INTELLIGENZ UND HUMOR

… gehören meiner Meinung nach unbedingt zusammen. Wie sehr, werde ich heute kurz erläutern.

Von Stephen Hawking stammt die Aussage: „Intelligence is the ability to adept to change“ (Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen. Wie breit der Interpretationsspielraum dieser Aussage reicht, haben mich zwei Ereignisse der vergangenen Tage erkennen lassen.

Im Zug von Salzburg nach Wien, in der Ruhezone (!) eines beinahe leeren Waggons, lauschte ich via Kopfhörer meiner bevorzugten Entspannungsmusik, während ich ein wenig an meinem Skript arbeiten wollte. Die Betonung liegt auf „wollte“, denn zwei ältere Damen ließen sich samt ihrer angeregten Unterhaltung auf den Plätzen jenseits des schmalen Ganges nieder. Offenbar vermissten sie etwas, denn eine der Beiden begann, ihre voluminöse Handtasche zu leeren und jeden entnommenen Gegenstand umfassend zu kommentieren – lautstark. Nach ungefähr 5 Minuten wagte ich die geflüsterte Frage, ob sie sich bewusst wären, sich in der Ruhezone (!) zu befinden. Da sich auf jedem Sitz im Kopfbereich ein grünes Deckchen mit entsprechender Aufschrift in mehreren Sprachen inklusive Symbolik befand, eine Tatsache, die kaum zu übersehen war. Meine Frage wurde jedoch nicht wahrgenommen, weshalb ich sie erneut stellte. Ohne Ergebnis. Meine dritte Frage wurde gehört und löste augenblicklich einen Sturm der Empörung aus, was ich mir einbilden würde, sie zu belehren, sie wären 80 Jahre alt und überhaupt, ich hätte ohnehin Kopfhörer. Leider nicht geräuschunterdrückende, sondern handliche 08/15-In-ear-Stöpsel. Meine nüchterne Feststellung, dass ich die Musik (Kategorie: Entspannung) gar nicht so laut stellen könne, um die Unterhaltung nicht zu hören, ging in der mittlerweile deftigen Schimpftirade, die auf mich einprasselte, unter. Immerhin erhielt ich ein Daumen-hoch von zwei älteren Herren, die eine Reihe weiter saßen. Nach minutenlagen Beschimpfungen zogen die älteren Damen einen Wagon weiter, raus aus der Ruhezone, wohin auch immer.  

Wie war das nochmal: Intelligenz ist die Fähigkeit, sich anzupassen …

Gestern lag ich im Außenbereich einer Therme, genoss ein wenig die Sonne, als ein älterer Herr einen Liegestuhl von dessen bisherigem Standort entfernte und just vor die – deutlich gekennzeichnete – Fluchttüre platziere, um sich darauf niederzulassen. Wagte ich einen Hinweis? Selbstverständlich nicht. Auf neuerliche Beschimpfungen konnte ich verzichten. Da ich ohnehin bereits aufbrechen wollte, packte ich meinen Kram zusammen, ging zur Bademeisterin und informierte diese über das menschliche Hindernis im Fluchtweg.

Intelligenz ist die Fähigkeit, sich anzupassen. In diesem Fall, die Regel „hdP“ umzusetzen und sich dadurch unerfreuliche Beschimpfungen dafür zu ersparen, offensichtlich uninformierte Menschen an die geltenden Spielregeln zu erinnern. Eine Missachtung derselben könnte man – frei interpretiert – als Anti-Intelligenz oder schrumpfende Intelligenz betrachten. Oder als Rücksichtlosigkeit. Ignoranz passt auch. Aber eigentlich geht es mir nicht darum zu ergründen, weshalb manche Menschen Regeln ignorieren bis hin zur fahrlässigen Gefährdung anderer, und sich auch noch darüber aufregen, wenn man sie darauf hinweist. Mir geht es um „hdP“.

„hdP“ steht für „hoid dei Pappn“. Aus dem Wienerischen übersetzt heißt es dann „halt deinen Mund.“

Es gibt Situationen im Leben, in denen es angebracht ist, nichts zu sagen, auch wenn man im Recht ist. Oder jene etwas sagen zu lassen, in deren Zuständigkeit (Bademeisterin) es fällt. Auch wenn es einem auf der Zunge liegt, es förmlich „juckt“, die klarstellenden Worte zu sprechen, manchmal ist „hdP“ die klügere Option, weil intelligent. Anpassung an den Wandel, der auch die – aus meiner Beobachtung – wachsenden Anzahl an ignoranten Menschen im öffentlichen Raum einschließt. Wenn Hausverstand und Rücksicht im urbanen Raum auf dem Rückzug sind, nützt es häufig nichts, seine Stimme zu erheben. Es gilt das Recht des Stärkeren – oder Lauteren.

Intelligenz ist die Fähigkeit der Anpassung an den Wandel.

Zwischen den beiden Ereignissen stand ich abends auf dem Heimweg in der Bahn, die überfüllt war, blickte von einem Ende des Wagens bis zum Anfang. Auf den meisten Sitzen saßen Jugendliche, Teenager beschäftigt mit ihren Handys. Im Gang standen etliche wesentlich ältere Menschen, manche wirkten gebrechlich. Niemand kam auf die Idee, aufzustehen und Platz zu machen. Niemand kam auf die Idee, nach einem Platz zu fragen.

Anpassung an den Wandel der Gesellschaft weg von Rücksichtnahme, hin zur Rücksichtlosigkeit?

Für mich kein Zeichen von Intelligenz – ganz im Gegenteil. Wer in so einer Gesellschaft nicht verzweifeln will, braucht eine Menge Humor, sehr schwarzen Humor, um den bitteren Beigeschmack des Wandels zu überdecken.

Für mich ist Intelligenz auch die Fähigkeit, unter der Oberfläche humorvoller Anekdoten die alarmierenden Zeichen einer Entwicklung zu sehen, die nicht dem wertschätzenden Miteinander dient, nicht die Lebensfreude mehrt, kein Lächeln ins Gesicht zaubert, kein gutes Gefühl vermittelt, sondern Bedauern und Besorgnis erweckt. Für mich ist Intelligenz das Gegenteil von Ignoranz.

Möglicherweise hatte Mr. Hawking, der ein sehr humorvoller Mensch war, auch eine humorvolle Note in sein Zitat gepackt. Die meisten Organismen auf diesem Planeten passen sich seit Jahrmillionen laufend an die Veränderungen ihrer Lebensumwelten sind, sind also per Definition intelligent. Betrachtet man die häufig auftreten Schwerfälligkeit des Menschen im Umgang mit (notwendigen) Veränderungen, liegt es auf der Zunge, die Intelligenz der Menschheit in Frage zu stellen, die ihre Lebensumwelt wieder besseren Wissens zerstört, Kriege führt, toxische Stoffe konsumiert … (Aufzählung bitte beliebig fortführen). Manchmal habe ich den Eindruck, eine Art von Schwarzem Loch würde die Intelligenz aufsaugen. Anders kann ich es mir schlichtweg nicht mehr erklären, warum bei all dem Wissen und all den klugen Köpfen auf diesem Planeten, die wirklich essentiellen Probleme noch immer nicht gelöst sind.

Vielleicht sollte ich mich öfters an die „hdP“-Regel halten, aber es fällt mir verdammt schwer zu ignorieren, was ich Tag für Tag rund um mich wahrnehme. An diesen Wandel will ich mich nicht anpassen. Lieber füge ich den Worten des von mir hoch geschätzten Stephen Hawking noch ein paar von mir hinzu: „Intelligenz ist die Fähigkeit, sich dem Wandel anzupassen … und selbst zu entscheiden, in welche Richtung ich mich entwickeln will“.

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LIEBE BIS ZUM SCHLUSS

Dies ist eine wahre Begebenheit, die ich etwas zeitverzögert erzähle. Sie hat sich am vergangenen Wochenende zugetragen, aber sie berührt mich bis heute und wird das vermutlich noch lange tun.

Auf dem Weg zu meinem ersten Einsatz als ehrenamtliche Hüttenwirtin traf ich am heimatlichen Bahnsteig einen älteren Mann mit Rucksack, der offensichtlich ebenfalls eine Wandertour geplant hatte. Es stellte sich rasch heraus, dass wir dasselbe Ziel ansteuerten und er noch ein Quartier für die kommende Nacht suchte. Er entschied kurzerhand, in meiner Hütte zu nächtigen.

Da es sich um eine Liebesgeschichte handelt, nenne ich den älteren Mann hier einfach Romeo.

Romeo und ich trafen uns jeweils zum Umsteigen an den Bahnhöfen. Dazwischen hatten wir Reservierungen in unterschiedlichen Wagons. Am Ziel angekommen trennten sich unsere Wege – vorerst – dann sie kreuzten sich auf den Wanderwegen erneut. Letztendlich landeten wir bei in einer geselligen Runde in der Hütte eines Nachbarn bei ein paar Schnapserl, es wurde viel geredet und die Stunden vergingen wie im Flug.

Das für mich faszinierende und nachhaltig beeindruckende: Romeo wird im kommenden Jänner 91 Jahre alt. Er bewegt sich langsam, aber sicher da oben am Berg. Seine Julia ist ein paar Jahre jünger als er. Leider spielen ihre Beine nicht mehr mit, weshalb er einmal pro Woche allein in seine geliebten Berge fährt. Die restliche Zeit verbringt er mit Julia. Romeo telefoniert auch mehrmals pro Tag mit Julia wenn er unterwegs ist, erzählt ihr alles, was er erlebt, wen er getroffen hat, was er gegessen hat … er lässt sie teilhaben an dem, was ihr anders nicht möglich wäre. Wenn Romeo mit Julia spricht, spürt man die tiefe Zuneigung in seiner Stimme, die innige Verbundenheit. Da kommunizieren zwei Menschen liebevoll miteinander, die zusammengewachsen sind im Laufe eines langen gemeinsamen Lebens, das sicherlich nicht immer leicht war, dennoch gingen sie ihren Weg gemeinsam, auch auf ihren Wanderungen. Nun geht Romeo und trägt seine Julia dabei im Herzen.

Es war für mich, die in einem Elternhaus frei von gelebter Zuneigung aufgewachsen ist, unbeschreiblich berührend, erleben zu dürfen, dass zwei Menschen in Liebe gemeinsam alt geworden sind. Romeo und Julia leben nicht nebeneinander, sondern miteinander und füreinander.

Für mich sind Romeo und Julia ein Vorbild für das, was eine Partnerschaft sein sollte. Bislang hielt ich meine diesbezügliche Vorstellung für eine romantische Fantasie, hoffnungsvoll, doch wenig realistisch. Romeo und Julia sind für mich der Beweis, dass es möglich ist.

Die Begegnung mit diesen besonderen Menschen – direkt und indirekt – gehört zu den prägenden Momenten meines Lebens. Augenblicke, die wenig spektakulär waren, die man dennoch nie vergisst, weil sie intensive Emotionen wachrufen: Dankbarkeit, Zuversicht, Hoffnung, Liebe.

Von ganzem Herzen wünsche ich Romeo und Julia noch viele gemeinsame Jahre – und wenn das Unausweichliche kommt, dann möge das Schicksal gnädig sein und sie so gehen lassen, wie sie gelebt haben – gemeinsam.  

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3 JAHRE LEBENSLEHRZEIT

Vor exakt 3 Jahren ließ ich das Leben, das ich ein Vierteljahrhundert geführt hatte, hinter mir (nicht aus freien Stücken) um neu zu beginnen … und ich hatte keine Ahnung, wohin die Reise gehen würde. Ich wusste nur: ich musste weg – es sollte MEIN Leben werden. Ich wollte endlich die Fremdbestimmung hinter mir lassen, das ewige Orientieren an dem, was andere wollen, das Vernachlässigen meiner eigenen Wünsche und Vorstellungen.

Heute, 3 Jahre später, tippe ich diese Zeilen auf der Terrasse des Anton-Proksch-Haus in Werfenweng auf fast 1.600 m Seehöhe, als ehrenamtliche Hüttenwirtin auf Zeit (sprich noch bis Sonntag). Vor 3 Jahren wäre mir nicht im Traum eingefallen, dies ich einmal so meine Freizeit verbringen würde.

Wenn ich heute zurückblicke, scheinen diese 3 Jahre eine Ewigkeit zu beinhalten, einen Weg unzähliger kleiner Veränderungen, die mich zu der machten, die ich heute bin – und die manchmal kopfschüttelnd auf jene blickt, die ich damals war. Ich war ICH, aber gefangen in vielem, das nicht ICH war.

Vor 3 Jahren musste dies oder jenes passieren, brauchte ich dieses oder jenes, um mich (vorübergehend) gut zu fühlen. Oder besser gesagt: etwas im Außen fühlte die gähnende Lücke in mir. Ich war weit entfernt von mir selbst.

Heute genieße ich den Augenblick, das Hier und Jetzt, erfreue mich an dem was ich habe (viel weniger als früher), ohne es zu brauchen. Kein unnötiger Ballast beschwert mein Leben. Ich fühle die Fülle an Liebe, Lebensfreude und Lebendigkeit in mir, egal, was rundum ist. Und wenn ich – so wie gestern Abend – auf dieser Terrasse sitzen darf und die Sonne hinter den Berggipfeln versinkt, der Himmel zu einem Meer der Farben wird, bin ich einfach im Moment präsent, fühle die Magie des Augenblicks und unendliche Dankbarkeit dafür, dass mein Weg mich hierher geführt hat, denn es hätte auch anders kommen können.

In der vergangenen 3 Jahren wurde mir mehrfach bewusst, dass es in meinem Leben etliche Situationen gab, in denen ich anders abbiegen, den Kurs der Suche nach mir selbst verlassen und mich im Labyrinth der Opferrolle verlieren hätte können. Zum Glück blieb es beim Konjunktiv.

Das Leben hat mir nichts geschenkt, aber Chancen angeboten. Durch die Lektionen konnte ich mich nicht durchmogeln oder sie jemand anderes umhängen. Zu manchen Prüfungen trat ich mehrfach an, bis ich sie gemeistert hatte. All das brauchte seine Zeit. Was sind 3 Jahre im Vergleich zu vielleicht noch 30 Jahren im Zustand des „nicht bei mir selbst angekommen“?

Vor 3 Jahren verließ ich einen goldenen Käfig. Heute lebe ich ein freies, unabhängiges, abwechslungsreiches, wunderbares Leben, in dem ich voll und ganz ICH sein kann. Vielleicht können nicht alle Menschen mit mir, vielleicht bin ich für manche ein Spiegel, der sie daran erinnert, was sie selbst unterdrücken, vielleicht halten mich manche für durchgeknallt oder abgehoben. Aber ich glaube, dass mich auch viele beneiden, weil sie – bewusst oder unbewusst – die Kraft spüren, die ich ausstrahle. Das ist ein Nebeneffekt, wenn man mit sich selbst im Reinen ist. Wer keine Kraft mehr darauf verschwendet, das Drama in sich (Konflikte, Probleme, …) aufrecht zu erhalten und dadurch ständig in der Vergangenheit zu leben, hat diese Kraft voll und ganz in der Gegenwart zur Verfügung. Keine mit Mentaltechniken hochgepuschte Ego-Stärke, sondern eine, die einfach echt ist. In unserer Sprache fehlt das passende Wort dafür. Charisma trifft es noch am ehesten.

3 Jahre … zu Beginn war ich voller Unsicherheit, Zweifel … und Glaubenssätzen, die andere mir eingeimpft hatten. Doch ohne den Absturz hätte ich vielleicht nie gelernt, tatsächlich auf eigenen Füßen zu stehen, ohne Absicherung durch andere.

ICH kann allein überleben – und noch dazu gut leben, genauso leben, wie ich es möchte. Ein befreiendes Manifest.

Faszinierend für mich dabei ist, dass ich genau jetzt, 3 Jahre nach dem Crash, kurz davor bin, den 3. Teil von JAN/A fertigzustellen. Als ich 2017 mit der Arbeit begann, wusste ich intuitiv, dass ich mit dem Ende von Band 3 auch meinen persönlichen Selbstfindungsprozess abgeschlossen haben würde. Band 1 und 2 flutschten nur so dahin, doch Band 3 zog sich seit 2020 – und ich fragte mich immer wieder: Warum? Meine heutige Antwort lautet: Weil die Zeit noch nicht reif war und ich noch einiges zu lernen hatte.

Manches braucht einfach seine Zeit – egal, wie sehr wir es auch versuchen.

„Gras wächst nicht schneller, nur weil man dran zieht.“

Diesen Spruch habe ich x-mal zitiert. Er geht leicht über die Lippen, erscheint völlig plausibel – und ist doch, wenn’s um eigene Thema geht, so schwer zu akzeptieren.

„Alles geschieht stets zum richtigen Zeitpunkt.“

Noch so ein locker-flockiger Spruch. Auch nicht immer leicht zu nehmen.

Mein Bauchgefühl sagt mir, dass meine 3-jährige Lehrzeit zu Ende geht. Die nächsten Etappen der Reisen liegen noch hinter den Bergen am Horizont und werden sich offenbaren, wenn ihre Zeit gekommen ist. Was auch immer kommen wird, es wird mich als Mensch und auf meinem Weg weiterbringen. Es wird nicht immer ein gemütlicher Spaziergang sein, aber auch nicht immer ein dunkles Tal oder ein schweißtreibender Anstieg. Ich lass mich einfach überraschen, was Jahr 4 meiner persönlichen ICH-Zeitrechnung bringen wird.

INTRINSISCHE LEBENSFREUDE

Seit Tagen denke ich darüber nach, was ich Kluges für diesen Blog ersinnen könnte, aber irgendwie will es nicht gelingen. Eigentlich wurde alles bereits gesagt. Die essenziellen Weisheiten wurden bereits vor Jahrtausenden niedergeschrieben – auch wenn wir das Rad wieder und wieder neu erfinden, es wird stets rund sein, denn es liegt in der Natur der Dinge, das Rundes rollt.

Es läge in der Natur des Menschen, intrinsische Lebensfreude zu empfinden. Staunend durch diese Welt zu wandern und sich über all das Besondere im Alltäglichen zu freuen, über das Einzigartige im Vielfältigen, über das Wunderbare im Einfachen. Dankbar für jeden Augenblick, der einem geschenkt wurde, hier zu sein, in diesem Leben – dem vielleicht einzigen, das wir haben. Die Fähigkeit dazu wurde uns mitgegeben, doch was machen wir daraus?

Lebensfreude als Grundstimmung, als Melodie eines liebevollen Herzens, unabhängig von den Umständen. Unvorstellbar? Unmöglich? Unglaublich? Ist es das wirklich?

Positives Denken findet im Kopf statt – und hinkt der Gegenwart stets hinterher, denn es braucht Zeit, Gedanken zu formulieren.

Lebensfreude ist ein Gefühl, das ohne Denken auskommt. Es genügt sich selbst, existiert nur im Hier und Jetzt, im gegenwärtigen Augenblick. Weder verliert es sich in der Vergangenheit noch fokussiert es auf die Zukunft. Als Schwingung durchdringt es jede Zelle eines Körpers, strahlt darüber hinaus, zaubert ein Leuchten in die Augen und ein von Herzen kommendes Lächeln ins Gesicht.

Lebensfreude ist jener einzelne Sonnenstrahl, der nach einer langen dunklen Nacht seinen Weg in mein Bewusstsein findet und mich ermutigt, den neuen Tag mit offenen Armen zu begrüßen. Was auch immer hinter mir liegt, im Hier und Jetzt, in diesem Augenblick, lebe ich mit allen Sinnen. Ein Leben, das es zu feiern gilt, denn es ist MEIN Leben, vielleicht mein einziges – und jeder Augenblick davon ist es wert, gelebt zu werden.

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EIN HERZ FÜR MÄNNER

Vor ein paar Stunden habe ich noch überlegt, welches Thema ich für meinen dieswöchigen Blog wähle. Ein Blick in eine Frauenzeitschrift verwarf alle bisherigen Ideen, denn mir wurde schlagartig bewusst, was – für mich – dabei fehlt.

In dem Magazin schreibt eine Frau über ihre Erfahrung, als 10-jähriges Kind die Aussage ihrer Großmutter gehört zu haben: „Zum Glück ist sie klug, weil schön ist sie nicht.“ Eine andere berichtete von ihrer „Tanzblockade“ aufgrund einer wenig erfreulichen Kindheitserfahrung und wie sie diese im Alter von 40+ überwunden hat. Meine eigenen, sehr ähnlich gelagerten Erinnerungen kehrten zurück – und der Gedanke, wie gut und wichtig es ist, dass wir Frauen uns heute über solche Themen austauschen und die Wunden der Vergangenheit heilen können.

Wir Frauen – aber was ist mit den Männern?

Verletzende Aussagen bekommen auch kleine Jungs zu hören. Berührt es sie nicht? Schlagen Unachtsamkeit und mangelndes Einfühlungsvermögen des Umfeldes keine Wunde in ihren Seelen?

Doch, das tun sie.

Jeder Mensch – unabhängig vom Geschlecht – hat eine Seele (für jene, die nicht an eine Seele glauben: eine Psyche), die verletzt werden kann und das auch wird. Manchmal täglich. Aber für Männern ist es ungleich schwieriger als für Frauen, darüber zu sprechen, in einer Gesellschaft, die ein ziemlich unausgeglichenes Bild für Männlichkeit definiert hat: Stark sein. Punkt. Ein Indianer kennt keinen Schmerz, hieß es in meiner Kindheit. Heute gibt es ähnliche Glaubenssätze. Obwohl zunehmend Männer öffentlich über seelische Verletzungen, deren Folgen und wie sie damit umgehen, berichten, in der breiten Massen nehme ich nach wie vor das stereotype Rollenbild im Stil von „Bist du zu schwach, bist du kein Mann“ wahr.

Deshalb hier und heute in aller Klarheit:

Männerseelen sind ebenso empfindsam und verwundbar wie Frauenseelen. Nur bleiben Männer mit ihrem Schmerz oftmals allein zurück. Über die Verletzung zu sprechen und damit ihre Verwundbarkeit zu offenbaren, führt nicht selten zu weiteren Verletzungen im Sinne von „Weichei“. Ohne verständnisvolles Umfeld bleibt nur der Rückzug in die „Festung der Einsamkeit“, hinter schützende Mauern der Abgrenzung, mit Wunden, die über Jahre und Jahrzehnte nicht heilen – manchmal bis in den Tod hinein.

Vor ein paar Tagen notierte ich diesen Gedanken:

„Wahre Stärken hat Verständnis für Schwäche, denn wahre Stärke erwächst aus dem liebevollen Blick auf die eigenen Schwächen.“

Wahrhafte starke Menschen treffe ich nur selten, unabhängig vom Geschlecht. Dafür umso mehr „Bedürftige“.

Ein vermeintlicher fürsorglicher Nachbar, der mit seinem Rasensprenger täglich mein Schlafzimmerfenster beregnete, entgegnete auf meine Bitte, dies zu unterlassen: „Wenn der Wind weht, können schon mal 2-3 Tropfen aufs Fenster kommen.“ Nun ja, mein Fenster sah täglich der Glaswand meiner Dusche zum Verwechseln ähnlich – und somit weit entfernt von 2-3 Tropfen. Meinen entsprechenden Hinweis überhörte jener Nachbar, um seine jenseits der Realität angeordneten Argumente mit einem Tonfall in der Art von „junge Frau, du hast keine Ahnung, überlass das uns starken Männern“ in Endlosschleife zu wiederholen. Also wiederholte ich mich – diesmal betont bestimmt – und holte ihn aus seiner Illusionsblase heraus, worauf der Nachbar angepisst von dannen zog, aber seither bleibt mein Fenster trocken. Ein klassisches Beispiel vom Gegenteil eines starken Mannes. Unreflektiert und unfähig, eigene Fehler einzugestehen. Schwerst bedürftig danach, seinen mangelnden intrinsischen Selbstwert extern aufzupäppeln. In diesem Fall dadurch, als Kompensation das Gegenüber zu unterdrücken und sich als klüger darzustellen – in meinem Fall bleib er damit erfolglos. Das ist nur ein plakatives Beispiel unter unzähligen, die mir ad hoc einfallen.

Wie würde unsere Gesellschaft aussehen, dürften kleine Jungs offen zeigen, wenn sie in ihren Gefühlen verletzt wurden, UND gleichzeitig erleben, dass sie TROTZDEM stark sind?

Stärke hat nichts damit zu tun, unverwundbar zu sein. Stärke zeigt sich darin, wie jemand mit seelischen Verletzungen umgeht – und mit seinen eigenen Schwächen.

Ein Mensch ohne Schwächen ist ein Mensch ohne Stärken. Beides sind Gegenpole, die einander bedingen, denn ohne Schwächen gibt es auch keine Stärken. Wer behauptet, keine Schwächen zu haben, offenbart in diesem Augenblick seine größte Schwäche.

Meine Generation wurde (leider) überwiegend stereotyp geprägt. Aber ich bin der Ansicht, es ist nie zu spät, diese Prägungen mit neuen, liebevollen, verständnisvollen, wertschätzenden zu überschreiben. Prägungen, die beides gleich wertvoll betrachten: Stärken UND Schwächen, weil beides zusammengehört und uns ganz macht. Wer nicht ganz ist, verspürt in sich eine Kluft, einen Spalt, Zerrissenheit, Konflikt, Schmerz.

Es wird so viel über Frauenherzen geschrieben. Nach den Jahrhunderten der Dominanz des Patriachats enorm wichtig, um den Selbstwert der Frauen zu stärken und sie einen gesunden Umgang mit ihrer Weiblichkeit finden zu lassen – der übrigens nichts mit den aktuellen Schönheitsidealen zu tun hat, aber das wäre ein anderes, sehr umfangreiches Thema.

Es ist an der Zeit, auch über Männerherzen zu sprechen. Über Mut und Kraft, die darin wohnen, ebenso wie über Sanftheit und Unsicherheit, mitunter sogar Hilflosigkeit angesichts von Umständen, die an die eigenen Grenzen und darüber hinausführen. Immer Herr der Lage zu sein gleicht einer Hybris. Manchmal bleibt nichts anderes, als sich dem zu fügen, was es ist.

Wahre Stärke geht einher mit der Weisheit, zu erkennen, wann es an der Zeit ist, um etwas zu kämpfen – und wann sich zurückzuziehen, loszulassen und den Dingen ihren Lauf zu lassen.

Die wohl größte Herausforderung – für Männer ebenso wie für Frauen – ist der Blick in den Spiegel und auf das, was sich dahinter verbirgt, unter Oberfläche, all das, was jeden einzelnen von uns ausmacht, und diese Gesamtheit liebevoll zu umarmen und anzunehmen.

DAS ist wahre Stärke.

DAS ist der Weg der Seelenheilung – für Männer ebenso wie für Frauen.

DAS ist der Weg, der jedem Männerherz offensteht.

An dieser Stelle zitiere ich (leicht abgewandelt) weise Worte: „Wer diesen Weg bereits zu Ende gegangen ist, möge über die anderen urteilen“. Ich bin überzeugt, dass jeder, der diesen Weg zu Ende gegangen ist, über keinen anderen urteilen wird. Das tun nur jene, die noch auf dem Weg sind oder noch gar nicht damit begonnen haben. Bedürftigkeit, die sich darin offenbart, sich selbst besser als andere zu machen.

Mein Plädoyer, dass ich in die Welt hinausschicke:

Gewährt Männern die Chance, wahrhaft stark zu werden, in dem sie auch mal schwach sein dürfen, denn beides gehört zum Männerherz, wie die zwei Herzkammern zum physischen Herzen eines jeden Menschen.

Kein Herz ist unverwundbar. Wäre es das, wären wir dann noch Menschen?

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