DES LEBENS SELTSAME WEGE

Im Jahr 1996 schrieb ich ein Gedicht mit diesem Titel. Damals war ich im letzten Drittel der Schwangerschaft, alleinstehend, und mein Leben ordnete sich völlig neu.

Im Juli 2020 startete ich eine Leserunde auf LovelyBooks.com. Einer der Leser*innen nannte die letzte Zeile dieses Gedichtes als ihr Lieblingszitat:

Das Leben trägt die, die darauf vertrauen,
an ein sicheres Ufer,
nicht heute, nicht morgen – aber irgendwann,
und auf seltsamen Wegen.

Seit Juli 2020 ordnete sich mein Leben völlig neu – wieder einmal. Manche Verse dieses Gedichtes erlangten (neuerliche) Aktualität. Wenn ich so darüber nachdenke, erscheint mir der nun eingeschlagene Weg stimmig, als wäre er von jeher Teil meines Lebensplans. Dennoch – hätte man mir vor einem halben Jahr davon erzählt, ich hätte es nicht glauben wollen/können.

Auf das Leben zu vertrauen, darauf, dass alles, was geschieht, FÜR UNS geschieht. Um etwas zu erkennen, zu verstehen, zu lernen, zu verändern, …

Es gibt Ereignisse auf unserem Lebensweg, da fällt das leicht. Bei anderen fordert es einiges, insbesondere das eigene, rechthaberische Ego zurückzunehmen und die Dinge in größeren Zusammenhängen zu betrachten. Manchmal scheint es unmöglich, dem zuzustimmen, was gerade geschehen ist oder noch dabei ist zu geschehen … weil es schmerzt, weil es unfair erscheint, ungerecht, unpassend.

Doch das Leben irrt nie – im Gegensatz zum Menschen, der oftmals nur eingeschränkte Informationen von einem einzigen Standpunkt aus wahrnimmt. Ein einzelnes Ereignis wird mitunter isoliert vom Gesamtkontext gesehen und bewertet. Nichts und niemand ist je getrennt vom Großen Ganzen. Wir sind keine Inseln, die inmitten eines riesigen Ozeans einsam vor sich hin in den Wellen treiben. Etwas verbindet uns alle, wirkt systemisch in jedes individuelle Leben, jeden einzelnen Augenblick hinein. Etwas, oder eine Ebene, die heute gerne übersehen wird, denn sie liegt weit unter der Oberfläche dessen, was uns im Alltag beschäftigt. Schwer zu erkennen im ersten Blick, scheint diese Ebene unbedeutend, doch weitgefehlt – aus ihr heraus werden wir bestimmt, unser Denken, unser Fühlen, unser Handeln. Auf ihr werden auch all die Wiederholungen und Muster unseres Lebensweges sichtbar, aus denen wir lernen könnten und sollte, denn tun wir es nicht, wird das Leben niemals müde, uns auf die nächste Runde zu schicken, und die übernächste, und überübernächste … bis wird verstanden und integriert haben, was es zu lernen gibt.

Vielleicht erscheinen – oberflächlich betrachtet – die Wege des Lebens seltsam, doch unter der Oberfläche offenbaren sich die ineinander verflochtenen Zusammenhänge, über Generationen hinweg, die es zu verstehen gilt, will man im Hier und Jetzt die Freiheit erlangen, sein eigenes Leben zu leben, unbelastet von dem, was wir als Familie, Gesellschaft, Menschheit seit langem mit uns rumschleppen und unaufhörlich weitergeben … Eltern an ihre Kinder … immer und immer wieder. Bis einzelne sich aufmachen, den Wiederholungen transgenerativer Traumata zu durchbrechen und neues, freies Leben entstehen darf.

Auf dieser Ebene, unterhalb der Oberflächlichkeit, genügt es nur 100 Jahre in der Geschichte zurückzublicken und zu verstehen, warum psychische Erkrankungen, Persönlichkeitsstörungen oder schlichtweg die Überforderung durch das tägliche Leben heutzutage derart weit verbreitet sind. Vieles wirkt nach wie vor, was vor Generationen geschehen ist und niemals aufgelöst wurde.

Die Wege des Lebens sind nur oberflächlich betrachtet seltsam. Tatsächlich verbirgt sich dahinter eine Logik. Man kann diese Logik als unbarmherzig bezeichnen, denn sie lässt zu, das neugeborene Kinder das nicht aufgelöste Erbe ihrer Eltern als Rucksack auf ihre Schultern gelegt bekommen. Oder als Chance, dass jede neue Generation den Kreislauf beenden kann.

Nichts geschieht zufällig – auch wenn wir gerne an den glücklichen Zufall oder schicksalhaftes Pech glauben möchten. Was uns auf unserem Lebensweg begegnet, entstand aus den Konsequenzen unserer eigenen Handlungen und der vor uns und um uns.

Vor beinahe einem Vierteljahrhundert schrieb ich ein Gedicht, das von einer Leserin aufgegriffen wurde, sie inspirierte und auch mich, denn auf meine Frage, welchen der vor mir liegenden Wege ich nun im Zuge meiner eigenen Entwicklung einschlagen soll, fand ich für mich eine Antwort. Genau genommen eine Art von Wiederholung, denn bereits vor 30 Jahren befasste ich mich intensiv mit dem „senkrechten Weltbild“, Analogien und Synchronizität. Mein Weg wird es sein, diese seit langem von mir praktizierte Sichtweise nun auch aktiv an andere weiterzugeben.

Anfang 2020 waren meine Pläne völlig andere, doch des Lebens seltsame Wege, führten mich hierher. Es fühlt sich richtig an, wie ein sicheres Ufer, und ich vertraue darauf, dass das Leben mich weiterhin gut leiten wird.

Hier nun das Gedicht in voller Länge:

Des Lebens seltsame Wege

Das Leben geht oft seltsame Wege.

Es lässt uns an Dinge glauben,
auf Menschen vertrauen,
wiegt uns in scheinbarem Glück und Sicherheit,
und kennt doch die Angst, all dies zu verlieren.

Es gibt Leid und Schmerzen,
lässt Welten zusammenstürzen wie Kartenhäuser,
beraubt uns jeglicher Zuversicht auf ein Morgen,
lässt uns verzweifeln.

Und es schenkt uns Hoffnung und Träume,
vertrauen auf ein Morgen, auf die Zeit danach,
träumen von dem, was kommen mag,
die Augen verschließen vor dem, was ist.

Das Leben geht oft wundersame Wege.

Es schenkt uns andere Menschen,
Freunde, die um uns sind.
Wesen, die uns verstehen,
an uns glauben, uns vertrauen,
Gefühle geben und Gefühle annehmen.

Es gibt uns Menschen, die uns nahestehen,
die wir sehr gut und sehr lange kennen,
und von denen wir glauben zu wissen,
wer und was sie für uns sind.

Und eines Tages lässt das Leben
uns die Augen schließen,
und wenn wir sie wieder öffnen,
erblicken wir in denselben Menschen
etwas völlig Neues,
das wir niemals zuvor erkannten.

Wahrlich, das Leben geht seine eigenen Wege.

Es gibt uns – und es verlangt von uns.
Was auch immer wir tun,
das Leben kennt die Antwort bevor wir fragen.

Was auch immer geschieht,
das Leben geht weiter bis ans Ende aller Tage.

Jedes Bemühen unsererseits,
es zu verstehen oder gar zu steuern,
hieße gegen den Strom zu schwimmen,
und fortgerissen zu werden.

Das Leben trägt die, die darauf vertrauen,
an ein sicheres Ufer,
nicht heute, nicht morgen – aber irgendwann,
und auf seltsamen Wegen.

(Quelle: „EMBRACE – Fühle die Umarmung des Lebens“ © Lesley B. Strong / Bild: Pixabay.com)

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