In einer Doku über weibliche Musikerinnen schnappte ich einen Satz auf, der mir nicht mehr aus dem Kopf geht. Eine Stylistin sagte:
„Ohne Make-Up erblickt man im Gesicht eines Menschen seine/ihre Seele.“
Make-Up als Schutz? Eine Maske, um zu verbergen, wer man ist, was man fühlt, wie verwundet man wurde.
Solange ich zurückdenken kann, wurde auf meinen Gefühlen rumgetrampelt. Mitgefühl zu erwarten, führte allzu oft zu Enttäuschungen. Verständnis für das Unverständliche? Welche Alternative gab es, als eine Maske über die nächste zu legen, Schicht für Schicht jenen Schutz aufzubauen, der das Leben halbwegs erträglich machte. Meine Seele, meine Gefühle zu verbergen, Kopfmensch zu werden und die Stimme des Herzens auf lautlos zu schalten.
Seit Monaten wehrt sich etwas in mir mehr denn je gegen die Maske, will ich gesehen werden als die, die ich bin.
Täglich begegnen mir Menschen (vor allem Männer), die mich auf meinen Körper zu reduzieren versuchen und glauben, ein paar oberflächlichen Komplimente genügen, und ich springe dorthin, wo sie mich haben wollen. Menschen, die sich selbst als überlegen betrachten, und doch nur ein hohles Konstrukt sind, ein Kartenhaus auf Sand gebaut, ob es ihnen bewusst ist oder nicht. Menschen, die wie Zombies durch diese Welt stolpern, ohne lebendig zu sein.
Es mag Menschen geben, die Masken zum Schutz tragen. Es mag andere geben, die sich dahinter vor sich selbst verstecken. Es mag jene geben, die Masken nutzen, um ihre Ziele zu erreichen. Und auch jene, denen es an echtem Selbstwert mangelt ebenso wie jene die nicht glauben können/wollen, dass ihre wahre Schönheit erst sichtbar wird, wenn sie alle Masken fallen lassen.
Wahre Schönheit hat damit zu tun, mit Tränen in den Augen stark zu sein, inmitten der Stürme des Lebens zu sich selbst zu stehen, in Kauf zu nehmen, dass Vertrauen manchmal mit Narben auf dem Herzen endet, doch ohne Vertrauen gibt es keine Lebendigkeit. Ein Herz auf ewig hinter Mauern (oder Masken) zu verstecken lässt es irgendwann vertrocknen oder zu Stein werden.
Wenn das Gesicht erstarrt, in der Mimik keine Emotionen mehr erkennbar sind (dank Botox), können Neugeborene die Stimmung der Erwachsenen nicht mehr wahrnehmen und zuordnen lernen. Ein Defizit, dessen Auswirkungen wir erst noch zu spüren bekommen werden. Wie findet ein heranwachsender Mensch Zugang zu seiner Seele umgeben von hübschen, aber seelenlosen Gesichtern?
Ein ungeschminktes Gesicht ist immer natürlich. Make-Up erzeugt ein künstliches Bild. Optimiert? Verzerrt? Wahrheit? Lüge?
So viele Menschen suchen so vieles. So viele suchen Anerkennung, Liebe. So wenige zeigen, wer sie sind. So viele Seelen sehnen sich danach, gesehen zu werden.
Blick mir in die Augen.
Ich bin lebendig.
Wenn du mich verletzt,
wird es schmerzen,
doch die Wunde wird heilen
und ich werde wieder vertrauen,
denn Vertrauen ist das Licht meiner Seele.
Furcht und Zweifel sind wie Schatten,
die mich begleiten,
doch niemals bestimmen,
denn das Licht ist,
was ich für mich erwählt habe,
der Wahrheit ins Angesicht zu blicken,
und zu sein,
wer ich bin,
lebendig.
Was gibt es schöneres als das Gesicht eines Menschen, in dem nach einem langen Leben zwei Augen funkeln vor Lebensfreude und Dankbarkeit, für all das Erlebte, die sonnigen Tage ebenso wie stürmischen oder die verregneten.
Du blickst in eine Seele und begreifst, worum es wirklich geht im Leben.
Die wahre Schönheit eines Menschen entspringt dem Licht einer Seele, die sich offenbart, dem Herzen, das seine Liebe teilt, den Händen, die Halt geben und den Worten, die berühren – ungeschminkt.
In der Natur des Weiblichen ist es verankert, tiefe, verbindende Emotionen zu empfinden. Hunderttausende von Jahren genetischer Entwicklung verschwinden nicht einfach so. Darin liegt heute eine enorme Chance. Mehr denn je braucht diese Welt, brauchen wir Menschen, verbindende Emotionen, um Brücken zu schlagen über all die Abgründe, die wir in der Vergangenheit aufgerissen und mit Mauern zu Festungen ausgebaut haben. Weder Patriachat noch Matriarchat sind die Lösung, sondern jenes natürliche Gleichgewicht, das wir vor langem verloren haben.
Vor einigen Wochen fand ich im Netz folgenden Text:
Weisheit der Cherokee
Die höchste Berufung einer Frau ist es, den Mann zu seiner Seele zu führen, damit er sich mit der Quelle verbinden kann. Die höchste Berufung eines Mannes ist es, die Frau zu beschützen, damit sie frei und unverletzt auf der Erde wandeln kann.
Über diese Zeilen habe ich viel nachgedacht, habe alle Rollenbilder und Klischees rausgenommen, die Botschaft auf ihre Essenz reduziert, auf die Art und Weise, wie Mann und Frau miteinander umgehen sollten, unabhängig davon, wer wie viel Geld verdient, die Kinder betreut oder den Haushalt führt. Mann und Frau SIND unterschiedlich, Yin und Yang, doch gemeinsam ergeben sie ein Ganzes, wenn sie lernen, gemeinsam die Balance zu finden.
Leider etwas klischeehaft, doch täglich zu beobachten: viele Männer stecken im Ego fest, haben wenig Zugang zu ihren Gefühlen, noch weniger zu ihrer Seele.
Es ist an der Zeit, dass wir Frauen in unsere natürliche Weiblichkeit zurückfinden und all die künstlichen Erwartungshaltungen hinter uns lassen, um die Seelen der Männer wieder mit der Quelle zu verbinden, damit die Menschheit in ihre Balance findet mit sich selbst und ihrer Umwelt.
Einfach Mensch sein, mit Herz und Seele.
Eine Illusion? Vielleicht.
Eine Vision? Vielleicht eine, die inspiriert.
Ich habe lange nach einem Bild für diesen Beitrag gesucht und mich letztendlich für die Augen eines Kindes entschieden, die fragend-verträumt in diese Welt hinausblicken – eine Seele, die sich noch zeigt, wie sie ist.
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