, bedeutet für mich, mit sich selbst im Reinen zu sein, denn nur dann vermag ich wahrhaft bedingungslos zu lieben – ohne gefährdet zu sein, das von mir Geliebte als Kompensation des unerfüllten Bedürfnisses in mir zu verwenden. Vereinfacht gesagt: Meine Liebe zu X soll über meine mangelnde Liebe zu mir selbst hinwegtäuschen. Aber so läuft das nicht. Diese Form der Liebe entwickelt sich rasch zur Sucht (oder Suche), die erfüllen soll, was fehlt – und leider nicht von extern erfüllt werden kann.

Wer lernt, seine Bedürfnisse aus sich selbst heraus zu stillen, kann der Spirale der Bedürftigkeit entwachsen und frei werden, in der Liebe zu leben.

Es wäre so einfach – doch es ist (meine eigene Erfahrung) nicht immer leicht. Für mich war es ein langer, lehrreicher Weg, der weitergeht, jeden einzelnen Tag, der noch vor mir liegt. Am Ende meines letzten Tages möchte ich zurückblicken können auf ein Leben, dass ich in Liebe gelebt habe.  

TIEFERGEHENDE EINBLICKE Vol.1

„Deine Emotionen gehören zu dir und du wirst lernen, damit umzugehen. Sie auszuschalten, nur damit du rational denken kannst, ist keine Option, die ich akzeptiere.“

Dieses Zitat aus Band 3 meiner autobiographischen Roman-Trilogie „JAN/A – Eine [nicht] ganz alltägliche Liebesgeschichte #Borderline“, habe ich vor kurzem in Facebook gepostet. An sich eine taffe Ansage, die für sich selbst stehen könnte, doch ich möchte auch auf die Hintergründe mehr eingehen. Immerhin verdanke ich JAN/A meine Rückkehr in die Umarmung des Lebens (Selbstheilung durch Schreibtherapie).

Vermutlich kommt so etwas nicht alle Tage vor, weshalb es möglicherweise hilfreich für andere sein kann, wenn ich ein wenig über die Hintergründe erzähle. In den kommenden Wochen erwarten euch hier also tiefergehende Einblicke.

Emotionen ausschalten ist nicht ganz zutreffend formuliert, denn – meiner Erfahrung nach – ist das gar nicht möglich, ABER Emotionen lassen sich umfassend unterdrücken, bis sie im Wachzustand nicht mehr spürbar sind. Dennoch brodeln sie unter der Oberfläche weiter. Ich vergleiche diesen Zustand in der Story gerne mit dem „verborgenen Ozean der Gelassenheit“ (also dem, was ich als natürlichen Gefühlszustand eines emotional ausgeglichenen Menschen betrachte). Jener Ozean wird durch unterdrückte Emotionen aufgewühlt, das Gleichgewicht gestört.  

Wie bei einer Sprungfeder, die zusammengedrückt wird, braucht es auch beim Unterdrücken von Emotionen einiges an Energie – insbesondere, um den Zustand zu erhalten (was erklärt, warum es so kräfteraubend ist, etwas zu unterdrücken). Wird die Sprungfeder losgelassen, schnellt sie in ihren Ausgangszustand zurück – ähnlich verhalten sich unterdrückte Emotionen. Gleich einer Pop-up-Figur in einer Schachtel poppen sie auf, sobald das, was sie zurückgehalten hat, schwächer wird oder gänzlich wegfällt. Dafür genügt mitunter ein harmloser Auslöser im Außen.

Ein Beispiel aus meinem Alltag, das sich erst vor wenigen Stunden ereignet hat.

Ich stehe in der Küche, schäle Äpfel für ein Kompott, bin gechillt im sonntäglichen Relax-Modus, im Radio spielt es den Song „Großvater“ von STS und kaum eine Minute später laufen Tränen über mein Gesicht. Die emotionale Stimmung des Songs triggert etwas tief in mir, dass vor beinahe 50 Jahren „unterdrückt“ wurde (nicht freiwillig). Damals war ich fünf oder sechs Jahre alt. Ich erinnere mich an einen Großvater, der eine andere Sprache als ich sprach, bei dem ich mich wohl fühlte, obwohl er merkwürdig roch (Tabak). Eines Tages war er weg und ich bekam mein eigenes Zimmer. Niemand erzählte mir, wohin mein Großvater gegangen war. Von seinem Tod erfuhr ich erst Jahre später, als ich die Inschrift auf dem Grabstein lesen konnte. Die Traumatisierung, die mich in die Dunkelheit warf, geschah rund drei Jahre vor dem Tod meines Großvaters. Ich war also bereits „vorbelastet“. Gut möglich, dass ein Teil von mir damals den Tod intuitiv wahrnahm, aber da mein Umfeld sich so verhielt, als wäre alles in Ordnung, ich sogar noch mein eigenes Zimmer bekam, schob ich das Gefühl der Trauer als unangebracht in mir zur Seite, unterdrückte es, bis ich es nicht mehr wahrnehmen konnte. Auch nicht, als einige Jahre später mein Vater starb, oder nochmal einige Jahre später meine Großmutter. Bis heute kann ich das Gefühl der Trauer nicht dann zulassen, wenn es angebracht wäre. Stattdessen drängt es in einem Moment, in dem alles in bester Ordnung ist, wie aus dem Nichts an die Oberfläche, getriggert durch einen Song im Radio.

Viele Jahre hielt ich mich für „gefühlsbehindert“, weil es neben Trauer noch einige andere (vor allem positive) Gefühle gab, die ich nicht spüren konnte – doch sie waren da, tief in mir. Das Schreiben meiner Geschichten half mir, diese Gefühle wiederzufinden und sie in den passenden Kontext zu setzen, so dass ich die meisten (bis auf Trauer) heute fühlen kann – wenngleich sie mitunter extrem intensiv sein können. Alles im Leben hat zwei Seiten – so auch Borderline: intensive Emotionalität, aber auch dafür gibt es Möglichkeiten. Nicht, um zu dämpfen, sondern um auszugleichen und fühlend in der Balance zu bleiben.

Unterdrückte Gefühle bauen Spannung auf. Das sieht man an Menschen, die sich ärgern, diese Wut runterschlucken und nach außen hin versuchen, ruhig zu bleiben. Manche beißen dabei die Zähne zusammen, bis diese knirschen. Da verspannen sich Nackenmuskel, ballen sich Fäusten, verkrampfen Waden und Mägen, erhöht sich der Blutdruck …

Um eines klarzustellen: ich sage NICHT, dass Wut immer ausgelebt werden soll, aber anstatt sie zu unterdrücken, wäre es klug (und im Hinblick auf die physische und psychische Gesundheit sehr empfehlenswert) zu lernen, die Wut zu transformieren – oder sich einen Kontext zu suchen, in dem die Wut ausgelebt werden kann ohne Schaden anzurichten. Ich persönlich lebe ganz viel meiner intensiven Emotionalität beim Schreiben aus. Aufgrund meiner äußerst lebendigen Vorstellungskraft finden sich vielfältigen Szenarien, in denen die unterschiedlichsten Emotionen Platz finden.

Hierzu eine Anmerkung der Mentaltrainerin in mir: „Unser Unterbewusstsein kann nicht unterscheiden zwischen Vorstellung und Realität. Wer sich also lebhaft vorstellt, etwas zu erlebt, dessen Unterbewusstsein erlebt dies auch.“ Deshalb können Fantasiereisen so entspannend sein, funktionieren Trancen und Aufstellungsarbeiten. Deshalb konnte ich durch das Schreiben von JAN/A all die Blockaden in mir auflösen, die Wunden heilen, aus der Zerrissenheit in die Ganzheit zurückkehren.

Emotionalität gehört zum Menschsein. Unsere Gefühlswelt ist etwas Einzigartiges, vielschichtig, facettenreich, lebendig, mitunter widersprüchlich und manchmal können wir uns ihr ausgeliefert fühlen. Unsere Gefühle sind das, was uns bestimmt, mehr noch als unser Intellekt. Wir fühlen vom ersten Augenblick unseres Lebens an, lange noch, bevor wir eine individuelle Persönlichkeit entwickeln, und wir fühlen auch noch dann, wenn Krankheiten wie Alzheimer oder Demenz unsere geistigen Fähigkeiten einschränken.

Für mich sind jene Menschen wahrhaft stark, die ihre Gefühle zulassen inmitten einer Welt, die oftmals wenig gefühlvoll mit uns umgeht. Menschen, die ihren Verstand (Kopf) nicht über ihre Gefühle (Herz) stellen, sondern beides vereinen – auch wenn dies eine lebenslange Aufgabe sein kann. Menschen, die begriffen haben, dass sie nur dann vollständig (eins) sind, wenn sie all das, was in ihnen ist, annehmen und liebevoll umarmen. Denn nur dadurch beenden sie den Konflikt in sich und können die aus der Tiefe ihres Seins entspringende Harmonie in die Welt hinaustragen.

Genau das war es, was mich letztendlich wieder heil (eins) werden ließ: das Auflösen der Konflikte in mir, das Annehmen all dessen, was ich war – inklusive meiner Gefühle – auch wenn eines davon noch ein kleines Thema mit dem passenden Timing hat, aber das ist in Ordnung und darf sein.

Nobody is perfect 😉

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PERFEKTES TIMING

… oder in anderen Worten etwas ausführlicher formuliert: Das Leben findet stets den richtigen Zeitpunkt.

Als ich nach meiner Woche als „Hüttenwirtin auf Zeit“ ins urbane Umfeld zurückkehrte, erlitt ich einen veritablen „Kulturschock“. All die Menschen, all der Lärm, all die Verkomplizierungen dessen natürlichen Umstandes der Welt (am Leben zu sein) … mehr denn je fühlte ich mich als Alien. Der Gedanke an eine sofortige Rückkehr auf den Berg war sehr verlockend.

Aber ich blieb inmitten des von Menschen gemachten (größtenteils selbstverursachtem) Chaos – und stellte mich dem, was an meine eigene Tür klopfte: eine innere Aufräum- und Entrümpelungsphase. Im Spiegel des Alltags tauchten alte Verhaltens- und Gedankenmuster auf, die es für mich zu hinterfragen und teilweise loszulassen galt.

Beiläufig wurde mir auch bewusst, mich in die eine oder andere Sackgasse verlaufen zu haben – was ich der einen oder anderen Bemerkungen zu verdanken hatte, die ich im Zuge eines Kreativ- und Handwerksmarktes, auf dem ich mit meinem Büchern Ausstellerin war, aufgeschnappt habe. Müßig zu erwähnen, dass die Bemerkungen von Menschen kamen, die keine Ahnung davon hatten, welche Gedanken mich gerade beschäftigten. So ist das mit dem perfekten Timing des Lebens: du bekommst genau das, was du brauchst – es liegt an dir, hinzusehen, hinzuhören, hinzuspüren …

Kurz gesagt: ich war in den vergangenen Wochen mit mir selbst beschäftigt und verspürte keinerlei Drang, meine Gedanken in den sozialen Medien zu teilen. Erst seit ich wieder an meinem Rückzugsort auf über 2.000m Seehöhe angekommen bin, fließen meine Gedanken wieder in geschriebene Worte.

JAN/A Band 3 ist fertig, mein Prozess abgeschlossen – bin ich am Ende des Weges angekommen?

Definitiv Nein, wie sich unmissverständlich gezeigt hat.

Meine innere Aufräum- und Entrümpelungsphase brachte einige Veränderungen, die wohl auch anderen auffallen. „Reden wir Klartext“ hört man nun noch öfter als bisher von mir. Das können dann Worte wie diese sein:

Eine Borderline-Diagnose ist kein „Wimmerl am Hintern“, sprich: unangenehm, aber ansonsten harmlos. Hinter einer Borderline-Diagnose stehen Ursachen, Auslöser, Herausforderungen, Lernaufgaben … eine Borderline-Diagnose ist vieles, nur eines sollte sie nicht sein: eine bequeme Ausrede, um sich dahinter zu verstecken. Wir leben in einer Zeit, in der Wissen und Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um für sich selbst einen Weg zu finden, aus dem in einer Borderline-Diagnose verborgenen Potenzial etwas Lebendiges, Freudvolles, Lebensbejahendes zu machen. Entscheidend ist die Frage:

„Bist du bereit, innerlich den Schmerz der Verletzungen, Kränkungen, Traumatisierungen etc. loszulassen, um frei zu werden, DEIN Leben zu leben?“

Wer an den schmerzvollen Gefühlen festhält, wird weiterhin von den damit verbundenen Ereignissen und Menschen gesteuert, ist also weit entfernt von einem freien Leben.

Oder anders gesagt:

„Lebst du in der Angst oder in der Liebe?“

Beides zeitgleich geht nicht. Du musst dich entscheiden.

Der perfekte Zeitpunkt dafür ist genau JETZT.

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EIN LACHENDES UND EIN WEINENDES AUGE

… waren es, die mich gestern begleitet habe – und die (neuerliche) Erkenntnis, dass alles im Leben einen tieferen Sinn hat, der sich oft erst spät offenbart.

Begonnen hat es damit, dass ich mich für ehrenamtliche Einsätze als Hüttenwirtin gemeldet hatte. Gestern fand die „Einschulung“ vor Ort statt. Aufgrund der Bahnverbindungen reiste ich bereits am Vortag an, übernachtete im Tal und spazierte früh morgens gemütlich zum Treffpunkt bei der Talstation der (noch geschlossenen Bergbahn). Gleich daneben befindet sich ein Hotel, dessen Name mir irgendwie bekannt vorkam von dem Moment an, als ich die erste Info erhielt.

Allmählich dämmerte es mir, ich zählte 1 und 1 zusammen … Hotel mit diesem Namen + Talstation = ich hatte hier vor einigen Jahren mit meinem damaligen Partner einen Skiurlaub verbracht… und kaum noch eine Erinnerung daran. Nichts hatte einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Ganz anderes als gestern. Die überwältigende Bergkulisse mit den noch weißen Gipfeln, das Grün im Tal mit den bunten blühenden Tupfern, die vereinzelten Wolken, das zwitschern der Vögel, das Rauschen des Windes, die lebendige Landluft 😉 … oafoch nua schee (einfach nur schön). Ich fand mich im Gefühl der „Umarmung des Lebens“ wieder, erfüllt von Dankbarkeit, Zufriedenheit, Gelassenheit, Geborgenheit, mit mir selbst im Reinen – gestern.

Vor ein paar Jahren konnte ich all das nicht fühlen, nicht die Schönheit der Landschaft um mich herum wahrnehmen. Es zog an mir vorüber. Ich erlebte die Welt wie durch einen emotionsdämpfenden Nebel. Ich war da – und auch nicht. Ständig darauf fokussiert, das zu tun, was ich dachte, das andere von mir erwarteten. Keinen Fehler zu machen. „Normal“ zu sein. Perfekt zu Funktionieren. Das Erleben des Augenblicks musste dem Kontrollwahnsinn weichen. Nur kein falsches Wort, keine zeitverzögerte Antwort, keine unpassende Handlung. Meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche? Unwichtig! Erwartungshaltungen erfüllen war wichtiger. Mein Denken war ständig auf 120% unterwegs, für Fühlen blieb keine Zeit.

Gestern stand ich am Fuß jenes Berges, auf dem ich im Sommer einige Zeit als Hüttenwirtin dabei helfen werden, ein cooles, auf Eigenverantwortung und Gemeinschaftssinn basierendes Konzept der Bewirtschaftung umzusetzen – und ich fühlte, dass es gut werden wird. Spürte die positive Stimmung zwischen den Menschen, die an diesem Tag zum ersten Mal aufeinandertrafen und sich auf Anhieb in den Dienst der Sache stellten. Kein Ego, das in den Vordergrund drängte, stattdessen die Bereitschaft, gemeinsam zu tun. Einer der viel zu seltenen Momente, in denen Menschen einfach Menschen sind, ohne mehr sein zu wollen.

Mein weinendes Auge blickte zurück in die Vergangenheit auf all das, was ich nicht zuließ zu fühlen. Mein lachendes Auge blickte in die Runde und freute sich auf das Kommende.

Die eigenen Gefühle „auf Mute zu schalten“ um rein aus dem Kopf heraus zu leben, Empfindungen zu konstruieren und sich einzureden, etwas zu fühlen, das war mein „Kerker“, dem ich erst vor wenigen Jahren entronnen bin. Echte Gefühle empfand ich nur, wenn ich allein war. Schutz vor Verletzung? Ja, aber gleichzeitig mit meiner „Unangreifbarkeit“ wurde ich auch „nicht mehr greifbar“ für andere. Unverständlich. Anders. Suspekt. Dies war meine selbstgewählte emotionale Isolation. Was auf den ersten Blick gar nicht so schlimm anmuten mag (emotionale Unberührbarkeit), bedenkt man die Rücksichtslosigkeit, mit der man heutzutage leider allzu oft konfrontiert wird, ist in Wahrheit ein Gefängnis, dem zu viele nur auf eine, finale Weise entrinnen können.

Da ist es wieder, das traurige Auge, das sich wünscht, meine Worte würden all jene erreichen, die sich vor der Welt in den „sicheren“ emotionalen Kerker flüchten und könnten ihnen vermitteln, das es einen Ausweg gibt, der zurück in die Umarmung des Lebens führt und sie eben jenes auf eine Weise spüren lässt, von der sie möglicherweise geträumt haben, aber sie nicht für umsetzbar hielten… und dann rückt mein lachendes Auge in den Vordergrund, das voller Hoffnung nach vorne blickt und sieht, das DU in diesem Augenblick diese Zeilen liest, meine Worte ihren Weg zu DIR gefunden haben. Und wer weiß, vielleicht öffnen sie für DICH eine Tür zurück in die Umarmung des Lebens. Das wünsche ich DIR von ganzem Herzen.

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SCHNELL (AUS)GETRÄUMT

Manchmal kann ich nur den Kopf schütteln bei dem, was mir so im Netz begegnet. Von „mach das und du bist morgen 3 Kilo leichter“ über „10.000 Top-Kunden im Handumdrehen“ bis hin zu „lass das Universum für dich arbeiten“ … jede Menge Versprechen.

Ein Traum?

Zugegeben, in der Vergangenheit bin ich selbst einigen dieser Pfade gefolgt, habe groß geträumt, und bin verkatert aufgewacht.

Über Nacht, im Handumdrehen oder das Universum für mich arbeiten lassen, hat mich nicht dorthin gebracht, wo ich heute bin. Frei und selbstbestimmt, mit einigen wenigen Altlasten in meinem Rucksack, die kaum noch spürbar sind.

Auch ich träumte einst davon, mich von all den Steinen in meinem Rucksack, möglichst rasch zu befreien. Ein Wundermittel, ein Zauberspruch, ein machtvolles Wesen … verlockende Träume, die ich einen nach dem anderen aufgab.

Ausgeträumt.

Mit mir selbst ins Reine zu kommen, traumatischer Erlebnisse und die daraus resultierenden Blockaden auflösen, innere Konflikte und Zerrissenheit in Harmonie zu verwandeln, im Gleichgewicht verweilen trotz der Stürme des Lebens, oder einfach nur Gewohnheiten wie mehr Sport, weniger Naschen etc. verändern … das erfordert konsequente Arbeit an sich selbst. Arbeit, die einem niemand abnehmen kann, weder ein anderer Mensch noch ein magisches Wundermittel. In meinem Fall waren es über 3 Jahrzehnte Arbeit um die zu werden, die ich heute bin.  

Wie schon Meister Yoda uns lehrte: „Die Dunkelheit ist nicht stärker, sie ist schneller, verlockender“. Der Weg des Lichtes, der Bewusstheit, gleicht einem Ultra-Marathon ohne Ziellinie. Der Weg ist das Ziel. Abkürzungen führen häufig in dunkle Sackgassen, aus denen man nur mühsam wieder rausfindet.

Ja, wenn man mitten in der Scheiße steckt, möchte man am liebsten schnell raus, und alles hinter sich lassen. Eine gewisse Anfälligkeit für verlockende Träume ist da nur allzu menschlich, aber so einfach läuft es nun mal nicht. Nachhaltige Veränderungen geschieht nicht über Nacht und auch nicht von selbst. Aber wer nimmt sich heute noch Zeit?

Wenn ich mich umsehe, ist vieles sehr schnelllebig geworden. Pläne für 1 Jahr? Oder 5 Jahre?

Als ich mich 2017 auf die Reise zu mir selbst machte, spürte ich intuitiv, dass ich mindestens 3 Jahre dafür brauchen werde. Als meine Beziehung nach 24 Jahren in die Brüche ging, war klar, dass ich mindestens 24 Monate zum Verarbeiten rechnen darf. Natürlich wäre es toll gewesen, beides schneller zu durchleben, aber auch unrealistisch. Eine Träumerei, die nicht in der realen Welt bestehen kann.

Unordnung in einem aufgeräumten Haus zu schaffen, geht ziemlich schnell, aber die Ordnung wieder herzustellen dauert seine Zeit. Wenige Augenblicke genügen, um einen Menschen zu traumatisieren. Es braucht mitunter Jahrzehnte, um diese Erschütterung des seelischen Gleichgewichts zu überwinden.

Heilung braucht Zeit.

Vertrauen ins Leben und sich selbst aufzubauen, braucht Zeit.

Die (zutiefst menschlichen) Bedürfnisse nach Ausgleich, Rache, Vergeltung und dergleichen hinter sich zu lassen, braucht Zeit.

Die eigenen Schwächen und Fehlbarkeiten mit Humor und einem liebevollen Lächeln annehmen zu können, braucht Zeit.

Das Ego zu zähmen und sich selbst nicht mehr so wichtig zu nehmen, braucht Zeit.

Sich der Vergangenheit bewusst zu sein, daraus zu lernen, nach vorne zu blicken und aus dem Kommenden das Bestmögliche zu machen, braucht Zeit.

Wir werden als Menschen geboren, doch zu begreifen, was das wirklich bedeutet, braucht Zeit.

Wenn mir heute jemand verspricht, dass etwas „ganz schnell“ geht, werde ich skeptisch. Vor allem in Bezug auf Selbstfindung, Auflösungsarbeit, Therapie etc.

Zeit (die es genau genommen nur in unserem Bewusstsein existiert – im Gegensatz zu den vier Grundkräften der Physik) ist es, die Erdbeeren und Wein reifen lässt – und den Menschen, wenn dieser es zulässt und seinem (nur allzu menschlichen Wunsch) nach schnellen, einfachen, oberflächlichen Lösungen widersteht, sich stattdessen darauf einlässt, dass die Dinge ihre Zeit brauchen um letztendlich gut (im Sinne von heil) zu werden.

Lebe, und sei dir bewusst, dass du lebst.

Träume, und sei dir bewusst, dass du träumst.

Lerne zu unterscheiden zwischen Traum und Wirklichkeit.

Lass die Zeit dein Verbündeter sein.

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1 zu 10

In der vergangenen Woche ist ein Thema mehrfach in meinem Leben aufgetaucht. Unterschiedliche Situationen, aber ein gemeinsamer Kern, den ich als „Erfahrungskonto“ bezeichne. Vereinfacht gesagt, sammeln sich auf diesem Erfahrungskonto Erlebnisse der Kategorien „schmerzvoll“ ebenso wie „liebevoll“ an. Diese Erfahrungen prägen das innere Bild eines Menschen, seine Haltung, Einstellungen, Glaubenssätze, … einfach alles, bis hin zur Gesundheit.

Meine weise Nachbarin Lucy sagte einst zu mir:

„Um den Impact einer negativen Erfahrung in dir auszugleichen, brauchst du 10 positive Erfahrungen.“

Daraus habe ich für mich abgeleitet:

Für jeden schmerzvollen Moment in meinem Leben braucht es 10 liebevolle, um die Wunden zu heilen, zu lernen, zu wachsen, neu Vertrauen zu fassen und zurück in eine positive Grundhaltung zu finden … zurück in die Umarmung des Lebens.

Eigentlich eine ziemlich einfache Sache: steigere die Anzahl der liebevollen Momente in deinem Leben und mit der Zeit wird das Schmerzvolle quantitativ abnehmen, irgendwann nur noch eine Randerscheinung sein.

Eigentlich aber auch eine ziemlich herausfordernde Angelegenheit: zu erkennen und zu akzeptieren, dass liebevolle Momente (und Gedanken) zur Selbstheilung (von Körper, Geist und Seele) beitragen können, ist nur der erste Schritt. An der Umsetzung – vor allem der emotionalen – hängt der Erfolg. Liebevolles Denken und Fühlen zur alltäglichen Routine werden zu lassen, um gelebte Momente auf seinem Erfahrungskonto zu verbuchen.

Viele Jahre steckte ich in der Verstandesschiene fest. Positive Gedanken zu formulieren war einfach, doch die Gefühle dahinter waren häufig Unsicherheit, Furcht, Zweifel. Irgendwann lernte ich, positive Gedanken so intensiv zu rezitieren, dass sie in die emotionale Ebene hinein zu wirken begannen, aber es war immer noch kopfgesteuert. Erst vor einigen Jahren begann ich, zuerst das Gefühl zuzulassen, aus dem sich danach Gedanken formten. Alle meine Geschichten und Gedichte entstehen auf diese Weise.

Es beginnt stets im Gefühl.

Negativen Ereignissen oder Worten auszuweichen ist im Alltag nahezu unmöglich. Doch ich kann die Wirkung, die sie auf mich haben, minimieren, indem ich sie einerseits relativiere, und andererseits für reichlich Gegengewicht in Form liebevoller Gedanken und Gefühle sorge.

Liebevolle Gefühle und Gedanken wirken auf mich und über mich hinaus auf andere Menschen, mein Umfeld.

Selbstheilung ist für mich ein aktiver, lebenslanger Prozess nach der Formel „1 zu 10“. Um den Zustand des Seelenfriedens inmitten einer Welt voller Konflikte und Disharmonien zu erhalten, braucht es mein Zutun. Lasse ich mich treiben, wird mich der Strudel des Mainstreams verschlingen und in seinen emotionalen Untiefen aus Zweifel, Mangeldenken, Ausgeliefertsein den Umständen … ziehen. Will ich mir meine Insel der Lebensfreude, Zuversicht und Gelassenheit bewahren, so schwimmt diese auf liebevollen Gedanken und Gefühlen.

Die Realität rundum ist, wie sie ist. Selten durch mich zu verändern. Doch es gibt in meinem Leben Menschen, an die ich jederzeit einen aus einem liebevollen Gefühl geborenen Gedanken richten kann. Je öfter ich dies tue, desto mehr heile ich mich selbst.

Wer selbstlos gibt, lässt los – ersetzt das Schmerzvolle durch das Liebevolle.

Ein aus einem liebevollen Gefühl geborener Gedanke ist wie ein Sonnenstrahl, der nach einer dunklen Nacht die Nebel der Ungewissheit vertriebt und dem Leben neue Farben und Zuversicht schenkt.

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