Das Leben liefert doch die wunderbarsten Geschichten. Diese hier hat sich vor wenigen Tagen zugetragen. Ich traf mich mit einer Bekannten, um über zukünftige, gemeinsame Projekte zu sprechen … und fand mich innerhalb von Minuten in einer veritablen Lebenskrise wieder. Zwar nicht meiner eigenen, nichtsdestotrotz mittendrin.
Ohne zu zögern, wechselte ich in die Rolle als Coach. Wenn jemand mir sein Herz ausschüttet und nicht weiterweiß, ist das fast schon ein Reflex bei mir. Ich beginne zu beobachten, sehr genau hinzuhören, mich einzufühlen. Menschen, die in Lebenskrisen stecken und von sich sagen, sie wüssten nicht weiter, wissen es – meiner Erfahrung nach – sehr wohl, nur eben nicht bewusst, sondern unbewusst. Sie schreien die Lösung gewissermaßen sogar aus sich heraus, ohne sie selbst hören zu können. Das Unterbewusstsein schickt die Botschaft an die Oberfläche, nur wenig eindeutig, schwer erkennbar, meist kryptisch. Doch wer zwischen den Zeilen liest, erkennt, was jener Mensch in diesem Augenblick braucht, um wieder Zuversicht und das Vertrauen in sich selbst zu gewinnen, um aus der Opferrolle auszusteigen und seine Möglichkeiten zu erkennen.
Es gibt immer Möglichkeiten!
Wir leben in einem dualen Universum. Wie bereits einige kluge Köpfe vor mir festgestellt haben: Ein Problem existiert nie getrennt von seiner Lösung. Die Herausforderung liegt daran, seinen Fokus vom Problem abzuwenden bzw. auszuweiten, um die Lösungen (und es sind stets mehrere) wahrnehmen zu können.
Zurück zu meinem ungeplanten Coaching.
Im Grunde tat ich nicht viel mehr, als jene subtilen, verschlüsselten Botschaften in eine verständliche Form zu bringen und sie zurückzuspielen. Wer das schon mal erlebt hat, kennt die Magie dieses besonderen Augenblicks, wenn in einem Gesicht voller Sorgenfalten, über das sich Schwere und der Schatten der Hoffnungslosigkeit gelegt hatte, plötzlich die Augen zu leuchten beginnen, der Schatten sich auflöst, eine gesunde Gesichtsfarbe zurückkehrt und sich Zuversicht in der Mimik wiederfindet. Wer ganz genau hinsieht, erkennt vielleicht sogar, dass die Wirbelsäule sich aufrichtet, die Schultern den Ballast abwerfen und die Füße kraftvoll nebeneinanderstehend diesen Menschen erden. Wer gut hinhört, wird Veränderung in der Tonlage bemerken, auch im Aufbau der Sätze. Empathisch verlangte spüren dann, dass etwas Wunderbares geschieht.
Ein wahrhaft magischer Moment, indem ich zutiefst dankbar bin, für meinen Dämon, der mir diese nuancierte Wahrnehmung – insbesondere der Emotionen meines Gegenübers – ermöglicht, und meinen Lehrmeister*innen, die mich darin unterrichteten, mit meiner Gabe gut umgehen zu können. Sehr genau zu beobachten, kann man lernen. Den anderen zu spüren, wohl auch, aber für mich als Borderlinerin galt es zu lernen, das auszuhalten, was ich spüre, es von meinen eigenen Emotionen zu unterscheiden, und mir bewusst zu sein, dass ich ebenso aussende. Und – um dem Ganzen ein Krönchen aufzusetzen – den Schmerz in mir in Lebensfreude zu transformieren, um authentisch meine Botschaft in die Welt zu tragen.
Als ich mich vor einigen Jahren aus dem Coaching zurückzog und aufs Schreiben von Geschichten konzentrierte, tat ich das auch, weil ich nicht in den Wettbewerb mit anderen Coaches treten wollen, die allesamt um Kundschaft buhlen und sich selbst in den schillerndsten Farben darstellen, was sie nicht alles wüssten und könnten und versprechen. Ein Schlachtfeld hochtrainierter Egos, auf dem ich mich partout nicht wiederfinden wollte. Das ist nichts für mich.
Seither coache ich nur, wenn sich meine Wege mit einem Menschen kreuzen, der in diesem Moment des Zusammentreffens auf der Suche ist und mich nach dem Weg fragt. Dann höre ich zu, beobachten, fühle mich ein, und übersetze, was ich wahrnehme. Manchmal werden daraus Geschichten, manchmal Gedichte, und hin und wieder leuchtende Augen, wenn dieser Mensch mir gegenübersitzt und erkennt, was längst schon da ist, in jenem magischen Augenblick, in dem ich der Spiegel sein darf, wenn eine Erkenntnis wie ein Tropfen die Oberfläche des Bewusstseins berührt und beginnt, ihre konzentrischen Kreise ins Leben zu senden …
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