AB INS RAMPENLICHT !?!?!?

Ehrlich gesagt, bis heute Morgen wusste ich nicht, was ich diese Woche mit der Welt teilen möchte. Geschehen ist eine Menge, aber irgendwie auch nichts „Neues“.  Nichts, was ich als teilenswert im Sinne von inspirierend eingestuft hätte. Bis ich heute während meiner Morgengymnastik nebenbei in Ö3 (österreichischer Radiosender mit der größten Reichweite im Land) in der Sendung „Frühstück bei mir“ etwas aufgeschnappt habe …

Zu Gast war heute eine Frau (ich nenne hier bewusst nicht ihren Namen) mit einer außergewöhnlichen Lebensgeschichte. Als 10-jährige entführt, verbrachte sie 3.096 Tage in einem Kellerverlies, bis ihr im Alter von 18 Jahren die Flucht gelang. Über ihre Erlebnisse in dieser Zeit und ihre Strategien, all dies zu überleben, schreibt sie Bücher und tritt in der Öffentlichkeit auf.

Hier sind wir auch schon beim Punkt angekommen.

Öffentlichkeit = Rampenlicht.

Im Laufe der Sendung gab es etliche positive Rückmeldungen, aber auch Stimmen, die meinten, sie würde sich zu sehr ins Rampenlicht drängen. Eine Frage, die ich mir auch hin und wieder stelle: Dränge ich mich mit meiner Geschichte ins Rampenlicht?

Für mich persönlich waren Menschen, die außergewöhnliches erlebt haben, stets eine Inspiration. Ich weiß noch, dass ich 2x in meinem Leben einen (denselben) Menschen getroffen haben, der mich stark beeindruckt hat. Es lagen Jahre dazwischen, der Kontext war völlig unterschiedlich, doch der Mensch war derselbe: geboren als sogenanntes „Contergan-Baby“, also mit extrem verkürzten, verstümmelten Gliedmaßen, war dieser Mensch für nahezu alles (Essen, Trinken, Körperhygiene, Kleidung) auf fremde Hilfe angewiesen … und strahlte eine unglaubliche positive Energie aus, hatte einen Job (PC-Arbeit mittels eines Stiftes, den er im Mund hielt), Freunde und ging gerne aus. Wir waren gemeinsam auf einem Konzert. Keine Spur von Opfer, Anklage, Selbstmitleid …

Jahre später traf ich auf einen, dessen Heimfahrt von der Disco im Krankenhaus endete: Querschnittlähmung. 18 Jahre, kaum noch gelebt, und der nach einer schweren Zeit sich selbst wieder aufgebaut hat und danach mehrfacher Olympiasieger wurde. Mit so einem Menschen von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, ließ mich spüren: der braucht keine Selbstdarstellung. Der war ganz unten und hat sich selbst wieder raufgearbeitet. Der will weder protzen noch was verstecken. Der lebt, was er ist und will als das, was er ist, wahrgenommen werden.

Genauso geht es mir heute. Ich mag nicht so bekannt sein, wie die Frau im Radio (zumindest hat der Rundfunk bei mir noch nicht angefragt 😉) oder der Olympiasieger, aber ich bin, wer ich bin. Erzähle meine Geschichte ungeschminkt, ungeschönt; will weder protzen noch was verstecken. Will gesehen werden als die, die ich bin.

Rampenlicht ist tückisch. Stehst du mittendrin, blicken dich alle an. Erlischt es, sieht dich meistens niemand mehr.

Meine Reichweite mag überschaubar sein, dennoch gelingt es mir hin und wieder, Menschen zu inspirieren, zu motivieren. Manche begleite ich eine Zeit lang, andere kreuzen einmalig meinen Weg und ich erfahre nie, was daraus wurde, aber ich bin überzeugt, dass nichts ohne Wirkung bleibt in diesem Universum. Jeder „Impact“ löst etwas aus. Jede Begegnung bringt etwas in Bewegung, früher oder später, mehr oder weniger, in diese oder jene Richtung. Keine zwei Teilchen können im Universum aufeinandertreffen, ohne sich wechselseitig zu beeinflussen – warum sollten es zwei Menschen können? – Rampenlicht hin oder her.

Bild: pixabay.com

LEBENSKRAFT

Vor wenigen Tagen teilte ich eine Zitrone in zwei Hälften, um den Saft auszupressen. Die Schnittflächen waren ohne Kerne, doch als ich eine der beiden Hälften ausgepresst hatte, blieb etwas in der Saftpresse zurück: ein Kern. Kein gewöhnlicher Kern. Ein Kern samt Wurzel und Trieb. Genau genommen ein Zitronenbaum im absoluten Anfangsstadium seines Lebens. Dieser Winzling war Anlass, ein wenig über das Leben zu philosophieren.

Welch Kraft doch in einem Samenkern schlummert.

Es wird wohl niemand erstaunen, dass ich den Mini-Zitronenbaum nicht im Biomüll entsorgen konnte, sondern ein erstes Zuhause in einem Blumentopf für ihn fand. Möge er wachsen und gedeihen. So wie jene Eichel, die ich im vergangenen Herbst im Wald fand, die mich zu einer Kurzgeschichte inspirierte, und die ich anschließend in die Erde steckte. Mittlerweile ist sie zu einer stattlichen Eiche von rund 30 cm Höhe herangewachsen.

Ich habe schon so einiges eingepflanzt in meinem Leben. Jedes Mal staune ich aufs Neue, wie viel Lebenskraft in ganz wenig Biomasse zu schlummern vermag. Welche Wege das Leben findet, um Neues hervorzubringen, an unzugänglichen Stellen, unter widrigsten Bedingungen. Da hängen mächtige Fichten in beinahe senkrechten Felswänden, blühende Wegwarten zwängen sich durch den Spalt zwischen Fahrbahn und Bordstein, oder eben Mini-Zitronenbäumchen.

Für mich sind das alles Offenbarungen unbändiger Lebenskraft. Aus dem, was vorhanden ist, wird das Bestmögliche gemacht.

Wieviel Lebenskraft steckt in uns Menschen?

Wenn ich auf Menschen treffe, die über ihr Leben und alles, was dazu gehört, klagen (und das sind ganz schön viele), dann frage ich mich, ob diese Menschen schon einmal wahrgenommen haben, mit wie wenig andere (Menschen, Tiere und Pflanzen) in dieser Welt gedeihen und sich entfalten können?

Wieviel braucht es aus dem Außen, und wie viel (Lebenskraft) aus dem Inneren, um zu wachsen, zu gedeihen, aufzublühen? Ist nicht alles, was es dafür braucht, bereits von Beginn an in uns vorhanden – so wie der vollständige Bauplan für einen Zitronenbaum in jenem kleinen Kern?

Einmal mehr frage ich mich, ob es nicht der Blick nach Innen ist, der uns groß und stark werden lässt. Die Rückbesinnung auf das, was uns mitgegeben wurde und das Bestmögliche daraus zu machen.

In meinem Fall gehört zum Startpaket die Gabe, in den banalen Dingen des Alltäglichen die Zusammenhänge des Großen Ganzen zu entdecken. Auf meiner Fensterbank steht nun ein weiterer Blumentopf und ich bin gespannt, welche Blüten die Lebenskraft des Zitronenkerns hervorbringen wird.