Fragen ohne Antworten?

Manchmal tauchen in meinem Leben Fragen auf, die sich nicht leicht beantworten lassen. Egal, wen ich auch frage, ich bekomme keine zufriedenstellende Erklärung. Zur Klarstellung: Bei diesen Fragen geht es nicht etwa um mathematische Gleichungen, Jahreszahlen von historischen Ereignissen, technische Probleme mit Geräten oder irgendetwas, dass man über diverse Suchmaschinen herausfinden könnte. Es geht vielmehr um zwischenmenschliche Themen und Herausforderungen des Lebens, also um etwas mit wesentlich mehr (psychologischen, philosophischen, sozialen oder anderem) Erklärungsbedarf.

Aufmerksame Leserinnen und Leser haben sicherlich schon festgestellt, dass ich keine Anhängerin eines einzelnen Erklärungsmodells für das Leben, das Universum und alles andere bin. Ganz im Gegenteil. Ich picke mir das heraus, dem ich am leichtesten zustimmen kann, denn ich bin davon überzeugt, dass sich das große Mysterium in allem, was rund um uns ist, offenbart.

Jene, die mein Buch EMBRACE gelesen haben, durften erleben, dass ich selbst über (sogar für mich) schräge (physikalische) Gedanken zum Raumzeit-Gefüge zurück in die Umarmung des Lebens finde.

Alles, was existiert, ist ein Teil des Ganzen. Ähnlich wie in jeder einzelnen Zelle unseres Körpers der Code für unseren individuellen Bauplan schlummert, verbirgt sich auch in allem, was uns umgibt, unendliche viele Hinweise, um das Leben, das Universum und alles, was dazu gehört – einschließlich unserer eigenen Person – zu entschlüsseln. Wir müssen nur diesen Code des Lebens knacken. Vielleicht sind es auch unterschiedliche Codes bzw. unterschiedliche Sprachen und unterschiedliche Formulierungen. Auch wir Menschen verwenden innerhalb einer Sprache abweichende Worte für eine idente Botschaft. Aus meiner Sicht ähnelt das Universum einem gigantischen Rätsel mit unzähligen Hinweisen, dessen Lösung jede nur erdenkliche Frage eines Menschen beantworten kann. Oder anders gesagt: Hinter allem, was geschieht, verbirgt sich immer auch die Gelegenheit für eine Erkenntnis und tieferführendes Verständnis.

Das große Mysterium offenbart sich in kleinsten Details.

Ein Beispiel aus der Praxis: Freundschaften. Von jeher kein einfaches Thema für mich. Um den Zusammenhang zum großen Mysterium zu verstehen, werde ich etwas ausholen in meinen Schilderungen.

Was bedeutet Freundschaft? Warum entsteht sie überhaupt zwischen zwei oder mehr Menschen? Wieviel Vertrauen, Nähe und Offenheit wie schnell zulassen? Jemand wie ich mit einer latenten Abgrenzungsthematik kann dabei mit vorhersehbarer Regelmäßigkeit Handlungen setzen, die fast zwangsläufig auf Unverständnis treffen. Ich habe andere mit scheinbarer Gefühlskälte ebenso schockiert wie mit emotionalen Überreaktionen oder meinem plötzlichen Abtauchen in der Versenkung über längere Zeiträume. Und selbst wenn ich einmal auf Kurs bleibe – also im Rahmen „normaler“ Freundschaftsparameter funktioniere – habe ich mehrfach erlebt, das Freundschaft sich auf den Aspekt des „Mistkübels für Psychohygiene“ reduzieren und damit destruktiv werden kann.

Seit ungefähr einem halben Jahr beschäftigen mich mehrere Freundschaften auf unterschiedliche Weise. Eine davon besonders, weil sie ganz anders ist als meine vorherigen Erfahrungen und ich sie einfach nicht einordnen kann. Das Problem dabei ist: Wenn ich das Wesen einer zwischenmenschlichen Beziehung nicht verstehe, schaltet sich ein „Wächterprogramm“ in meinem Unterbewusstsein sein, das nach Anzeichen von Gefahren Ausschau hält. Ich werde unrund, denn „wer suchet, der findet“. Die Konsequenz daraus: Stress – denn ich überwiegend selbst verursache und in den ich andere hineinziehe. Unnötigerweise.

Genau an diesem Punkt war nun diese besagte Freundschaft angekommen, als ich vor ein paar Tagen durch die sonnigen Weingärten zwischen Baden und Sooss gewandert bin, innerlich unruhig und wieder einmal darüber sinnierte, was ich tun sollte in Bezug auf die besagte Freundschaft.

Am oberen Ende des Hanges, am Rand des Wäldchens, inmitten des Gestrüpps, das gerade die ersten grünen Triebspitzen angesetzt hatte, sah ich die weißen Blüten eines Baumes leuchten: Cherry Plum. Ich muss dazu sagen, dass ich mich vor vielen Jahren unter anderem mit Bachblüten beschäftigt habe. Die weiße Blüte von Cherry Plum hat mich schon damals auf eine subtile Weise angesprochen. An diesem Nachmittag in den Weingärten wurde mir plötzlich bewusst, dass mein Blick bereits seit Tagen ständig auf Kirschblüten bzw. Cherry Plum fokussierte. Sie fielen mir auf Schritt und Tritt auf, fingen meine Aufmerksamkeit ein und hielten sie fest. So stand ich an diesem Nachmittag inmitten der Natur und wurde ruhig, ohne etwas dafür zu tun.

Cherry Plum nennt man auch die „Gelassenheitsblüte“ – und Gelassenheit war genau das, was mir seit Wochen fehlte, wenn ich an diese eine Freundschaft dachte. Plötzlich fühlte ich, dass alles in Ordnung war, so wie es war. Ich hatte nicht eine einzige Information mehr als zuvor, dennoch betrachtete ich diese Freundschaft, die ich noch immer nicht verstehen konnte, nun gelassen.

Als ich nach einiger Zeit weiterging, stolperte ich fast über einen anderen Baum. Diesmal waren es zarte weiß-rosa Blüten, die mich zum Lachen brachten. Der Apfelbaum oder Crab Apple, die Reinigungsblüte, steht im Ruf, dabei zu unterstützen, vom Ordnungsdrang (und was ist mein krampfhaftes Streben nach Verstehen anderes als ein Ordnungs- oder Kontrolldrang?) zur inneren Ruhe zu gelangen.

Was hat das mit dem großen Mysterium des Lebens zu tun?

Nun, wie ich eingangs erwähnte, gehe ich davon aus, dass in allem, was existiert, die Schlüssel zum Verständnis des großen Ganzen codiert sind. Nach meiner Ansicht hat Dr. Bach, als er die Wirkungen der nach ihm benannten Bachblüten formulierte, einfach nur den Code des Lebens, den er in einigen Blüten wahrnehmen konnte, in eine für uns allgemein verständliche Sprache gebracht. Jene, die wie er die subtile Botschaft in diesen Blüten wahrnehmen können, werden vermutlich – so wie ich – eine Wirkung in ihrer Gegenwart verspüren. Denn sobald unsere Gedanken die Botschaft verarbeiten, beginnt sie auf jede Zelle unseres Körpers zu wirken. So wie ein Lächeln ansteckend wirkt und ein Wohlgefühl in uns erzeugt, so wirkt auch der Code des Lebens auf unser gesamtes System Körper-Geist-Seele und darüber hinaus durch unsere Ausstrahlung.  

Die Codes und Sprachen des Lebens sind vielfältig, nicht jeder versteht alles, aber ich bin überzeugt, dass es für jeden eine erkennbare Botschaft gibt. Es geht nur darum, unsere Sinne und unser Herz für die Botschaft zu öffnen, die sich rund um uns in unendlich vielen Details offenbart.

Zwei Sätze, die in Verbindung mit Crab Apple stehen, sind jene:

„Ich nehme mich an, wie ich bin.“ … ich bin kompliziert. Bin ich das wirklich? Oder bin ich wie das Leben: Vielfältig und abwechslungsreich in meinen Ausdrucksformen?

„Ich sehe, was wichtig ist.“ … dank zweier Bäume am Waldrand tue ich das wieder. Es ist nicht wichtig, immer alles zu verstehen oder zu kontrollieren. Doch es ist wichtig, seinem Herzen zu folgen, denn es sieht Wege, die unseren Augen verborgen bleiben. Ebenso wie es Botschaften erblickt, wo unsere Augen nur filigrane Blüten erkennen.

Der Code des Lebens ist immer und überall in uns und um uns. In ihm sind die Antworten auf alle Fragen, die wir je stellen werden, bereits enthalten. Für mich persönlich lässt sich die subtile Botschaft des großen Mysteriums in einen Satz fassen:

Fühle die Umarmung des Lebens… Geborgenheit, Liebe, Anerkennung, Glück, inneren Frieden, Gelassenheit … angekommen bei mir selbst.

Zeit der Stille

Diesen Titel gab ich auch dem letzten Kapitel von JAN/A Band 1 bzw. dem ersten Kapitel von Band 2. Ich dachte allerdings nicht, dass ich je einen Blogbeitrag so nennen würde. Dennoch – der Titel passt genau in die Zeit, zu meinen Gedanken und Gefühlen. Wie so viele andere auch, lebe ich nun seit rund zwei Wochen mit den Corona-bedingten Einschränkungen. Abgesehen davon, dass ich seither weder in einem Verkehrsstau noch an einer Supermarktschlange sinnlos Zeit vergeudet habe, hatte ich derart viel beruflich zu tun, dass ich bis jetzt noch nicht dazu gekommen bin, mir die tatsächlichen Auswirkungen auf mich als Person und Borderlinerin bewusst zu machen.

Was bedeutet sie also für mich, diese drastische Reduzierung meiner analogen Interaktionen mit anderen Menschen auf eine Person – nämlich „meinen besten Ehemann von allen“ – und in digitaler Form über Telefon bzw. soziale Medien mit einigen wenigen mehr?

In erster Linie fühle ich mich ruhig. Tatsächlich. Mehr denn je bin ich auf mich selbst zurückgeworfen durch die Einschränkungen der Kontakte. Mit mir selbst klarkommen – vor einigen Jahren war dieser Gedanke eine wahre Horrorvorstellung. Keine oder kaum Interaktion mit anderen? Unvorstellbar, denn in mir war nichts – oder besser gesagt: konnte ich nichts wahrnehmen. Ich brauchte die „Reibung“ mit anderen, um mich selbst zu spüren. Die aktuelle Situation zeigt mir, wie sehr sich das verändert hat. Ich finde in mir alles, was ich brauche, damit es mir gut geht.

Mehr noch. Durch den Wegfall der Reibungsfläche hat sich auch die „Übernahme“ von Stimmungen und Gefühlen anderer deutlich reduziert. Was ich fühle, bin ich selbst, und nicht das, was ich von anderen nicht draußen lassen bzw. abgrenzen kann. Insofern ist diese Zeit der Stille für mich auch eine Zeit der Besinnung auf mich selbst, die mir vor Augen hält, was ich bislang erreicht habe. Ich brauche deutlich weniger Psychohygiene und Ausgleichsphasen.

Gelassen beobachte ich rundum verschiedene Strategien für den Umgang mit der neuen Situation. Da gibt es jene, die auf positives Denken setzen. Die anderen, die sagen, bleib authentisch und wenn’s dir Scheiße geht, dann steh dazu. Auch jene, bei denen sich einiges aufstaut, zu latenter Aggression beträgt, die sich dann bei unbedeutenden Anlässen entlädt. Tatsächlich gibt es auch noch ein paar, die den Ernst der Lage verkennen und Vorsichtsmaßnahmen ignorieren. Und natürlich – typisch für die Gegend in und um Wien – die „Raunzer“, die immer einen Grund finden, sich zu beklagen. Und eine Menge dazwischen.

Irgendwie passe ich wieder einmal in keines dieser Schemata. Die Situation ist, wie sie ist – und sie hat überraschenderweise kaum einen Einfluss auf meinen emotionalen Zustand. Als wäre ich entkoppelt. Oder selbstbestimmt im Fühlen. Am Tag 13 der Ausgangsbeschränkungen hier in Österreich, bin ich nach wie vor in der Umarmung des Lebens verankert, im Urvertrauen, in Geborgenheit und (Selbst-)Liebe. Mir geht’s auf eine nicht zu erklärende Art und Weise gut, ohne Begründung und ohne Einschränkung.

Klar, ich hetzte nicht mehr täglich im Früh- und Abendverkehr ins Büro, weil ich zuhause arbeite. Damit fallen mindestens zwei Fahrstunden plus unberechenbarem Staufaktor weg. Diese Zeit verbringe ich nun während täglicher Spaziergänge um die Mittagszeit mit „Meinem besten Ehemann von allen“.

Unser gemeinsamer Schi-Urlaub hat sich in Nichts aufgelöst – rechtzeitig, denn der Ort kam unter Quarantäne bevor wir noch hinfahren konnte. Damit sitzen wir die Zeit der Beschränkungen in den eigenen vier Wänden aus, was einen gewissen Faktor an Gemütlichkeit mit sich bringt.

Wie’s beruflich weitergeht, wird sich hoffentlich in den nächsten Wochen zeigen.

Einer Infektion mit Corona dauerhaft auszuweichen, halte ich für unwahrscheinlich. Irgendwann wird’s mich vermutlich erwischen. Meine Chance, dadurch immun zu werden, liegt bei 98,8 %. Das Risiko zu sterben bei 1,2 % aufgrund meiner persönlichen Konstitution. Risiko lässt sich nüchtern berechnen. Wenn meine Emotionalität auf Krisenmodus operiert, kann ich eine Situation wie die aktuelle pragmatisch abhandeln.

Meine eigene Gelassenheit erstaunt mich selbst. Es gibt Momente, da denke ich mir: Okay, jetzt bin ich total durchgeknallt. Wieso geht’s mir inmitten der allgemeinen Krise, der Unplanbarkeit im Job und Unabsehbaren Auswirkungen auf meine persönliche Zukunft noch immer gut? Das ist doch nicht normal, oder? Bin ich jenseits der Realität? Wenn ich zurückblicke auf das, was ich die letzten zwei Wochen gearbeitet habe, kann diese Frage eindeutig mit „Nein“ beantworten. Bin ich auf irgendeinem schrägen Psycho-Trip? Sofern Vitamin C keine wahrnehmungsverändernde Wirkung hat, gilt auch hier die Antwort „Nein“. Ich erkenne deutlich, was rund um mich geschieht.

Vielleicht ist mein aktueller emotionaler Zustand aber auch einfach nur „selbstbestimmt“ bzw. unabhängig von den äußeren Faktoren, und genau das ist das Fremdartige daran für mich. Nicht das Erleben der Wirklichkeit beeinflusst mich, sondern ich beeinflusse mein Erleben der Wirklichkeit. Wenn dem so ist, habe ich meinen persönlichen Goldtopf am Ende des Regenbogens gefunden. Vielleicht sollte ich auch weniger darüber nachdenken und einfach die Zeit der Stille genießen.

Für diesen Beitrag habe ich ein Bild gesucht und gefunden, dass für mich persönlich die Kraft der Stille zum Ausdruck bringt. Mein Dank für dieses Bild geht an https://pixabay.com/de/users/bessi-909086/