… gehören meiner Meinung nach unbedingt zusammen. Wie sehr, werde ich heute kurz erläutern.
Von Stephen Hawking stammt die Aussage: „Intelligence is the ability to adept to change“ (Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen. Wie breit der Interpretationsspielraum dieser Aussage reicht, haben mich zwei Ereignisse der vergangenen Tage erkennen lassen.
Im Zug von Salzburg nach Wien, in der Ruhezone (!) eines beinahe leeren Waggons, lauschte ich via Kopfhörer meiner bevorzugten Entspannungsmusik, während ich ein wenig an meinem Skript arbeiten wollte. Die Betonung liegt auf „wollte“, denn zwei ältere Damen ließen sich samt ihrer angeregten Unterhaltung auf den Plätzen jenseits des schmalen Ganges nieder. Offenbar vermissten sie etwas, denn eine der Beiden begann, ihre voluminöse Handtasche zu leeren und jeden entnommenen Gegenstand umfassend zu kommentieren – lautstark. Nach ungefähr 5 Minuten wagte ich die geflüsterte Frage, ob sie sich bewusst wären, sich in der Ruhezone (!) zu befinden. Da sich auf jedem Sitz im Kopfbereich ein grünes Deckchen mit entsprechender Aufschrift in mehreren Sprachen inklusive Symbolik befand, eine Tatsache, die kaum zu übersehen war. Meine Frage wurde jedoch nicht wahrgenommen, weshalb ich sie erneut stellte. Ohne Ergebnis. Meine dritte Frage wurde gehört und löste augenblicklich einen Sturm der Empörung aus, was ich mir einbilden würde, sie zu belehren, sie wären 80 Jahre alt und überhaupt, ich hätte ohnehin Kopfhörer. Leider nicht geräuschunterdrückende, sondern handliche 08/15-In-ear-Stöpsel. Meine nüchterne Feststellung, dass ich die Musik (Kategorie: Entspannung) gar nicht so laut stellen könne, um die Unterhaltung nicht zu hören, ging in der mittlerweile deftigen Schimpftirade, die auf mich einprasselte, unter. Immerhin erhielt ich ein Daumen-hoch von zwei älteren Herren, die eine Reihe weiter saßen. Nach minutenlagen Beschimpfungen zogen die älteren Damen einen Wagon weiter, raus aus der Ruhezone, wohin auch immer.
Wie war das nochmal: Intelligenz ist die Fähigkeit, sich anzupassen …
Gestern lag ich im Außenbereich einer Therme, genoss ein wenig die Sonne, als ein älterer Herr einen Liegestuhl von dessen bisherigem Standort entfernte und just vor die – deutlich gekennzeichnete – Fluchttüre platziere, um sich darauf niederzulassen. Wagte ich einen Hinweis? Selbstverständlich nicht. Auf neuerliche Beschimpfungen konnte ich verzichten. Da ich ohnehin bereits aufbrechen wollte, packte ich meinen Kram zusammen, ging zur Bademeisterin und informierte diese über das menschliche Hindernis im Fluchtweg.
Intelligenz ist die Fähigkeit, sich anzupassen. In diesem Fall, die Regel „hdP“ umzusetzen und sich dadurch unerfreuliche Beschimpfungen dafür zu ersparen, offensichtlich uninformierte Menschen an die geltenden Spielregeln zu erinnern. Eine Missachtung derselben könnte man – frei interpretiert – als Anti-Intelligenz oder schrumpfende Intelligenz betrachten. Oder als Rücksichtlosigkeit. Ignoranz passt auch. Aber eigentlich geht es mir nicht darum zu ergründen, weshalb manche Menschen Regeln ignorieren bis hin zur fahrlässigen Gefährdung anderer, und sich auch noch darüber aufregen, wenn man sie darauf hinweist. Mir geht es um „hdP“.
„hdP“ steht für „hoid dei Pappn“. Aus dem Wienerischen übersetzt heißt es dann „halt deinen Mund.“
Es gibt Situationen im Leben, in denen es angebracht ist, nichts zu sagen, auch wenn man im Recht ist. Oder jene etwas sagen zu lassen, in deren Zuständigkeit (Bademeisterin) es fällt. Auch wenn es einem auf der Zunge liegt, es förmlich „juckt“, die klarstellenden Worte zu sprechen, manchmal ist „hdP“ die klügere Option, weil intelligent. Anpassung an den Wandel, der auch die – aus meiner Beobachtung – wachsenden Anzahl an ignoranten Menschen im öffentlichen Raum einschließt. Wenn Hausverstand und Rücksicht im urbanen Raum auf dem Rückzug sind, nützt es häufig nichts, seine Stimme zu erheben. Es gilt das Recht des Stärkeren – oder Lauteren.
Intelligenz ist die Fähigkeit der Anpassung an den Wandel.
Zwischen den beiden Ereignissen stand ich abends auf dem Heimweg in der Bahn, die überfüllt war, blickte von einem Ende des Wagens bis zum Anfang. Auf den meisten Sitzen saßen Jugendliche, Teenager beschäftigt mit ihren Handys. Im Gang standen etliche wesentlich ältere Menschen, manche wirkten gebrechlich. Niemand kam auf die Idee, aufzustehen und Platz zu machen. Niemand kam auf die Idee, nach einem Platz zu fragen.
Anpassung an den Wandel der Gesellschaft weg von Rücksichtnahme, hin zur Rücksichtlosigkeit?
Für mich kein Zeichen von Intelligenz – ganz im Gegenteil. Wer in so einer Gesellschaft nicht verzweifeln will, braucht eine Menge Humor, sehr schwarzen Humor, um den bitteren Beigeschmack des Wandels zu überdecken.
Für mich ist Intelligenz auch die Fähigkeit, unter der Oberfläche humorvoller Anekdoten die alarmierenden Zeichen einer Entwicklung zu sehen, die nicht dem wertschätzenden Miteinander dient, nicht die Lebensfreude mehrt, kein Lächeln ins Gesicht zaubert, kein gutes Gefühl vermittelt, sondern Bedauern und Besorgnis erweckt. Für mich ist Intelligenz das Gegenteil von Ignoranz.
Möglicherweise hatte Mr. Hawking, der ein sehr humorvoller Mensch war, auch eine humorvolle Note in sein Zitat gepackt. Die meisten Organismen auf diesem Planeten passen sich seit Jahrmillionen laufend an die Veränderungen ihrer Lebensumwelten sind, sind also per Definition intelligent. Betrachtet man die häufig auftreten Schwerfälligkeit des Menschen im Umgang mit (notwendigen) Veränderungen, liegt es auf der Zunge, die Intelligenz der Menschheit in Frage zu stellen, die ihre Lebensumwelt wieder besseren Wissens zerstört, Kriege führt, toxische Stoffe konsumiert … (Aufzählung bitte beliebig fortführen). Manchmal habe ich den Eindruck, eine Art von Schwarzem Loch würde die Intelligenz aufsaugen. Anders kann ich es mir schlichtweg nicht mehr erklären, warum bei all dem Wissen und all den klugen Köpfen auf diesem Planeten, die wirklich essentiellen Probleme noch immer nicht gelöst sind.
Vielleicht sollte ich mich öfters an die „hdP“-Regel halten, aber es fällt mir verdammt schwer zu ignorieren, was ich Tag für Tag rund um mich wahrnehme. An diesen Wandel will ich mich nicht anpassen. Lieber füge ich den Worten des von mir hoch geschätzten Stephen Hawking noch ein paar von mir hinzu: „Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen … und selbst zu entscheiden, in welche Richtung ich mich entwickeln will“.
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