JENSEITS DER ANGST

Vor einigen Tagen unternahm ich eine kleine Bergtour, wählte dafür eine beliebte Route zu einem Bergsee (siehe Bild). Im ersten Drittel der Strecke quert ein schmaler Pfad den Hang des Graukogels. Der Weg ist ungefähr 30 cm breit, voller Steine und Geröll, links geht steil nach oben, rechts steil nach unten. Zwar kein blanker Felsabhang, sondern mit Gras bewachsen, aber ob ich im Falle eines Sturzes Halt finden würde, möchte ich lieber nicht austesten.

Eine Passage wie diese löst in mir unmittelbar ein ungutes Gefühl aus. Man könnte es auch Angst nennen, mit leichten Panikspitzen. Schwindelfrei bin ich nicht, Höhenangst (oder besser: Abgrundangst) begleitet mich bereits mein ganzes Leben.

Was mache ich an diesem Ort?

Mich meiner Angst stellen und sie überwinden.

Von Tauchgängen in Haifischkäfigen als Mittel zur Angstüberwindung halte ich persönlich nicht viel. Es gibt weniger dramatische Aktionen, die den gleichen Effekt erzielen. Eine für mich gut funktionierende sind eben solche Bergtouren.

Kurze Anmerkung für potenzielle Nachahmer: Bitte nicht im Alleingang! Und schon gar nicht ohne Vorbereitung! Ich mache das seit vielen Jahren und habe eine gewisse Routine. Außerdem prüfe ich im Vorfeld, ob meine körperliche Fitness an diesem Tag so eine Tour erlaubt und bin entsprechend ausgerüstet.

Zurück zu meinen Schritten auf dem schmalen Pfad. Zittrige Knie mahnen mich zur Achtsamkeit, das Gelände zu Respekt. Meine Aufmerksamkeit ist vollkommen auf das gerichtet, was ich tue. Für Angstgefühle oder störenden Brain Traffic im Sinne von Zweifel, negativen Gedanken und dergleichen, bleibt kein Raum. Ich bin völlig in der Gegenwart mit meinem Bewusstsein. Meine Angst ist eine Stimme aus der Vergangenheit, eine Mahnerin. Doch in diesem Augenblick fehl am Platz.

Gebranntes Kind scheut das Feuer.

Angst wird meistens erlernt. Oder übernommen. Meine Mutter ist ein sehr ängstlicher Mensch. Als Kind „infizierte“ sich mich mit ihrer Angst vor giftigen Pilzen. Es dauerte Jahrzehnte, bis ich es wagte, selbst gepflückte Schwammerl zu essen. Ein harmloses Beispiel, doch es gibt etliche andere, die zu persönlich sind, um sie hier zu erläutern.

Viele Jahre versuchte ich, die Ursache meiner Ängste zu identifizieren und zu neutralisieren. Irgendwann erkannte ich, das mit jeder neuen Erkenntnis neue Unklarheiten auftauchten, und meine Suche niemals abgeschlossen sein würde innerhalb meiner zu erwartenden Lebensspanne. Solange die Ängste auf ein erlebtes Ereignis zurückgeführt werden konnten, bestand noch Aussicht auf Erfolg, aber sobald es sich um übernommene Ängste (Stichwort: Schwammerl) handelte, wurde es eine Never Ending Story. Also entschloss ich mich, die Suche zu beenden und konzentriere mich seither darauf, mit dem umzugehen, was auftaucht. Auch mit meinen Ängsten.

Woher die Angst auf dem schmalen Pfad kommt? Warum taucht sie immer wieder auf, trotz mehrfach „Begehung schmaler Pfade“? Ehrlich: Keine Ahnung!

Für mich war diese Bergtour eine gute Gelegenheit, den Umgang mit meiner (unangebrachten) Angst zu trainieren für die wirklich wichtigen Herausforderungen: Das Zusammenleben mit Menschen.

Ganz ehrlich – in unserer heutigen Zeit gibt es eine nahezu omnipräsente Angst in der Gesellschaft, und die hat nichts mit steilen Berghängen, Schwammerl, Monstern oder dergleichen zu tun, sondern mit einer kleinen Frage: Bin ich gut genug?

Die Angst, nicht gut genug zu sein, gleich in welchem Bereich des Lebens, im äußeren Erscheinungsbild oder worin auch immer Menschen sich vergleichen, diese Angst richtet unglaublich viel Schaden an, löst Stress aus, fördert Konflikte, bringt Menschen dazu, verrückte Dinge zu und sich selbst sprichwörtlich fertig zu machen.

Die Angst, nicht gut genug zu sein, ist aus meiner Sicht eine der ganz großen Herausforderungen des Menschseins.

Bin ich gut genug, sicher auf einem schmalen Bergweg zu wandern? Ja!

Bin ich gut genug, dem Urteil anderer Menschen standzuhalten und als liebenswert, attraktiv … eingestuft zu werden? Niemand hat das Recht über mich zu urteilen!

Während einer Bergtour zu stürzen und sich einen Arm oder ein Bein zu brechen, tut weh, doch dieser Schmerz vergeht nach einer Weile.

Von einem anderen Menschen durch Worte, Blicke oder Taten verletzt zu werden, dieser Schmerz sticht mitunter bis ans Lebensende. Mit einiger Mühe kann man vielleicht die Worte „vergessen“, doch das Gefühl bleibt bestehen: ich bin nicht gut genug. Der Nährboden für Versagensängste.

Es gibt viele Arten von Ängsten. Manche sind überlebenswichtig für uns, denn sie beschützen uns davor, einfach mal aus dem Fenster zu springen, um Fliegen zu üben. Andere blockieren uns, halten uns davon ab, das zu tun, was wir gerne tun möchten, aus Angst heraus, zu versagen. Und sei es nur bei einem Gespräch mit einem anderen.

Meine Bergtour war eine wunderbare Gelegenheit, mich bewusst mit meinen Ängsten zu befassen, zu hinterfragen, ob die Angst in diesem Augenblick eine lebensschützende Mahnerin oder ein Echo aus meiner Vergangenheit ist, dass ich liebevoll, aber bestimmt, zur Seite schiebe, um mich mit Achtsamkeit der Gegenwart zuzuwenden.

Jenseits der Angst, am Höhepunkt meiner Tour, saß ich gelassen an einem wunderschönen Bergsee, ließ die Sonne meinen Rücken wärmen, und wurde mit einer weiteren Erkenntnis (oder Auflösung einer übernommenen Angst vor großen Tieren, weil nie wirklich damit in Kontakt gekommen) belohnt, als die Kuh (rechts im Bild) meine Nähe suchte und ihre Reibeisenzunge über meinen Rücken schleckte… aber das ist eine andere Geschichte.

METAMORPHOSE

Dieser Begriff steht für Umwandlung oder Verwandlung. Er trifft wie kaum ein anderer auf mich zu – samt dem häufig verwendeten Symbol des Schmetterlings.

War ich nicht einst ein Getriebene? Rastlos, ruhelos, durch das Leben irrend.

Wurde ich nicht zur Suchenden, die sich mit einer kleinen Laterne bewussten Denkens auf den Weg machte, sich selbst zu finden?

Erreichte ich nicht jenen Punkt, an dem ich mich bei mir selbst angekommen fühlte.

Wurde ich nicht zu der, die heute wie ein bunter Schmetterling durchs Leben tanzt?

Die Phasen meiner Verwandlung. Oder besser: Rückwandlung zu dem, was ich „davor“ war, bevor das Drehbuch meines Lebens einige Umwälzungen vorsah.

Tief in mir bin ich die, die ich immer war, heute bin und immer sein werde: ein feuriger Funken Lebensfreude – mein Lieblingsmantra 😊

Könnte ich glaubhaft abstreiten, dies erreicht zu haben, wenn ich heute tänzelnd durch einen Raum voller fremder Menschen schwebe, meiner eigenen inneren Melodie folgend und es mir piepschnurzegal ist, was andere dabei über mich denken.

Pure innere Freiheit.

Einfach nur ich sein.

Und dazu passt wunderbar diese tänzelnde Geschichte, die in meinem 5. Buch mit dem Titel „EMBRACE – Fühle die Umarmung des Lebens 2“ erschienen ist. Viel Freude beim Lesen.

Ein tanzender Schmetterling

Es war einmal ein kleines Mädchen, das inmitten seiner Familie ein behütetes Leben in einem Dorf am Lande führte. Die Kleine hatte alles, was sie brauchte und lebte frei von Sorgen. Wenn Musik erklang, liebte sie es, ihre Arme auszubreiten, sich in den Rhythmus der Melodie fallen zu lassen und wie ein in der Luft tanzender Schmetterling herumzuwirbeln, dabei ihre Augen zu schließen und einfach nur lebendig zu sein in diesem Augenblick der Unbeschwertheit. Ihr Lachen war im ganzen Haus und auch noch im Garten zu hören. Manche würden es pure Lebensfreude nennen, was die Kleine in diesen Momenten ausstrahlte.

Eines Tages fand in diesem Dort ein großes Fest statt. Nahezu alle Bewohner des Dorfes feierten gemeinsam von morgen an bis spät in die Nacht. Auch die Familie des kleinen Mädchens und alle ihre Verwandten nahmen daran teil. Die Kleine tobte ausgelassen herum. Bereits nach kurzer Zeit wirbelte sie gemeinsam mit einem kleinen Jungen durch das Festzelt, der etwas behäbig versuchte, es dem tanzenden Schmetterling gleichzutun. Die Verwandten des kleinen Mädchens und auch ihre eigene Familie amüsierten sich wortreich und lautstark über das unbändige Temperament der Kleinen, die plötzlich innehielt. Sie konnte nicht verstehen, warum all jene Menschen, die sie kannte, nun über sie lachten, sie gar verspotteten. War es denn nicht in Ordnung, seine Freude zu zeigen? Was hatte sie falsch gemacht? Sie schämte sich, auch wenn sie nicht genau wusste, wofür. Es tat weh, ausgelacht zu werden. Tränen fühlten die Augen der Kleinen. Ein brennender Schmerz bohrte sich tief in ihr junges Herz und sie schwor sich, dass niemand sie jemals wieder tanzen sehen würde. Nie wieder wollte sie diese Schmach über sich ergehen lassen, nie wieder sich verletzt fühlen, nie wieder ihre Gefühle jenen zeigen, die darüber spotteten.

Von diesem Tag an verwandelte sich die Welt der Kleinen. Über all die bunten Farben, die sie zuvor wahrnehmen konnte, legte sich ein diffuser grauer Schleier, wie ein Nebel, der selbst im Licht der Sonne nicht weichen wollte. Ihre Welt wurde stumpf, fahl, freudlos.

Die Jahre vergingen. Das kleine Mädchen wurde erwachsen und blieb seinem Schwur treu. Nie wieder sah jemand sie tanzen. Ihre Familie war längst nicht mehr rund um sie, doch sie hatte das Vertrauen in jegliche Menschen verloren. Selbst wenn die Musik ihre Füße verführen und auf das Parkett locken wollte, widerstand sie dem Drang, unterdrückte den Wunsch, blieb in ihrer starren Haltung. Zu groß war die Angst vor neuerlich Schmähung, zu präsent die Erinnerung an den Spott und der Schmerz, der damit einherging. Ihre Welt war noch immer stumpf, fahl, freudlos.

An einem sonnigen Tag im Frühsommer spazierte die nunmehr junge Frau durch einen Park. Rund um sie waren unzählige Blumen und Bäume, die allesamt farblos auf sie wirkten, viele Schattierungen von grau, kein Vergleich zu den Farben, die sie als kleines Kind wahrnehmen konnte, damals, davor …

Seufzend setzte sie sich auf eine hölzerne Parkbank. Sie wusste, was sie aufgegeben hatte, was sie tief in sich unterdrückte, doch die Furcht vor neuerlichem Schmerz in ihr war groß, so groß, dass selbst der Schmerz, der durch diese Unterdrückung hervorgerufen wurde, ihr dagegen gering erschien. So saß sie da, in Gedanken versunken, einsam in ihrem Herzen, als ein kleiner bunter Schmetterling sich auf ihrer Hand niederließ. Langsam klappte er seine Flügel auf und zu. Die junge Frau betrachtete schweigend die farbigen Schuppen auf seinen fragilen Flügeln, die prächtig im Sonnenlicht schimmerten. Eine Erinnerung kehrte zurück, ein Gefühl erfasste sie, als eine leise Stimme an ihr Ohr drang:

„Worauf wartest du noch? Tanz mit mir!“

Mit erschrockenem Blick sah sich die junge Frau um, doch niemand war in ihrer Nähe. Erst in einiger Entfernung hatten sich ein paar junge Leute auf einer Decke im Gras niedergelassen, andere auf Parkbänken oder manche spazierten ihrer Wege. Niemand war ihr nahe genug, um diese Worte zu sprechen, niemand außer … einem kleinen bunten Schmetterling?

„Tanz mit mir!“

Wieder hörte sie die Stimme, doch kamen die Worte wirklich von außerhalb? Oder aus ihrem Herzen?

Der Schmetterling flatterte hoch, flog nur ein Stück voraus und schien dann zu warten. Zögernd erhob sich die junge Frau von der Parkbank, ging ein paar Schritte über das gräulich wirkende Gras. Ihr Herz schlug aufgeregt. In sich spürte sie einen Impuls, einen unbändigen Drang, etwas, das sie schon sehr lange nicht mehr verspürt hatte. Angst schnürte ihr den Hals zu. Sie schloss ihre Augen und drückte die Tränen zurück. Sie hatte es sich geschworen: nie wieder! Doch ihre Füße wurden unruhig. Ihr Atem wurde heftiger. Sie presste die Lippen aufeinander.

„Lass uns tanzen. Komm!“

Verdammt, dachte sie bei sich, was soll das? Während sie bereits die Schuhe von ihren Füßen streifte, schüttelte sie immer noch den Kopf über sich selbst. Was würden sich alle die Menschen rundum denken?

„Vergiss die Menschen. Wenn du tanzen willst, dann tanze.“

Unter ihren Zehen konnte sie das von der Sonne erwärmte trockene Gras spüren, das an manchen Stellen leicht pikste. Wie vertraut, wie in ihrer Kindheit …

In der sanften Brise, die ihr Haar erfasste, schwang eine Melodie mit. Ihre Füße wurden unruhiger. Sie konnte sie kaum noch im Zaum halten. Nie wieder will ich sehen müssen, wie jemand mich auslacht oder verspottet, sagte sie zu sich selbst.

„Dann schließ deine Augen. Blick nicht mit deinen Augen nach außen auf die anderen. Blick mit deinem Herzen nach innen, zu dir und dem, was in dir ist.“

Mit einem tiefen Atemzug schloss die junge Frau ihre Augen, verharrte einige Zeit, fühlte die Sonne, auf ihren Kopf und ihren Schultern, die sanfte Wärme, die sich wie ein flauschiges Tuch um sie legte. Sie fühlte den Wind, der mit ihren Haaren spielte. Sie fühlte das vertraute Gras unter sich, den Rücken von Mutter Erde, an den sie sich immer anlehnte konnte. Der Duft von Jasmin strömte von den Sträuchern am Rande der Wiese bis zu ihr, als die junge Frau ganz langsam ihre Arme ausbreitete, mit jedem Atemzug höher und weiter. Sie legte ihren Kopf in den Nacken, überließ ihre Haare dem Wind und sich selbst der Melodie, die aus ihrem Herzen heraus durch sie hindurch in diese Welt strömte, schenkte ihren Füßen jene Freiheit, die sie ihnen so lange verwehrt hatte: sie begann zu tanzen, zu lachen, zu leben – und aus ihrem Herzen entsprang wieder jenes Gefühl, welches manche wohl pure Lebensfreude nennen würden.

Schließlich öffnete die junge Frau ihre Augen und staunte, denn um sie erstrahlte die Welt wieder in jenen Farben, die längst nur mehr eine Erinnerung aus weit entfernten Kindheitstagen gewesen waren. Blüten bunter als jeder Malkasten sie erschaffen könnte. Leuchtendes Grün unter ihren Füßen und ein strahlend blauer Himmel über ihr. Der Nebel war verschwunden. Nur manche Menschen wirkten noch grau und fahl, doch das lag wohl an dem, was sie in ihren Herzen trugen. Für die junge Frau war die Welt wieder zu jener geworden, die sie zuvor gewesen war, unbeschwert, voller Leichtigkeit und Lebensfreude.

Wenn Du demnächst in den Park gehst, wird Dir vielleicht eine junge Frau begegnen, die barfuß im grünen Gras tanzt zu jener Melodie, die sie in ihrem Herzen hört und die von Lebensfreude kündigt. Vielleicht wirst Du auch selbst diese Frau sein, wer weiß?

© Lesley B. Strong 2021

Bild: pixabay.com

EIGENVERANTWORTUNG & SELBSTVERTRAUEN

Manchmal frage ich mich, was von beiden zuerst da ist (oder sein sollte): Eigenverantwortung oder Selbstvertrauen? Irgendwie erinnert es mich an die Frage nach der Henne oder dem Ei? Was war zuerst da?

Übernehme ich Eigenverantwortung für mich, stärkt das in Folge automatisch das Selbstvertrauen. Gleichzeitig braucht es Selbstvertrauen, um Eigenverantwortung übernehmen zu können.

Vermutlich könnte man über diese Frage tagelang debattieren, Wochen, Monate oder gar Jahre. Was würde dabei rauskommen? Unzählige theoretische Konstrukte. Bringen wir es in die Praxis.

Eigenverantwortung & Selbstvertrauen … inspired by real life

Gedanke und Gefühle einer Borderlinerin, die trotz eines entfesselten Sturms der Gefühle auf Kurs bleibt.

Es tut unglaublich weh, nach fast 25 Jahren von dem Mann, den ich (immer noch) liebe, vor die Tür gesetzt zu werden. Zu wissen, dass unter anderem viele Ereignisse aus jener Phase meines Lebens, in der ich nicht wusste, was mich „fernsteuerte“ in ihm ein Bild von mir kreierten, das mittlerweile zwar überholt ist, aber für ihn scheinbar unwiderruflich ist. Dass ich in der Vergangenheit vieles tat, was ihn (und mich) verletzt und tiefe Narben – in seiner und meiner Seele – hinterlassen hat. Dass meine Kursänderung vielleicht zu spät kam. Oder überhaupt erst der Grund für die Trennung war. Viele Fragen sind noch offen und werden es womöglich noch länger – oder für immer – bleiben.

Die Hälfte meines Lebens (!) verbrachte ich an seiner Seite. Neben mir klafft nun eine schmerzende Lücke. Zu wissen, was ich hätte anders machen können/sollen … aber es nicht mehr ändern zu können. Zu wissen, dass ich meinen Teil dazu beigetragen haben. Zu wissen, dass es kein Zurück mehr gibt – geben kann, denn der Schritt zurück würde gleichzeitig eine Rückentwicklung für mich bedeuten, zurück in alte, destruktive Muster … all das tut weh. Es zu verleugnen oder gar zu unterdrücken wäre Realitätsverweigerung.  Ich mag meine Borderline-Persönlichkeit ausbalanciert haben, meine grenzenlose Emotionalität ist nach wie vor vorhanden. Doch heute übernehme ich die Eigenverantwortung für das, was ich fühle.

Auch wenn es jetzt gerade unglaublich weh tut, es entspricht der Situation. Ich übernehme die volle Verantwortung für jenen Teil, den ich über Jahre und Jahrzehnte dazu beigetragen habe, ohne in der Opferrolle und damit im Leid zu versinken.

Auch wenn ich gerade heule, während ich diese Zeilen tippe und darum kämpfe, weiter zu atmen, stehe ich zu meiner Entscheidung. Ich weiß, es war richtig, aus dem mittlerweile für uns beide zerstörerischen Beziehungsmuster auszubrechen und den Schritt hinaus in mein eigenes Leben, die Unabhängigkeit und völlige Eigenverantwortung zu gehen.

Es war eine impulsive, aus Emotionen heraus geborene Entscheidung, kein Ergebnis eines rationalen Denkprozesses. Nur so konnte es überhaupt erst gelingen, die vom Verstand über lange Zeit wohl genährten (Verlust)Ängste, Zweifel und Gegenargumente zur Seite zu schieben und auf das zu blicken, was wirklich wichtig war und ist: auf mich selbst gut zu achten! Dafür bin ich zu 100% selbst verantwortlich. Diese Verantwortung habe ich übernommen, und dadurch auch mein Selbstvertrauen gestärkt, allein mit mir selbst klar zu kommen. Genau genommen geht es gar nicht anders. Nur wenn wir mit uns selbst allein klarkommen, kommen wir auch mit anderen klar. Davon bin ich mehr denn je überzeugt.

Ich verstehe jeden, der angesichts der Tragweite der eigenen Handlungen die Verantwortung dafür negiert, sich hinter Schuldzuweisungen und in der Opferrolle versteckt. Menschen, ganze Gesellschaften und Kulturen tun das seit Jahrtausenden. Ich verstehe es – ich halte es nicht für sinnvoll. Ganz im Gegenteil. Daraus entstehen Verstrickungen, die uns fesseln, uns die Luft zum Atmen nehmen, die sich wie ein Gefängnis anfühlen können und die uns „fernsteuern“ jene Handlungen zu setzen, die neuerlich Schmerz in unser Leben bringen.

Es kann weh tun, die eigene Verantwortung zu schultern, aber ich vertraue darauf, dass damit auch die Freiheit einhergeht, selbst zu entscheiden, das Gefühl der Selbstbestimmtheit und damit verbunden viel Kraft. So erlebe ich es in diesem Augenblick. So fühle ich es – und es fühlt sich richtig an.

Ich bin voll und ganz bei mir und in meinem Leben.

Ja, ich habe Fehler gemacht, doch kein einziger davon rechtfertigt, mich selbst abzulehnen, zu verachten oder gar zu verletzen. Nichts rechtfertigt das!

Meine Verantwortung ist es, gut auf mich selbst zu achten. Ich vertraue mir selbst, dass ich das kann, denn ich habe es bereits getan, als ich die Verantwortung für mich selbst übernahm und entschied, aus dem destruktiven Muster auszusteigen in dem (Selbst)Vertrauen …

Da wären wir wieder bei Henne und Ei – und meiner finalen Conclusio:

Es tut weh, lang gewohntes und alt vertrautes loszulassen, doch es fühlt sich – einmal mehr – für mich richtig an, denn der neugewonnene Freiraum eröffnet auch neue Möglichkeiten. Für den noch vorhandenen Schmerz übernehme ich die Verantwortung, akzeptiere ihn als situationsbedingt und vorübergehend. Gleichzeitig blicke ich voller (Selbst)Vertrauen in meine Zukunft. Was auch immer sie bringen wird, ich werde meinen Kurs halten – auch inmitten aufgewühlter Emotionen. Die gehören nun einmal zu mir, intensiv und schier grenzenlos. Es ist meine Verantwortung – mein Job – mich selbst auf Kurs zu halten und alle dafür erforderlichen Fähigkeiten zu entwickeln. Und ich vertraue – mir selbst und dem Leben – das ich es kann, da ich es bereits getan habe …

Henne oder Ei?

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Bild: pixabay.com

Wie man sich selbst am Besten im Weg steht … Teil 3

Rückblickend betrachtet  tat ich dies insbesondere auch dadurch, dass ich mich immer und überall mit anderen verglichen habe. Etwas überspitzt dargestellt: Was ein anderer konnte, musste ich genauso gut wenn nicht besser können, sonst wäre ich ja … sagen wir mal nicht gut genug (um es halbwegs nett  zu halten). Das war meine innerste Überzeugung.

Grundsätzlich ist es ja OK, gut sein zu wollen, aber besser als alle anderen? In allem? Das kann niemand erreichen. Mein Scheitern war vorprogrammiert. Fatal, denn mein Selbstwert hing von meinem Erfolg ab. Erfolg war aber nur fallweise und manchmal nur mit extremen Anstrengungen möglich. Abgesehen davon: ich stand permanent mit fast jedem in meinem Umfeld in einer Art Konkurrenzsituation. Zumindest fühlte es sich so für mich an. Die Realität war ein ganz anderes paar Schuhe. Für zwischenmenschliche Beziehungen war das nicht gerade ein förderliches Verhalten.

Ich hatte mir (in meinem Kopf) meine ganz persönliche Hölle auf Erden erschaffen: Nie war ich gut genug und jeder andere, der besser war, war eine potenzielle Gefahr für mich. Klingt schlimm? War es auch. Man könnte es auch einen ausgewachsenen Minderwertigkeitskomplex nennen, denn ich mit Bravour und Arroganz überspielte. Einiges, das ich gern getan hätte (wie einen Roman zu schreiben), umschiffte ich in großem Bogen, denn die Angst vor einem möglichen Scheitern war zu groß, doch ich hätte sie nie offen eingestanden. Stattdessen erfand ich teilweise fantastisch konstruierte Ausreden – und Lügen. Natürlich traf ich häufig auf Unverständnis in meinem Umfeld. Wie hätte es anders sein können.

Die ersten Schritte aus diesem selbstauferlegten Zwangsperfektionismus gelangen mir im Zuge meiner beruflichen Auseinandersetzung mit (das ist kein Scherz, ich meine das Ernst) Optimierung von Prozessen und Qualitätssicherung. Als hätte man den Bock zum Gärtner gemacht … oder der Berg kam zur Prophetin? Der kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) beinhaltet eine für mich nach wie vor sehr interessante Komponente: Fehler! Das Grauen meiner Vergangenheit.

Fehler = nicht gut genug = nicht angenommen = nicht geliebt = nicht geborgen.

So simpel war einst mein Denkmuster. Wenn Fehler, dann Game over … so funktionieren Videospiele, aber nicht das Leben. Das durfte ich lernen, als ich mich mit der Fehlerkultur des KVP zu befassen man. Trockene Management Tools, aber ich brachte sie in Bezug zu meinem Leben und meinem Verhalten. Allmählich bekamen Fehler einen anderen Stellenwert für mich. Sie wurden zu einem unverzichtbaren Ereignis, aus dem ich lernen und mich weiterentwickeln konnte. Fehler wurden interessant, weil sie kreative Denkprozesse in Gang zu setzen vermochten. Fehler unterbrachen die (meistens langweilige) Routine und ließen etwas Neues entstehen.  So manche meiner beruflichen „Schöpfungen“ entstanden aus Fehlern bzw. den daraus gewonnenen Erkenntnissen.

Wenn nun aber Fehler für mich ihren Schrecken verloren hatten, wie stand es mit der Konkurrenz? Den genauen Zusammenhang habe ich nie herausgefunden, aber zeitgleich mit der Angst vor Fehlern verschwand auch die Angst vor Konkurrenz und deren möglicher Überlegenheit. Ich hörte auf zu vergleichen und begann stattdessen wertungsfrei zu beobachten. Was konnte ich von anderen lernen? Von deren Erfolgen und deren Fehlern? Wie konnten wir es gemeinsam besser machen? Dies öffnete mir die Tür zu zwischenmenschlichen Beziehungen, die auf Kooperation anstatt auf Konkurrenz basierten. Aus diesen Beziehungen wiederum erhielt ich Anerkennung (mehr als  ich mir je erträumt hätte) und daraus erwuchs …? Richtig, das Gefühl angenommen zu werden, so wie ich bin. Das wiederum hatte positive Auswirkungen auf mein Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl … kürzen wir es ab.

Die neue Formel lautet: Fehler = gehört zum Leben = schauen wir mal, was sich damit machen lässt = Gelassenheit und …

… hey, ich habe einen Fehler gemacht. Das ist DER Beweis. Ich bin ein Mensch, kein Roboter. Ich lebe, liebe, mache Fehler … that’s life 😉