GANZ NORMAL

Über den Begriff „normal“ philosophiere ich nahezu täglich. Vor allem, wenn Tage wie dieser meinen Weg säumen: Morgens in der Bahn konstruiere ich vor meinem geistigen Auge ein Konzept, komplexe Prozessabläufe inkludiert und Parameter für die Qualitätssicherung, ohne auch nur einen Strich auf Papier zu machen oder etwas in eine Datei zu tippen, während ich zeitgleich meditativer Klaviermusik lausche. Nebenbei beobachte ich die Menschen rundum, nehme immer noch zu viel von ihren zumeist völlig unangebrachten Telefonaten im öffentlichen Raum wahr, staune (nette Formulierung 😉) über das, wofür sie ihre Zeit und Worte verschwenden. Eine Phrase triggert meine Kreativität und ich schreibe (nebenbei) in eine Notiz folgendes Gedicht:

Aum Limit renna is oafoch.
Imma mehr, imma schnölla.
Losst di s’Lebn intensiv gspiarn,
füht se kroftvoih aun,
is oba nua de oane Seitn von da Medäun.
In da Ruhe liegt de Kroft,
host a scho moi ghert .
Gaunz vüh Kroft liegt a in da Stüh
de zwo teun,
net wei sa se nix mehr zum sogn haum,
sundarn weus koane Wuart mehr brauchen
und den aundarn oafoch gspiarn
im Herzen drin.

Hier die Übersetzung für jene, die mit zentralösterreichischer Mundart (eine meiner Herzsprachen) eine Herausforderung erleben:

Am Limit rennen ist einfach,
immer mehr, immer schneller,
lässt dich das Leben intensiv spüren,
fühlt sich kraftvoll an,
ist aber nur die eine Seite der Medaille.
In der Ruhe liegt die Kraft,
das hast du schon mal gehört.
Ganz viel Kraft liegt in der Stille,
die zwei teilen,
nicht, weil sie sich nichts mehr zu sagen haben,
sondern weil sie keine Worte mehr brauchen,
und den anderen einfach spüren
in ihrem Herzen drin.

… und schon geht’s weiter mit der Feinarbeit am Konzept, betrachte ich die vorbeiziehende Landschaft, übe mich im Ignorieren des Unwesentlichen. Inmitten all dessen verharre ich in meiner Bubble um die (emotionale) Energie von jenen Menschen auszusperren, deren Sätze das Gegenteil von gewaltfreier Kommunikation (nach Marshall Rosenberg) darstellen – und denen dieser Umstand vermutlich nicht einmal bewusst ist.

Ich betrachte mich selbst als „normal abseits der Norm“ oder [nicht] ganz alltäglich. Gemessen am Verhalten der normgebenden Masse bin ich alles andere als „normal“.

Wenn ich mit Angehörigen von Borderlinern spreche, höre ich häufig den Wunsch heraus, die Betroffenen mögen „normal“ werden.

Normal?

In welchem Sinne normal? Der normgebenden Masse entsprechend? Das halte ich für schwierig, ohne sich selbst aufzugeben. Für mich ist es normal, zwischen Gedanken extrem schnell hin und her zu springen, mich von Eindrücken inspirieren zu lassen, über Analogien neue Ideen zu entwickeln, aber ich kann mir gut vorstellen bzw. erlebe das im Alltag, das viele davon schlichtweg überfordert sind, wenn ich das, was ich im Kopf habe, eins zu eins mit anderen zu teilen versuche. Auf der anderen Seite kann ich derart fokussiert in einer einzigen Aufgabe versinken, dass ich nichts mehr um mich wahrnehme. Die normgebende Masse empfinde ich häufig als mühsam, langweilig, träge, unflexibel, problemorientiert … das bedeutet nicht, dass ich diese Menschen abwerte, aber ich bin einfach anders. Anpassung an die „Normalität“ ist möglich, aber anstrengend.

Die meisten Borderline, die ich bis dato kennengelernt habe, tragen in sich ein ähnlich komplexes Potenzial an Kreativität, Emotionalität, … auch sie sind „anders normal“. Sie in eine „normale Normalität“ zu zwingen, kann und darf niemals das Ziel einer Therapie sein, denn es wäre – meiner Ansicht nach – ein ultimativer Akt der Selbstverletzung.

Mir geht es gut, ich fühle mich ausgeglichen (manchmal etwas überarbeitet, weil zu lange am Limit, aber irgendwie ist das auch reizvoll, auf jeden Fall bewusst 😉) und mein Leben funktioniert, WEIL ich „normal abseits der Norm“ lebe. Mein Heilwerdung begann in dem Augenblick, in dem ich entschied, nicht mehr sein zu wollen wie die anderen, sondern einfach ICH selbst. In der für mich  grauen Welt öffnete sich eine Tür und ich holte jenes farbenprächtige Erleben in die Realität, das ich bislang in mir verborgen hatte.

Deshalb heute mein Appell an alle Borderline, Angehörige und jeden Menschen, der dies liest:

Sei, wer du bist! … wer du immer warst und immer sein wirst, ganz tief in dir drin, BEVOR all das in deinem Leben geschah, das dich den Glauben an dich selbst und das Vertrauen ins Leben und die Menschen verlieren ließ. Kehre zurück zum Ursprung, zur immerwährenden Quelle deiner Kraft, an den Punkt, der dich mit dem Leben verbindet, und du wirst alles finden, was du für deinen Weg brauchst: Liebe, Lebendigkeit, Lebensfreude, Leichtigkeit … all das ist in dir und wird es immer sein. Du musst es nur (wieder)finden.

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IN BESTER GESELLSCHAFT

Vor wenigen Jahren verstarb John Nash leider viel zu früh bei einem Autounfall. Er bekam den Mathematiknobelpreis verliehen – und litt beinahe sein ganzes Leben an paranoider Schizophrenie, was ihn nicht davon abhielt, herausragende Leistungen zu erbringen. Elon Musk hat eine Form des Asperger Autismus, was ihn nicht davon abhielt, reichster Mensch der Welt zu werden. Lesley B. Strong, in die Umarmung des Lebens zurückgekehrte Borderlinerin, befindet sich also in bester Gesellschaft.

Also, nicht das ich vorhabe, demnächst die reichste Frau der Welt zu werden. Auch die Verleihung des Literaturnobelpreises sehe ich punkto Wahrscheinlichkeit knapp hinter „von einer Kokosnuss erschlagen während man von einem Hai gefressen wird“ rangieren. Aber ich bin eine von denen, die offen und ohne Scham über ihr „Thema“ sprechen. Insofern in bester Gesellschaft.

In diesem Blog heute möchte ich aber nicht präsentieren, was ich für mich so alles erreicht habe, sondern daran erinnern, was am Anfang dieses Weges stand – und bei vielen anderen noch steht.

Als Kind hatte ich kaum Freunde, weil ich anders war. In der Schule wurde ich gemieden. Oft konnte ich nicht so agieren und reagieren wie die anderen. Ich war anders – und ich war viel allein. Eines Tages sagte ich zu meiner Tante, ich wäre eine Einzelgängerin. Sie gab mir zu verstehen, dass ich keine Ahnung hätte, was das überhaupt ist. In gewisser Weise hatte sie Recht: ich hatte keine Ahnung – wie ich anderen nachvollziehbar begreiflich machen konnte, was in mir drin vorging.

Ich fühlte mich allein – beinahe mein ganzes Leben lang

Heute, nachdem ich die Lebensmitte überschritten habe, baue ich mir jenes soziale Umfeld auf, das eigentlich von Beginn an hätte selbstverständlich sein sollen: ein Umfeld, in dem ich mich angenommen und erwünscht fühle. Anders als jenes Umfeld, das ich erlebt hatte, und in dem ich akzeptiert und geduldet fühlte.

Dieser Beitrag am 4. Adventsonntag will daran erinnern, dass es da draußen Kinder gibt, die sich „anders“ fühlen, aber an der Kommunikation scheitern. Wie sollte es auch anders sein? Es sind Kinder, die fühlen, aber diese Gefühle nicht zuordnen können, nicht die passenden Worte finden, nicht die Denkmuster der Erwachsenen kennen und daher auch nicht wissen, was sie sagen müssen, um verstanden zu werden.

Ob nun eine Krankheit, eine Störung oder die Folgen frühkindlicher Traumatisierungen dazu führen, dass diese Kinder „anders“ sind, sie alle brauchen ein Umfeld, in dem sie sich geborgen fühlen, angenommen als die, die sie sind; geliebt um ihrer Selbstwillen.

„Anders“ zu sein, bedeutet nicht automatisch, im Leben zu versagen, eine dauerhafte Last zu sein, ein Problem, Fehler oder welche krummen Gedanken sonst noch in den Köpfen von Menschen entstehen können.

„Anders“ zu sein bedeutet, ein Individuum zu sein, einzigartig, auf seiner eigenen Reise durchs Leben unterwegs zu sein. Kein Klon, keine Kopie, sondern ein Original, in bester Gesellschaft unter Menschen, die sich ihrer Individualität bewusst sind und authentisch auf ihren Pfaden durch die Welt wandern.

„Echt“ sein heißt das Ziel.

Unter „echten“ Menschen fühle ich mich in bester Gesellschaft.

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EINE ETWAS ANDERE FACETTE VON LEBENSFREUDE

Vor einigen Tagen spielte mir Facebook ein Video auf den Bildschirm. Es ging um die 3 Hauptursachen von Krebs. Keine leichte Kost – und was hat das mit Lebensfreude zu tun? Dazu komme ich gleich. Vorher noch ein paar Worte zu meiner Motivation, mich mit diesem Thema zu beschäftigen. Seit meiner frühestens Kindheit erlebe ich, dass Menschen in meinem Umfeld (hauptsächlich meine biologische Familie) an Krebs erkranken und die meisten auch daran sterben. Ich habe also bereits früh eine gewisse „Furcht“ entwickelt, die Nächste zu sein und daraus wiederum mich dafür interessiert, was ich tun kann, um „aus der Reihe zu tanzen“. Wenn es das Thema Krankheiten betrifft, bin ich liebend gerne das schwarze Schaf meiner Familie und gesund.

Ich teile hier den Link zu dem Video für alle, die es gerne selbst sehen möchten.

Manches in dem Video kannte ich bereits, doch eine Schilderung war für mich diesem Zusammenhang neu: Wie die Wechselwirkung von Sympathikus und Parasympathikus das Risiko an Krebs zu erkranken beeinflusst.

Hier ein kleiner Exkurs, was Google zu Sympathikus und Parasympathikus dazu findet:

Sympathikus und Parasympathikus sind Teil des vegetativen Nervensystems. Sie sind funktionell gesehen meist Gegenspieler: Während der Sympathikus den Organismus auf eine Aktivitätssteigerung („fight or flight“) einstellt, überwiegt der Parasympathikus in Ruhe- und Regenerationsphasen („rest and digest“).

Zurück zum Video und um es auf den Punkt zu bringen: sehr lange Sympathikus-gesteuerte Phasen und zu wenig Regenerationsphasen tragen ihren Teil dazu bei, Krebserkrankungen zu fördern. Außer dem üblichen Alltagsstress gehören auch Traumatisierungen und deren Nachwirkungen zum Team Sympathikus. Auf der anderen Seite versammeln sich im Team Parasympathikus neben erholsamem Schlaf, Ruhephasen, Meditation etc. auch Lebensfreude und Lachen. Irgendwie logisch. Wer Lebensfreude empfindet, ist selten zeitgleich gestresst. Zumindest erlebe ich es auf diese Weise.

Lebensfreude als Gesundheitsvorsorge?

Wenn ich auf meine Familie blicke, nehme ich ganz selten Lebensfreude wahr. Eher das Gegenteil. Insofern bestätigen sich die Aussagen des Videos. Aber wer nun denkt: Hey, ich beuge vor und empfinde Lebensfreude, damit ich nicht krank werde … wird feststellen, dass das so nicht funktioniert. Aus einer Angstmotivation heraus Freude zu empfinden ist der falsche Ansatz per se. Lebensfreude kann vielleicht bewusst gestärkt werden, aber sicherlich nicht erzwungen oder vorgetäuscht.

Wochentags verbringe ich täglich rund zwei Stunden in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei begegnen mir hunderte Menschen, immer häufiger unmaskiert. Ich blicke in viele hübsche Gesichter, teilweise perfekt in Szene gesetzt, doch ich erblicke nur ganz selten Lebensfreude. Leblose Augen, versteinerte Mimik, die sich mitunter fratzenartig verzerrt, sobald die Person ins Handy spricht. Ohne die Worte zu verstehen, zeigen sich die dahinterliegenden Emotionen – definitiv keine Lebensfreude. Es erschüttert mich jedes Mal aufs Neue zu erleben, wie hässlich an sich schöne Menschen werden, wenn sie den Mund aufmachen und ihre Gedanken in die gesprochene Realität drängen. Kein Makeup der Welt kann das übertünchen.

Natürlich kann man auf dem Standpunkt stehen, dass es in der derzeitigen Situation keinen Grund für Lebensfreude gibt. Probleme rundum, Krisen, Teuerungen …

ABER nichts davon ändert sich, ob ich mich nun innerlich von negativen Gefühlen, Ängsten, Frust, Stress etc. zerfressen lassen, oder ob ich der Realität mit einer großen Portion Gelassenheit und Lebensfreude begegne. Die Umstände mögen nicht so sein, wie ich sie gerne hätte, ABER ich kann mich entscheiden die zu sein, die ich gerne sein möchte. Will ich meinen Frust mit dieser Welt teilen, oder meine Lebensfreude? Was soll mich bestimmen?

Aus meiner Erfahrung bei Feuerlauf-Seminaren weiß ich, dass es meine eigene Vorstellungskraft ist, die mich dazu befähigt, barfuß über glühende Kohlen zu laufen. Da ist kein Trick dabei. Nur meine Gedanken, meine Gefühle, fokussiert auf das Ziel, machen das scheinbar Unmögliche möglich.

Jeder Gedanke, jedes Gefühl, bewusst oder unbewusst, wirkt 24/7 auf jede Zelle meines Körpers.

Lebensfreude als Grundhaltung im Leben … welch ein Potenzial!

Vor einigen Jahren entschied ich mich, die zu sein, die ich innen drin immer war und immer sein werde: ein feuriger Funken Lebensfreude – die vermutlich beste Entscheidung meines Lebens 😉

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WORUM ES IM LEBEN WIRKLICH GEHT (2)

… das ist meiner bescheidenen Meinung nach die Grundhaltung. Egal, was rundum ist, ob absolutes Chaos oder Friede-Freude-Eierkuchen, ob die Menschen mich mögen oder nicht, ich mache mir eines stets aufs Neue bewusst:

Ich lebe! Ich atme, fühle, kommuniziere … auf welche Weise auch immer, ich bin mit der Außenwelt in Interaktion und kann mich entscheiden, was ich in diese Welt und zu den Menschen hinaussende.

Jammere ich anderen die Ohren voll über (für mich) Unveränderliches? Finde ich Schuldige und übernehme die Rolle von Ankläger-Henker-Richter in Personalunion? Trage ich meines dazu bei, den Haufen menschlicher Negativität ein Stückchen wachsen zu lassen? Nutze ich die öffentliche Bühne um mich als Opfer zu zelebrieren?

Oder (und an dieser Stelle bremse ich meinen Drang zur Theatralik ein, um die Aufzählung in einem überschaubaren Bereich zu halten, denn … ganz ehrlich, mir würde noch so einiges einfallen 😉) entscheide ich mich, Botschaften nach außen zu senden, die Hoffnung schenken, die inspirieren, die das Herz berühren, die Kraft verleihen und das Vertrauen stärken in das Leben, die Menschen, mich selbst.

Paul Watzlawick sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Dem stimme ich voll und ganz zu.

Die sozialen Medien verleihen jeder einzelnen Stimme eine schier grenzenlose Reichweite. Meine Worte können 24/7 rund um den Globus von jedem vernommen werden, der über Internetzugang verfügt.

Welch eine Macht!

Welch eine Verantwortung! … mehr denn je!

Wirklich jede und jeder von uns trägt zu dem Bild bei, das in diesem Augenblick entsteht, dass sich in den Köpfen unzähliger Menschen manifestiert, dabei ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen beeinflusst.

Stell dir vor, was geschehen würde, wenn ab sofort nur noch lebensbejahende Botschaften geteilt würden?

Die Menschheit steht vermutlich vor ihrer bislang größten Herausforderungen, diesen Planeten als Lebensraum für sich zu erhalten, das längst überholte Konzept von Krieg abzuschaffen, um mittels Kommunikation und Kooperation zu einem friedvollen Miteinander zu finden, in kulturellen Unterschieden nicht die Grenzen, sondern verbindende Vielfalt zu erkennen. Dazu noch all die „kleinen“ persönlichen Herausforderungen.

Wir haben echt viel vor uns.

Wäre es da nicht angebracht, Mut zu machen? Worte und Bilder zu teilen, die uns darin bestärken, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten?

Es ist ähnlich wie mit der Schwerkraft. Ganz gleich, ob du daran glaubst oder verstehst, wie sie funktioniert, sie wirkt und hält dich am Boden (der Realität). Ob du nun daran glaubst oder verstehst, wie es funktioniert, jedes deiner Worte wirkt in dieser Welt, deshalb … wähle deine Worte mit Bedacht. Sie sind der Samen, den du in der Gegenwart auf die Reise schickst und aus dem die Zukunft erwächst.

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(UN)BEQUEME ANTWORTEN

Mein Neuausrichtungsprozess führte mich an jene Stelle, die auf dem Bild zu sehen ist. Wunderschöne Aussicht an einem Novembertag, kurz nachdem sich der Nebel gelichtet hat, die Sonne ihre wärmenden Strahlen auf mein Gesicht warf. Alles wunderbar – bis auf ein paar kreisende Gedanken, die mich beschäftigten und Fragen danach aufwarfen, warum ich mich unrund fühlte.

Da gibt es einige Menschen in meinem Leben, die verursachen, dass ich Teile von mir nicht oder nur eingeschränkt auslebe.

Das ist die bequeme Antwort.

Da gibt es einige Menschen in meinem Leben, denen gegenüber ich einige Teile von mir nicht oder nur eingeschränkt auslebe, weil … (folgt weiter unten).

Das ist die unbequeme Antwort.

Wer mag schon unbequeme Antworten? Die Ursache für mein Unrund-Sein anderen in die Schuhe zu schieben, ihnen die Verantwortung umzuhängen, das wäre so einfach, so bequem, so gewohnt und erlernt. Immerhin wuchs ich in einem Umfeld auf, das grundsätzlich die Verantwortung für jeden Missstand nach außen projizierte.

Aber ich mache es mir nicht (mehr) so einfach.

Der Haken am bewussten Leben ist nämlich, hin und wieder sich mit unbequemen Antworten zu befassen.

Mich in meinem Ich-Sein selbst zu beschränken ist übrigens eine Form der Selbstverstümmelung, nur mal nebenbei erwähnt. Es gibt viele unterschiedliche Arten der Selbstverletzung, die keinerlei sichtbare Narben am Körper hinterlassen, aber tiefe Spuren in der Seele und Psyche.

Warum also schränke ich mich manchen Menschen gegenüber ein und unterdrücke mein Ich-Sein?

Die Antwort auf diese Frage ist unbequem: Angst – vor Ablehnung, Zurückweisung, negativem Feedback etc etc etc …

So richtig unbequem wird es, wenn zu diesen Menschen eine tiefe emotionale Beziehung besteht, dann könnte es nämlich wehtun. Man könnte vereinfacht sagen, ich weiche einem potenziellen Schmerz (Verletzung durch das Gegenüber) aus, indem ich einen garantierten Schmerz (Selbstverletzung) auslöse. Genug Konjunktiv.

Wenn es etwas in diesem Universum gibt, das etwas unnötig komplizieren kann, dann ist der Mensch – mich eingeschlossen!

Während ich auf einer Bank in der Sonne saß, blickte ich auf eine (un)bequeme Antwort, schüttelte den Kopf über mich selbst und entschied mich, einfach mehr auf die Menschen zu vertrauen und auf mich selbst, mit dem klar zu kommen, was auch immer da kommen mag.

VERTRAUTE FREMDE GEFÜHLE

Vor einigen Tagen geschah etwas, das ich nun erstmalig in Worte zu fassen versuchen. Es war eines dieser Ereignisse im Leben, die einen völlig unvorbereitet treffen und nach denen nichts mehr so ist wie zuvor.

Zu Beginn war da eine gewisse Unruhe, die sich maskiert hinter Überlastung (wann arbeite ich eigentlich nicht zu viel?) anschlich. Darauf folgten destruktive Gedanken, der Drang heftige Reaktionen im Umfeld (=Ärger) zu provozieren – und dann war es plötzlich da, dieses vertraute, fremde Gefühl zu sterben. Damit meine ich nicht den Wunsch zu sterben. Todessehnsucht hat damit nichts zu tun. Es war auch keine Panikattacke, sondern das Gefühl, in diesem Augenblick zu sterben. Eine Gewissheit, die ich bereits öfters erlebt hatte und – nachdem ich immer noch hier bin – auch überlebt hatte. Doch diesmal war etwas anders.

Plötzlich tauchte eine alte Erinnerung aus den Untiefen meines Unterbewusstseins auf. Ich an der Schwelle zwischen Kind und Teenager, ziemlich überfordert mit mir selbst, die so anders war in ihrem Denken und Fühlen als alle anderen rundum. Mein Vater, der auf dem Bett lag, im Krankenhaus, wenige Tage vor seinem Tod. Speiseröhrenkrebs im Endstadium. Sein ausgemergelter Körper, der nur mehr ein Schatten seiner selbst war, lag apathisch vor mir, zugedröhnt vom Morphium, das die Schmerzen ausschalten sollte, und gleichzeitig seinen Geist lahmlegte. Doch er fühlte etwas, spürte seinen bevorstehenden Tod. Dessen bin ich mir sicher, denn ich fühlte es auch. Dieses Gefühl drang ich mich ein, überrollte mich und blieb gleichzeitig hängen. Ab und an kehrte es zurück. So wie vor einigen Tagen. Ein übermächtiges Gefühl, das absolut nichts mit der gegenwärtigen Realität zu tun hatte.

Erstmalig offenbarte es seinen Ursprung, lud mich ein, der Dunkelheit ins Angesicht zu blicken und zu erkennen, dass dieses vertraute Gefühl doch ein fremdes war, welches ich übernommen hatte in meiner kindlichen Unerfahrenheit darin, mich selbst zu schützen. Es fiel von mir ab, an diesem Abend vor wenigen Tagen. Erklären lässt sich das nicht, nur schildern. Ich weiß auch nicht, was genau geschah, nur dass ich mich danach unbeschreiblich (er)leicht(ert) fühlte, voller Energie und Lebensfreude.

Ende gut, alles gut?

Warum ich erst Tage nach diesem Ereignis darüber schreibe, hat einen Grund: ganz so „vorbei“ ist es nicht, denn es folgte das „danach“. Ich versuche mich an einem bildhaften Vergleich.

Stell dir eine große Schale mit bunten Glasmurmel vor. Inmitten der unzähligen Murmeln liegt ein schwerer, dunkler Stein. Eines Tages wird der Stein von etwas außerhalb der Schale magnetisch angezogen und siehe da, er verschwindet. In der Schale bleiben nur die bunten Murmeln zurück. Doch keine von ihnen befindet sich noch an dem Platz, an dem sie zuvor war. Alle Murmeln wurden durch die Entfernung des Steins ebenfalls in Bewegung versetzt. Genau an diesem Punkt befinde ich mich jetzt.

Das übernommene Gefühl, das so viele Jahre Platz in mir gewohnt hat, gab seinen Platz frei. Die gewohnte Ordnung ist durcheinandergeraten und dabei, sich neu auszurichten. Dadurch verändert sich auch der Blickwinkel auf manches. Dafür braucht es Zeit und Energie. In meinem Fall auch einen temporären Rückzug aus der Hektik des Alltags, um diesem Prozess Raum zu geben.

Früher gehörte ich zu denen, die ihren Fokus auf das Problem und dessen Auflösung lenkten, ohne zu beachten, was danach folgt. Kam nach dem anfänglichen Hype über das Gelöste eine Phase der Energielosigkeit, stufte ich das als Misserfolg ein. Doch das war es nicht. Ganz im Gegenteil. Es war die Phase der Neuausrichtung, die ich all zu oft zu ignorieren versuchte und mich „durchkämpfte“.

Heute gönne ich mir (zugegeben: mit einigen Tagen jobbedingter Verzögerung) eine Zeit des Rückzugs in die Stille, um das Geschehene wirken zu lassen. Vor 39 Jahren übernahm ich ein fremdes Gefühl, trug es in mir, gab ihm Raum und Leben. Sein Verschwinden wird keine Lücke in mir hinterlassen, ganz im Gegenteil, denn in mir finden sich viele wundervolle Gefühl, die sich nun zu einem neuen Bild in mir ordnen.

In mir höre ich die Worte von Lucy, die x-mal zu mir sagte: „Learn zu distingiush“ (Lerne zu unterscheiden). Nicht alles, was vertraut ist, ist auch das eigene. Was bist du, was bist du nicht?

Ich denke, in der ersten Lebenshälfte sind wir alle damit beschäftigt, zu wachsen, zu werden, etwas aufzubauen. Dabei bleibt häufig die Unterscheidung auf der Strecke. Ab der Lebensmitte geht es (nach einigen philosophischen Lehren) darum, das eigene und zu sich selbst zu finden. Aus all dem, was zuvor an- und übernommen wurde, jenes herauszufiltern, das zu einem selbst gehört. Rückblickend stelle ich fest, dass ich knapp nach meinem 50er damit begann, meine Leben zu vereinfachen, mich von Überholtem und Überflüssigem zu trennen, Ballast abzuwerfen, sowohl physisch als auch psychisch und … emotional.

Fremde Gefühle – so vertraut sie auch sein mögen – dürfen an ihren Ursprung zurückkehren, damit ich werden kann, wer ich bin, immer war und immer sein werde.

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DAS HEB‘ ICH MIR FÜR EINEN BESONDEREN ANLASS AUF …

Wie oft habe ich mir das schon gedacht – und bin damit sicherlich nicht allein. Von Zeit zu Zeit hinterfrage ich diese Aussage, aber bis zu einer Verhaltensänderung hat es dann doch nicht gereicht. Bis jetzt. Vor ein paar Tagen brachte mich ein Telefonat ins Grübeln.

Eine Bekannte sagte kurzfristig eine Verabredung ab, weil jemand in ihrer Familie gestorben war. Unerwartet verstorben. Genauer: vom Abendessen aufgestanden als wäre nichts und eine Stunde später war die Person tot. Kein Unfall, keine akute Erkrankung, nur ein paar Wehwehchen, die wohl viele im Pensionsalter haben. Aber nichts, was ein jähes Ableben vermuten ließe. Ein Schock fürs Umfeld.

Meine Großmutter starb auf ähnliche Weise. Nach einem Ausflug ging sie in ihr Zimmer, fiel um und war tot. Sie wurde 83, hatte ihr Leben weitgehend hinter sich. Eine angeheiratete Cousine von mir kam von einem Nachmittagskaffee nicht mehr nach Hause. Sie war erst in den 40ern. Und meinen Cousin ereilte das Schicksal des unerwarteten Todes mit 18.

Sie alle haben vermutlich – ebenso wie ich – das eine oder andere „für einen besonderen Anlass“ aufgehoben. Sei es ein Kleidungs- oder Schmuckstück, das wohl verpackt im Kasten oder einer Schublade ruht. Sei es eine Flasche Wein, ein Parfum … oder was auch immer als so wertvoll erachtet wird, dass es auf einen besonderen Anlass warten darf/muss.

Und wenn dieser Augenblick nie kommt?

Was, wenn man im Trubel des Alltags viele wunderbare Momente vorbeiziehen lässt, auf den einen besonderen wartend, und dann schlägt das Schicksal zu und man wird der Chance beraubt, jemals wieder etwas zu erleben?

Verschiebe nicht auf morgen, was du dir (und anderen) heute Gutes tun kannst.

Egal, ob einen Spaziergang, eine Muse-Stunde, leckeres Essen, eine Liebeserklärung, … wenn es hier und heute Platz findet, dann darf es sein, auch an einem stinknormalen Tag, an dem so gar nichts besonders ist. Jeder von uns hat nur dieses eine Leben (nach der aktuellen wissenschaftlichen Beweislage) und niemand von uns weiß, wie viele Jahre, Monate, Wochen, Tage, Stunden noch vor einem liegen. Warum also das zurückhalten, was hier und jetzt Freude bereiten kann?

Angeblich bereuen sterbende Menschen weniger das, was sie getan haben, also das, was sie nicht getan haben. Ihre Versäumnisse, die sie nie wieder aufholen können. Die Aussprachen, die sie nicht mehr führen können.

Aber wer denkt schon übers Sterben nach? Wer bereitet sich vor?

Viele Jahre hatte ich Angst davor, übers Sterben nachzudenken. Irgendwann akzeptierte ich, dass man dem Lauf des Lebens nicht entkommen kann. Seither setze ich mich bewusst mit meiner Sterblichkeit auseinander, mit der Endlichkeit des Lebens, wie ich es kenne. Mit dem, was ich noch tun möchte in der mir verbleibenden Zeit. Mit dem, was ich für besondere Anlässe aufhebe … und ob nicht hier und jetzt genau dieser besondere Augenblick ist.

Seit ich den Tod nicht mehr fürchte, empfinde ich meine Lebensfreude intensiver als zuvor. Ich versuche, möglichst wenig Momente zu verschwenden mit unnötigem Ärger über Unveränderliches, und stattdessen so oft wie möglich aus dem Herzen heraus zu leben. Weniger denken, mehr fühlen. Im Alltäglichen das Besondere zu entdecken. Einfach lebendig zu sein im hier und jetzt, denn genau dieser Augenblick ist besonders und wird niemals wiederkehren. Deshalb verdient es dieser Augenblick – so wie jeder andere auch – gefeiert zu werden.

LEBE JETZT – wer weiß schon, was morgen sein wird.

LEBE, denn du wurdest geboren, um lebendig zu sein, deine Lebensfreude mit anderen zu teilen und dieser Welt eine Facette hinzuzufügen, die es ohne dich nicht gäbe.

LEBE in diesem besonderen Augenblick.

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VON DER AUSSENSEITERIN ZUM ROLE MODEL

Diese vergangene Woche war ziemlich turbulent. Gleichzeitig sind spannende neue Ideen und Projekte entstanden. Eine echte Power-Woche. Ein Ereignis sticht für mich aus der Masse hervor. Oder besser gesagt: eine Aussage.

Vor einigen Tagen sprang ich für eine Kollegin ein, übernahm ihre Gruppe. Das Thema waren Zukunftsbranchen und die eigene (berufliche) Rolle in der Zukunft.

Ich muss hier festhalten, dass ich eine sehr leidenschaftliche Trainerin bin, gerne Schwellendidaktik betreibe und dabei eine Menge Spaß habe, mit dem, was aus einer Gruppe kommt, zu arbeiten. Wenn es dann noch um Zukunft und Entwicklung geht, bin ich in meinem Element, die Teilnehmenden zu motivieren, schlummernde Potenziale auszuloten, lang gehegte Träume aus der Schublade zu holen und auf Realisierbarkeit zu durchleuchten. An diesem Nachmittag fiel das Wort Role Model. Auch am darauffolgenden Tag meldete die Gruppe meiner Kollegin rück, ich wäre ein Role Model für sie.

Was bedeutet das, ein Role Model zu sein?

Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, dann erinnere ich den ersten Tag eines Schuljahres. Wir bezogen eine neue Klasse. 18 Schüler*innen, eine gerade Anzahl. 10 Zweierbänke. Ich saß in Bank rechts vorne, gleich neben der Tür – und niemand wollte sich neben mich setzen. Auch nicht an den folgenden Tagen. Oder Jahren.

Ich war eine Außenseiterin, der man aus dem Weg ging.

Ich war anders. Nicht äußerlich, aber in meinem Verhalten. Im Fühlen. Die anderen konnten es sicherlich nicht bewusst benennen, aber sie spürten es – und verhielten sich entsprechend.

Viel Zeit ist seither vergangen.

Heute werde ich also als Role Model gesehen. Die Menschen, die mir diese Anerkennung zukommen ließen, wissen nicht, durch welche Krisen ich ging – aber sie scheinen zu spüren, dass da eine vor ihnen steht, die ganz genau weiß, wovon sie spricht. Keine leere Worthülsen. Wenn ich sage, dass in jedem ein Potenzial steckt, das entfaltet werden kann, dann ist das meine volle Überzeugung, geboren aus der Erfahrung, einst selbst eine ausgegrenzte Außenseiterin gewesen zu sein, die ihre Potenziale heute lebt.

Was bedeutet es für mich, als Role Model gesehen zu werden?

Es erfüllt mich mit Freude, mit Dankbarkeit, bringt mich zum Schmunzeln, weil ich mich überhaupt nicht besonders fühle. Anders, ja, eigenwillig mitunter. Aber nachahmenswert? Wenn es etwas gibt, dass man an mir nachahmen sollte, dann ist das meine konsequente Suche nach Lösungen sowie die Kreativität, die ich dabei an den Tag lege. Und vielleicht noch meinen Humor, über mich selbst lachen zu können, wenn’s mal nicht so klappen will, wie ich mir das vorgestellt habe.

Andere sehe mich als Role Model. Ich selbst sehe mich – nein, nicht länger als Außenseiterin – eher [nicht] ganz alltäglich.

Will ich ein Role Model sein?

Jein. Andere zu inspirieren, neue Wege und Lösungen für sich zu finden, ist eine starke Antriebsfeder in meiner Arbeit. ABER (absichtlich großgeschrieben) für mich liegt auch eine Herausforderung in dieser Role, zumindest wenn ich direkt mit Menschen zu tun habe. Diese Herausforderung hat 6 Buchstaben: GEDULD.

Ich habe meinen Weg gefunden, mit einigen Umwegen und Verirrungen zwar, aber dennoch bin ich angekommen – an einer Zwischenstation, denn mein besserwisserisches Ego ist noch sehr lebendig, neigt dazu, effizientere Wege zu erkennen als die betreffenden Personen für sich festlegen. Nicht einzugreifen (solange keine Gefahr droht), und Menschen ihre eigenen, fallweise umständlichen Lernschritte machen zu lassen, kann mitunter enervierend sein. Es ginge ja anders, aber ich übe mich in Geduld – manchmal etwas zähneknirschend und augenrollend.

Das Role Model hat noch einiges zu lernen – und das ist gut so 😉

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WORUM ES WIRKLICH GEHT IM LEBEN (1)

Da war er wieder, dieser Aha-Moment, der mir immer wieder irgendwo und irgendwann, wie aus dem Nichts begegnet. Diesmal war es eine Doku über die Welt im Jahr 1.000 n.Chr. Da wurde von Menschen berichtet, die aufbrachen, Neuland zu entdecken. Andere wollten ihr Wissen ausweiten und forschten in den unterschiedlichsten Gebieten. All die wesentlichen Dinge des Lebens … Interessanterweise – und das zieht sich durch die viele Dokus, die ich bereits gesehen habe – es findet sich darin kaum jemand, der aufbrach um ein besserer Mensch zu werden.

Keine Sorge, ich fange hier nicht an zu moralisieren. Der Terminus „besserer Mensch“ hat für mich nichts damit zu tun, wie oft ich eine gute Tat vollbringe, etwas an Hilfsorganisationen spende, die Welt rette oder allgemein „besser bin als andere“. Sich mit anderen zu vergleichen bedeutet in der Regel letztendlich nur, dass mindestens eine Person sich schlechter fühlt, weil unzureichend.

Mein Vergleich „besserer Mensch“ bezieht sich auf das, was ich war, als mir erstmalig bewusstwurde, dass ich es bin, die mein (Er)Leben der Realität verursacht, mit allem, was dazugehört. Es ist quasi die optimierte Version meines Ich. Wobei – hier gilt es Vorsicht walten zu lassen. Allzu oft werden dabei Ziele angestrebt, die nichts mehr mit einem selbst zu tun haben, sondern irgendwelche künstlichen Ideale verkörpern, die weder erreichbar noch im Alltag gesund sind – oder beides.

Mein besserer Mensch ist jene reife, ein- und weitsichtige Version, die erkennt, wenn das intrapersonelle Drama zum Einsatz anhebt und dieses nicht mehr zu Lasten anderer auslebt, sondern Wege gefunden hat, das innere Gleichgewicht zu wahren, selbst inmitten der Stürme des Lebens. Wir alle tragen in uns das Bedürfnis nach Anerkennung, Geborgenheit und Liebe. Situationsbezogen mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt. Mitunter sogar gestillt. Bei einigen (vielen) wird jedoch aus dem (ungestillten) Bedürfnis eine (unstillbare) Bedürftigkeit. Ein Dauerzustand, der einem Fass ohne Boden gleicht. Egal, wie viel hineingegeben wird, es genügt nie.

Bedürftigkeit ist eine innere Haltung, die mit den Worten „ich brauche“ beginnt, und selten die Worte „danke für all das, was ich bekomme“ findet. Wer in emotionaler Bedürftigkeit feststeckt, kann niemals frei im Denken und Fühlen werden.

Mein besserer Mensch hat gelernt, sich selbst das Maß an Liebe, Anerkennung und Geborgenheit zu vermitteln, das es braucht, damit die Grundbedürfnisse gestillt sind und die Seele sich im Gleichgewicht befindet. Was darüber hinaus von anderen Menschen kommt, darf gerne als ein Verwöhnprogramm des Lebens genossen werden, aber es ist niemals die alleinige Quelle.

Vielleicht denkt sich nun jemand: „Was hat die denn geraucht? Das ist pure Illusion!“

Ist es das?

Mal abgesehen davon, dass ich nicht rauche – ist es wirklich illusorisch? Oder nur schwer vorstellbar, weil ungewohnt? Unpopulär? In den Dokus über die großen Entdeckungen der Menschheit wird gerne das berichtet, was wissenschaftlich anerkannt und belegbar ist. Selten geht’s um das Menschsein. Vielleicht ist das Thema zu nah an Religionen (an denen man sich ganz schnell die Finger verbrennen kann) oder Spiritualität (die vieles sein kann) angesiedelt? Für mich gehört es einfach dazu, wenn man sich selbst finden und den Sinn seines Lebens entdecken möchte.

Aber wer möchte das schon?

Immerhin besteht ein nicht unwesentliches Risiko, auf diesem Weg zu erkennen, einige (oder mehrere) Jahre seines Lebens Ziele verfolgt zu haben, die bei näherer Betrachtung als Lernaufgabe taugen, ohne je wirklich zu innerer Zufriedenheit geführt zu haben.

Meine „bessere Version“ ist ein erwachsenes Ich, dass über die Torheit meiner Vergangenheit schmunzeln kann, stets bestrebt ist, mich (mehr oder weniger erfolgreich) von weiteren Narreteien abzuhalten, dankbar die Gegenwart annimmt und neugierig nach vorne blickt. Mein Schatten ist mir vertraut und ein stummer Begleiter, doch fürs Licht habe ich mich entschieden und lasse mir davon meinen Weg (er)leuchten. Meine Bedürftigkeit opfere ich freiwillig und freudvoll all dem, das mit umfassender Eigenverantwortung einhergeht. Wenn mir jemand ein „du Arme!“ umhängen will, lehne ich dankend ab. Mein Reichtum ist krisen- und inflationssicher: es ist der Glaube, das Vertrauen und die Liebe zu mir selbst, zum Leben und was immer es bringen wird.

Ein besserer Mensch?

Wenn ich zurückdenke, wer ich einst war, wie ich dachte und fühlte … ich würde sagen: Ja, ich bin heute ein besserer Mensch als ich es damals war.

An diesen Punkt zu gelangen, darum geht’s doch im Leben, oder nicht?

Das heutige Bild wurde von mir aus einem fahrenden Zug aufgenommen und passt meiner Ansicht wunderbar, um das Leben abzubilden: Ständig in Bewegung 😉