Da gibt es diese Person A. Ich verrate im Folgenden nicht, ob Person A eine Frau oder ein Mann ist. Person A ist real und steht seit ungefähr einem halben Jahr im Austausch mit mir. Ich weiß mittlerweile eine Menge über Person A und die gescheiterte Beziehung zu Person B. Bei Person B wurde vor einigen Jahren Borderline diagnostiziert.
Eine Beziehung zu einem Borderliner bzw. einer Borderlinerin stellt in den meisten Fällen eine ziemliche Herausforderung dar. Wie viele andere Beziehung auch. Ob sie gelingt oder scheitert, hängt von vielen Faktoren ab. Wie bei anderen Beziehungen auch.
Diese jedenfalls ging schief und wurde durch die Person B beendet. Nun geht es Person A mit dem Ende dieser Beziehung nicht besonders gut. Genau genommen sogar schlecht. Person A versucht nämlich immer noch, Person B zu helfen und aus dem Borderline-Strudel herauszuziehen – ohne jedoch von Person B darum gebeten worden zu sein. Person B hat sich entfernt und ist eine neue Beziehung zu Person C eingegangen. Als dies beobachtet Person A aus der Distanz und kann offensichtlich nicht loslassen. Oder aufgeben? Das ist die Gretchen-Frage: Aufgeben oder Loslassen?
Gehen wir davon aus, dass Person A aufrichtige Liebe für B empfindet, die von B erwidert wird oder auch nicht – wir wissen es nicht. Vielleicht weiß B das selbst nicht. Was wir wissen ist die Tatsache, dass B die Beziehung beendet hat und A etwas für B tun möchte. Aus Liebe? Vermutlich. Aber … wann ist der Zeitpunkt, dieses einseitige Unterfangen, das bislang keinen Erfolg zu verzeichnen hat, zu beenden? Wie lange soll man versuchen, jemand zu retten, wenn dies von der anderen Seite nicht gewünscht wird? Lässt man den anderen im Stich, wenn man irgendwann aufgibt? Oder rettet man sich selbst, indem man loslässt, bevor man selbst daran zerbricht?
Was ist richtig? Was falsch?
Ich wünschte, es gäbe eine verbindliche Antwort auf diese Fragen. Für alle Borderliner und Nicht-Borderliner. Für alle Menschen, die sich in ihrem Leben der Herausforderung „Beziehung“ stellen. Leider gibt es diese Antwort nicht. Jeder Mensch ist einzigartig, und damit auch jede Beziehung. Manch allgemeine Regeln und Annahmen mögen auf viele zutreffen, doch im Detail wird es immer Unterschiede geben.
Beziehung leitet sich vom Wortstamm „ziehen“ ab, das habe ich vor vielen Jahren zum ersten Mal gehört und im Laufe meines Lebens mehr als einmal erlebt. Einer „zieht“ bzw. zerrt mit seinen Handlungen an den Nerven des anderen. Einer „zieht“ den anderen mit sich, weil es dem anderen an Elan, Entschlusskraft, Energie … was auch immer fehlt. Einer „zieht“ dem anderen davon und die beiden entfremden sich. Oder sie „Ziehen“ an einem gemeinsamen Strang und fühlen sich auch nach vielen Jahren noch voneinander „angezogen“. Es gibt viele Arten des „Ziehens“.
Wie es mit A und B weitergehen wird, ist ungewiss. Ich wünsche beiden das Beste. Mögen sie jeder für sich oder gemeinsam das Glück finden, das sie offensichtlich suchen.
Leben ist ein endloser Lernprozess, Beziehungen immer auch ein Stück weit experimentell. Aufgeben oder Loslassen? Das muss jeder für sich selbst entscheiden, jeden Tag aufs Neue, ein Leben lang. That’s life.