Zur Zeit bereite ich eine für mich ganz besondere, wichtige Reise vor, die am 11. September 2022 starten wird. Innerhalb von einer Woche werde ich an drei unterschiedlichen Orten Buchpräsentationen und Lesungen veranstalten. Im Mittelpunkt steht „Berggeflüster“, aber auch anderes findet sich im Programm. Ur cool. Mein Autorinnen-Herz übt sich bereits im Purzelbaumschlagen.
Im Rahmen des jeweiligen Events werden auch unterschiedliche Personen mit mir über die Hintergründe des Charity-Buchprojektes plaudern, sowie allgemein über mein Schaffen als Autorin und Bloggerin. Wieder einmal wird das Thema Borderline zur Sprache kommen. Wieder einmal hinterfrage ich mich selbst, ob und wie ich meine Botschaft am besten rüberbringe. Denn eines ist klar: die Menschen im Publikum erleben MICH. Eine, die relativ locker und reflektiert über das Thema spricht, ohne Scheu oder Scham. Eine, die mit beiden Beinen fest im Leben steht, beruflich erfolgreich, künstlerisch ambitioniert und definitiv ihren eigenen Weg beschreitend, voller Lebensfreude und Selbstliebe. Eine typische Borderlinerin?
Das ist der Punkt!
Welches Bild zum Thema Borderline vermittle ich durch mein Auftreten dem zumeist wenig informiertem Publikum?
„Ach, das kann ja nicht so schlimm sein mit Borderline. Wenn ich mir anschaue, was die da alles macht und wie taff sie unterwegs ist.“
Nichts liegt mir ferner, als das Thema zu verharmlosen, denn Borderline ist alles andere als eine „harmlose Kinderkrankheit“ oder ein „vorübergehendes Tief“. Aber natürlich besteht dieses Risiko der Unterschätzung, deshalb bereite ich mich auch darauf vor, einige sehr klare Worte zu finden:
Wer mich heute trifft, erlebt eine taffe, selbstbewusste, erfolgreiche und reflektierte, äußerst lebendige Frau, die ihren Weg im Leben geht. Das war nicht immer so. Viele Jahre meines Lebens war meine Welt gänzlich anders, dominiert von mangelndem Selbstwertgefühl, fehlender Selbstliebe, Depressionen, Schmerz, Traumatisierungen und Retraumatisierungen. Geprägt von zahllosen Momenten, in denen der nächste Atemzug unmöglich schien, durchgeschüttelt von Panikattacken, beinahe erstickt an all dem Unterdrückten in mir, manchmal dem Tod näher als dem Leben, ständig unter Strom, Hochspannung, Druck. Nie entspannt. Grenzlose, kaum zu ertragende Emotionen, und dann – gleich dem Auge eines Hurrikans – die absolute Leere, emotionales Vakuum, nichts mehr fühlen, bis zum nächsten Vulkanausbruch. Ein Wechselspiel von Höhenflügen, erkämpft durch rücksichtslose Selbstausbeutung, und physisch-psychischen Zusammenbrüchen. Mehrfach ausgebrannt. Treffe ich heute Menschen, die Richtung Burnout steuern, schrillen in mir sämtliche Alarmglocken, denn es fühlt sich wie ein Echo meiner Vergangenheit an, eine mahnende Stimme in der Dunkelheit. Wenn ich die Flyer von Gewaltberatungsstellen sehe, krampft es mich zusammen, denn was dort unter „psychischer Gewalt“ beschrieben wird, hat viel zu lange mein Leben bestimmt, ohne dass ich dagegen aufbegehrte, weil ich es nicht anders kannte, aber auch, weil die Angst vor dem Verlassenwerden schlimmer war als die Demütigungen und was mir sonst noch zugefügt wurde. Selbstverletzung hat viele Formen, auch die, sich nicht zu schützen vor dem, was einem durch andere angetan wird. Ich könnte diese Aufzählung noch einige Zeit weiterführen, oder es nun hier auf den Punkt bringen. Borderline hat viele Facetten, doch eines ist es mit Sicherheit nicht: harmlos.
Es war und ist eine bewusste Entscheidung, meine Erfahrungen als Borderlinerin offen mit anderen zu teilen. Mein Ziel dabei ist es, Sichtweisen zu verändern, Respekt und Verständnis für Betroffene in deren Umfeld zu erwirken, Hoffnung und Inspiration an Betroffene zu vermitteln.
ABER weder verharmlose ich die Herausforderung Borderline, noch stimme ich der Opferrolle zu. Wenn die Umstände des Lebens dazu geführt haben, dass ein Mensch sich in der Borderline-Thematik wiederfindet, dann mögen andere daran beteiligt gewesen sein, doch das ist kein Grund, in der Opferrolle zu verharren. Es gibt Auswege, wenngleich sich hier die Betroffene häufig selbst blockieren. Wie ich selbst erlebt habe, konnte ich meinen Ausweg erst beschreiten, nachdem ich es mir selbst wert war, ein gesundes, glückliches Leben zu führen.
Apropos Ausweg aus Borderline: Viele Betroffene suchen nach einer Art Ausstiegstür, wie sie aus dem Chaos entkommen und in ein normales Leben gelangen können. Für mich gab es keine Tür nach außen. Meine Tür ging nach innen auf. Ich musste zuerst mich selbst entdecken, um in all dem Chaos in mir die Zusammenhänge (oder die verborgene Ordnung) zu erkennen, um ICH zu werden und daraus jene Strategien zu entwickeln, die mich in meiner Mitte halten.
All das werde ich bei den Events zur Sprache bringen, denn um Verständnis zu erwirken, müssen Menschen das Thema verstehen – und keinesfalls dürfen sie es unterschätzen.
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