DAS HEB‘ ICH MIR FÜR EINEN BESONDEREN ANLASS AUF …

Wie oft habe ich mir das schon gedacht – und bin damit sicherlich nicht allein. Von Zeit zu Zeit hinterfrage ich diese Aussage, aber bis zu einer Verhaltensänderung hat es dann doch nicht gereicht. Bis jetzt. Vor ein paar Tagen brachte mich ein Telefonat ins Grübeln.

Eine Bekannte sagte kurzfristig eine Verabredung ab, weil jemand in ihrer Familie gestorben war. Unerwartet verstorben. Genauer: vom Abendessen aufgestanden als wäre nichts und eine Stunde später war die Person tot. Kein Unfall, keine akute Erkrankung, nur ein paar Wehwehchen, die wohl viele im Pensionsalter haben. Aber nichts, was ein jähes Ableben vermuten ließe. Ein Schock fürs Umfeld.

Meine Großmutter starb auf ähnliche Weise. Nach einem Ausflug ging sie in ihr Zimmer, fiel um und war tot. Sie wurde 83, hatte ihr Leben weitgehend hinter sich. Eine angeheiratete Cousine von mir kam von einem Nachmittagskaffee nicht mehr nach Hause. Sie war erst in den 40ern. Und meinen Cousin ereilte das Schicksal des unerwarteten Todes mit 18.

Sie alle haben vermutlich – ebenso wie ich – das eine oder andere „für einen besonderen Anlass“ aufgehoben. Sei es ein Kleidungs- oder Schmuckstück, das wohl verpackt im Kasten oder einer Schublade ruht. Sei es eine Flasche Wein, ein Parfum … oder was auch immer als so wertvoll erachtet wird, dass es auf einen besonderen Anlass warten darf/muss.

Und wenn dieser Augenblick nie kommt?

Was, wenn man im Trubel des Alltags viele wunderbare Momente vorbeiziehen lässt, auf den einen besonderen wartend, und dann schlägt das Schicksal zu und man wird der Chance beraubt, jemals wieder etwas zu erleben?

Verschiebe nicht auf morgen, was du dir (und anderen) heute Gutes tun kannst.

Egal, ob einen Spaziergang, eine Muse-Stunde, leckeres Essen, eine Liebeserklärung, … wenn es hier und heute Platz findet, dann darf es sein, auch an einem stinknormalen Tag, an dem so gar nichts besonders ist. Jeder von uns hat nur dieses eine Leben (nach der aktuellen wissenschaftlichen Beweislage) und niemand von uns weiß, wie viele Jahre, Monate, Wochen, Tage, Stunden noch vor einem liegen. Warum also das zurückhalten, was hier und jetzt Freude bereiten kann?

Angeblich bereuen sterbende Menschen weniger das, was sie getan haben, also das, was sie nicht getan haben. Ihre Versäumnisse, die sie nie wieder aufholen können. Die Aussprachen, die sie nicht mehr führen können.

Aber wer denkt schon übers Sterben nach? Wer bereitet sich vor?

Viele Jahre hatte ich Angst davor, übers Sterben nachzudenken. Irgendwann akzeptierte ich, dass man dem Lauf des Lebens nicht entkommen kann. Seither setze ich mich bewusst mit meiner Sterblichkeit auseinander, mit der Endlichkeit des Lebens, wie ich es kenne. Mit dem, was ich noch tun möchte in der mir verbleibenden Zeit. Mit dem, was ich für besondere Anlässe aufhebe … und ob nicht hier und jetzt genau dieser besondere Augenblick ist.

Seit ich den Tod nicht mehr fürchte, empfinde ich meine Lebensfreude intensiver als zuvor. Ich versuche, möglichst wenig Momente zu verschwenden mit unnötigem Ärger über Unveränderliches, und stattdessen so oft wie möglich aus dem Herzen heraus zu leben. Weniger denken, mehr fühlen. Im Alltäglichen das Besondere zu entdecken. Einfach lebendig zu sein im hier und jetzt, denn genau dieser Augenblick ist besonders und wird niemals wiederkehren. Deshalb verdient es dieser Augenblick – so wie jeder andere auch – gefeiert zu werden.

LEBE JETZT – wer weiß schon, was morgen sein wird.

LEBE, denn du wurdest geboren, um lebendig zu sein, deine Lebensfreude mit anderen zu teilen und dieser Welt eine Facette hinzuzufügen, die es ohne dich nicht gäbe.

LEBE in diesem besonderen Augenblick.

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