Ein rätselhafter Regentag

Ein verregneter Start in diesen Tag. DIE Gelegenheit für eine kleine Leseprobe aus EMBRACE,  mein neuestes Buch, das im März erscheinen wird. Gönn dir eine Auszeit zwischendurch und genieße etwas Romantik – meine Methode für den Umgang mit trüben Tagen und Stimmungen 😉

Kurzgeschichte „Ein rätselhafter Regentag“

Die Welt draußen vor dem Fenster hatte sich entschlossen, jeglichen Staub von ihrer Oberfläche hinweg zu spülen. Es regnete ohne Unterlass, schon seit Tagen. Ungezähmt prasselten die Tropfen auf das dichte Laub der Birken vor unserem Fenster, dann weiter auf das darunterliegende Schindeldach des kleinen Gartenhäuschens, um sich in der Regenrinne zu sammeln und schließlich als plätschernder Miniaturwasserfall auf den Steinen im Auffangbecken zu landen.

Schweigend verfolgte ich das Geschehen. Vielleicht schon seit Stunden? Keine Ahnung. Irgendwie war meine Wahrnehmung aus der Zeit gefallen. Mein Rücken lehnte an der Seitenwand des Kachelofens, dessen Wärme durch meinen ganzen Körper zu fließen schien, bis weit unter die alte, bunte Patchwork-Decke meiner Großmutter, die ich so sehr liebte, und die ich über meine Beine gelegt hatte – und auf der nun auch ein Teil von dir ruhte. Du hattest es dir neben mir auf der Kaminbank bequem gemacht. Dein Körper lag an meinen angeschmiegt.

Draußen der Regen, hier drinnen wir. Nichts anderes existierte mehr an diesem Nachmittag. Wir waren einfach da, verweilten im Augenblick. Keine Gedanken, keine Hektik, nichts zu tun – außer dem Regen zu lauschen, und deinem Atem, dem Rhythmus des Lebens, das dich und mich durchströmte. Ich konnte die Wärme spüren, die dein Körper ausstrahlte. Wenn ich meine Augen schloss, meine Sinne völlig auf dich ausrichtete, fühlte ich deinen Herzschlag – das Leben in dir.

Vielleicht drehte sich die Welt da draußen weiter – hier drinnen war sie definitiv zum Stillstand gekommen in der Zeitlosigkeit eines verregneten Nachmittags. Auf ewig hätte ich in diesem Augenblick verharren können. In dem Frieden, der uns umgab. In der Harmonie, die uns verband. In der Geborgenheit eines vollkommenen Moments.

Du warst ruhig, schienst zu schlafen, angelehnt an die warmen Kacheln und an mich, voller Vertrauen in den Augenblick. Verschwunden war all jenes, das uns zuvor Kummer bereitet hatte, all die Sorgen und Ängste, versunken im Dunkel verblassender Erinnerungen, weggewaschen durch den Regen, der dabei war, die Welt da draußen zu verwandeln. Irgendwann würde es aufhören zu regnen. Der Wind würde die Wolken vom Himmel vertreiben und die Sonne mit all ihrer Kraft würde die Farben der Welt neu erstrahlen lassen.

Deine Augen waren geschlossen, doch mein Blick ruhte auf dir, wich nur selten ab um kurz in die Welt vor dem Fenster zu blicken, dem unablässigen Muster aus Tropfen folgend, die zuerst auf die Blätter der Bäume, dann auf das Dach fielen, und weiter ihrer vorbestimmten Reise folgten, dem unaufhörlichen Lauf der Dinge.

War auch unsere gemeinsame Reise vorherbestimmt? Wohin würde sie uns führen? Wie lange würde sie andauern? Fragen, die da waren in meinem Denken – und auch nicht. Belanglos in diesem Augenblick inniger Verbundenheit, denn die nicht zu erklärende, gefühlte Gewissheit in meinem Herzen war Antwort genug.

Leben im Augenblick. In einem Atemzug. Einem Herzschlag. Hier und jetzt.

Es war alles in Ordnung, in bester Ordnung. Jeder Zweifel daran war wie einer jener Regentropfen, die zuerst auf das Blätterdach der Bäume fielen, dann weiter auf unser kleines Gartenhäuschen und weiter … immer weiter dem unaufhaltbaren Strom folgten.

Ich verharrte in Ruhe und Gelassenheit, mit dir, angelehnt an einen wohlig warmen Kachelofen, an einem regnerischen Nachmittag.

Und das Rätsel, das es zu lösen gilt, ist die Frage, wer wohl mit mir auf dieser Kaminbank verweilte: Ein vierbeiniger Freund? Ein schurrender Schmusetiger? Mein Kind? Die Liebe meines Lebens? Wer weiß…

1000 bunte Schmetterlinge

Eigentlich wollte ich mich heute mit einem WEECKIE ins Wochenende verdrückten, weil ich mich tagsüber irgendwie auf nichts konzentrieren konnte und mal eine geistige Auszeit nehmen wollte.

Tatsächlich habe ich heute eine ungeplante Unterhaltung geführt, und für einen kurzen Augenblick fühlte ich mich einer anderen Seele sehr nahe, obwohl zwischen uns eine Distanz von hunderten Kilometern liegt. Doch was ich in diesem Augenblick wahrnahm, inspirierte mich zur folgenden Geschichte. Vielleicht sind es genau die Worte, nach denen diese Seele sucht? Wenn es so ist, bin ich unendlich dankbar dafür, dass ich sie niederschreiben durfte.

Es war einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, in einem nicht weit entfernten Land, als eine junge Frau sich auf den Weg machte, ein Geheimnis zu ergründen. In einem Gasthaus sitzend hatte sie einer Erzählung am Nachbartisch gelauscht, die davon berichtete, dass es irgendwo da draußen in der Welt Menschen gäbe, die eine leidende Seele zu heilen vermochten. Seit Jahren träumte die junge Frau davon, anderen Menschen zu helfen. Sie wollte lernen zu heilen. So machte sie sich auf, einen dieser in die Heilkunst Eingeweihten zu finden.

Ihr Weg war lang und beschwerlich. Fast schien es, als würde er nie enden. Allmählich begann die junge Frau die Hoffnung zu verlieren, je fündig zu werden, als sie auf einem Marktplatz eine alte Frau sah. Es war schon spät am Abend, die Dämmerung senkte sich über den leeren Platz, zeichnete dunkle Schatten über das grobe Steinpflaster. Beinahe wäre es ihr entgangen, doch aus dem Augenwinkel sah sie, wie die alte Frau ihre Hand auf die Schulter eines Mannes legte. Diese Berührung ließ eine magische Aura rund um den Körper des Mannes erstrahlen; eine Aura, die zuvor nur ein dunkler Schatten gewesen war, und die nun in bunten Farben zu schillern begann. Sofort wurde ihr bewusst: das ist es, was sie suchte! Eine Eingeweihte, die das Leid und den Schmerz einer Seele zu wandeln vermochte.

Sie ging zu der alten Frau, stellte sich und ihr Anliegen vor. Die Alte hörte ihr aufmerksam zu, schwieg einige Zeit, bis sie schließlich zustimmte, ihr Wissen weiterzugeben.

So kam es, dass die junge Frau einige Zeit den Erzählungen lauschte. Diese waren nicht immer leicht verständlich, und sie lieferten auch nicht die Antworten, die sie suchte. Deshalb fragte sie ohne Umschweife: „Ich will heilen. Dazu bin ich berufen. Zeig mir, wie ich heilen kann.“

Die Alte nahm sie mit in ein Haus, zu einem jungen Mann, dessen Seele in die Dunkelheit gefallen war. Er litt unsägliche Qualen und wollte sein Leben nicht länger fortsetzen. Zwischenzeitlich hatte die junge Frau gelernt, worauf sie achten musste, und so sah sie diesmal von Beginn an den dunklen Schatten, der sich um den Körper des jungen Mannes gelegt hatte. Als die Alte seine Hand ergriff und ihm voller Ruhe und Gelassenheit in die seine müden Augen blickte, begann sich der Schatten aufzulösen, verwandelte sich in Tausende im Morgenlicht funkelnden Tautropfen, die schließlich einer nach dem anderen von ihm abfielen und all den Schmerz mit sich nahmen. Seine Seele war frei.

Das will ich auch können, dachte sich die junge Frau, doch als sie auf ihre eigene Hand blickte, sah sie den dunklen Schatten, der sich vor langem auch um sie gelegt hatte. Die Alte hatte ihr gesagt, dass sie zuerst sich selbst heilen musste, bevor sie heilen konnte, aber so sehr sie sich auch mühte, es gelang ihr nicht, ihren eigenen Schatten in Licht zu verwandeln. Je länger sie es versuchte, desto bedrückter wurde sie – und desto verzweifelter.

Aus einiger Entfernung beobachte die Alte die angestrengten Versuche ihrer jungen Schülerin. Schließlich rief sie nach ihr. „Um heil zu werden, musst du alles loslassen, was in dir und um dich ist“, sprach sie zu ihr. „Aber ich habe doch nichts mehr“, erwiderte die junge Frau, „fast alles habe ich verloren, bis auf diese eine Liebe in meinem Herzen. Was bleibt mir noch, wenn ich sie verliere?“ Die Alte spürte die Angst ihrer Schülerin vor dem Verlust. Diese Angst hatte sich wie ein undurchdringlicher Mantel um ihr Herz gelegt, einer schützenden Mauer gleich, welche ihre Liebe bewahren sollte – und doch auch ein Gefängnis war. Lange dachte die Alte über ihre Worte nach, bis sie schließlich sagte: „Du kannst nichts verlieren, denn wir besitzen nichts. Weder unser Leben, dass wir von der Ewigkeit geliehen haben; noch die Liebe, die uns begleitet; noch nicht einmal den Atem, der uns am Leben hält, denn auch ihn lassen wir mit jedem Ausatmen aufs Neue ziehen. Lass alles los, damit zurückkehren kann, was bestimmt ist dich durch dieses Leben zu begleiten.“ Ungläubig schüttelte die junge Frau ihren Kopf über das, was ihr unmöglich erschien in diesem Augenblick. Doch sie gab ihr Ziel nicht auf, sondern kämpfte weiter und versuchte unermüdlich, den Schatten zu wandeln.

Die Zeit verging, doch nichts veränderte sich. Sie kam ihrem Ziel nicht einen Schritt näher.

Eines Tages zog ein Unwetter über das Land, gerade als die junge Frau allein im Wald unterwegs war. Der tobende Sturm beugte selbst die Stämme der mächtigsten Eichen und Buchen, brach mannsdicke Äste wie Streichholzer. Regen peitschte durch die kalte Luft. Blitze zuckten über den pechschwarzen Himmel, gefolgt vom grollenden Donner, der kein Ende zu nehmen schien. Inmitten dieses Unwetters entdeckte die junge Frau ein kleines Mädchen, das wie sie schutzlos durch die Düsternis irrte. Ohne darüber Nachzudenken, warum die Kleine wohl ganz allein hier im Wald war, nahm sie das Mädchen mit. Beide fanden in einer kleinen Höhle Unterschlupf. Völlig durchnässt, frierend und zitternd saßen sie eng beisammen zwischen den kahlen Felswänden. Die junge Frau sah die Angst in den dunklen Augen des Mädchens, die sie haltsuchend anstarrten. So vieles an der Kleinen erinnerte sie an sich selbst, als sie noch ein Kind war. Was sie damals vermisst hatte, und die Kleine jetzt brauchte. Obwohl sie selbst von Furcht erfüllt war, schob sie diese beiseite, hier – inmitten des Unwetters, öffnete ihr Herz, lächelte zaghaft und ergriff die Hand des Mädchens. Ihre Lippen schwiegen, doch ihr Herz sprach auf eine Weise, die nicht zu erklären war. Es erzählte von Vertrauen – das auch dies gut enden würde. Von Geborgenheit – weil sie einander hatten. Von Liebe – die immer um sie sein würde.

Plötzlich – inmitten des Unwetters, in dieser kalten, klammen Höhle – verwandelte sich der dunkle Schatten, der das kleine Mädchen umhüllte, in unzählige bunte Schmetterlinge, deren schillernde Flügel magisch funkelten im Licht der Blitze, die über den Himmel zuckten. Die Angst wich aus den Augen des Mädchens, das zu lächeln begann wie nur ein Kind zu lächeln vermochte, das sich um seiner selbst geliebt fühlte. Sie nahm die Kleine in ihre Arme. So verbrachte beide die Nacht in dieser Höhle.

Am nächsten Morgen erwachte die junge Frau allein in der Höhle. Das Mädchen war verschwunden. Einen Moment lang war sie darüber verwundert, doch dann fiel ihr Blick auf ihre Hand, um die sich eine magisch funkelnde Aura gelegt hatte, die im gedämpften Licht der Höhle in allen Farben des Regenbogens schillerte. Sie versuchte noch zu begreifen, wie das geschehen konnte, als sie aus Höhle trat und ein sanfter Windhauch sie erfasste, ihr eine Botschaft ins Ohr flüsterte: „Ich sagte dir doch, los alles los, damit zu dir zurückkehren kann, was bestimmt ist dich zu begleiten.“

Von diesem Tag an vermochte die junge Frau die Dunkelheit in Licht zu verwandeln. Und wenn sie nicht gestorben ist … nun, wenn es mir bestimmt ist, mit meinen Worten die Seele eines anderen zu berühren, dann wird diese Frau nun jenen Weg gehen, der ihr bestimmt ist.

Ein Baum wie ein Leben

Wie vor einigen Tagen angekündigt, hier nun die Geschichte, die während meines „ich-bringe-mich-auf-andere-Gedanken“-Spaziergangs entstanden ist:

Es war einmal … ein Baum. Ein ganz besonderer Baum. In mitten von unzähligen Buchen und Eichen, Eschen und Haselnussbüschen, deren Blätterkleid im Laufe des Jahres seine Farben wechselte, stand eine mächtige Schwarzföhre. Anders als viele ihrer Art strebte ihr Stamm nicht gerade in den Himmel empor, sondern teilte sich bereits wenig oberhalb des von Efeu und Immergrün überwucherten Waldbodens in einen zweiten und dann weiter in den nächsten und übernächsten Stamm. Es waren nicht einfach nur dicke Äste. Diese besondere Schwarzföhre hatte tatsächlich mehrere Stämme.

Wenn man vor ihr stand, sich klein und unbedeutend vorkam im Angesicht eines Geschöpfes, das wohl schon die Großeltern der Großeltern beim kindlichen Herumtollen beobachtet hatte, dann war es manchmal, als würde eine Stimme zwischen den Ästen ihren Besuchern einen Gruß zuflüstern – und eine Geschichte, über das Leben, das vielleicht nicht immer ganz einfach ist, aber was auch immer kommt, es geht auch wieder vorüber. Klage nicht über das, was dich stärker gemacht hat, wenn es vorüber ist. Halte nicht an dem fest, was dich im Augenblick glücklich macht, lass es ziehen und freue dich, dass du es erleben durftest.

Viele Jahre sind vergangen, seit ich diesen Baum zum ersten Mal besuchte. Unzählige male war ich seither zurückgekehrt. Wenn mich meine Gedanken ruhelos durch den Wald trieben, wenn Sorgen meine Stirn mit Falten bedeckten, wenn Antworten sich vor mir zu verstecken schienen wie Mäuse im dichten Unterholz. Am Fuß der alten Schwarzföhre, angelegt an ihren mächtigen Stamm, dessen grau-braune Borke manchmal wie die schuppige Haut eines Drachen vergangener Zeiten anmutete, angelehnt an einen Freund, fand ich Ruhe und manchmal auch Antworten. Oder einfach nur ein wenig Zuversicht, dass wohl auch das, was mich in diesem Augenblick beschäftigte, vorüberziehen würde, wie so vieles, dass an diesem Baum bereits vorübergezogen war.

Manchmal wünschte ich mir, ich könnte die Sprache des Baumes verstehen, könnte den Geschichten lauschen, die er zu berichten hatte, die seinen Stamm in so viele gespalten hatte, welcher Sturm jenen Ast geknickt und welches Gewitter jene Wurzel von Erde freigespült hatte. Vom Leben gezeichnet stand er da, dennoch vor Kraft strotzend. Unnachgiebigkeit mochte ihn im Sturm so manchen Ast gekostet haben, Ausdauer ließ ihn Dürren überstehen. Kälte und Hitze hatten ihm zugesetzt. Ein Baum wie ein Leben, das war er, ein Baum wie mein Leben – mein Lebensbaum.

Im Laufe der Jahre wurde die Schwarzföhre für mich zu einem stummen Freund, wobei – ganz so stumm war sie nicht. Im Frühjahr, wenn das Leben nach dem Winter mit aller Kraft zurückdrängte, wenn der Waldboden übersät war mit gelben, weißen und violetten Blüten, wenn sich das erste saftige grün mit den Triebspitzen zeigte, dann waren es die Stimmen der Vögel, die davon erzählten, was sie hoch oben im Wipfel des Baumes vernommen hatten. Im Sommer, wenn ich im Schatten am Stamm vor der Hitze des Tages Zuflucht suchte, war es das Zirpen der Grillen, ein feines Surren in der Luft, ein Rauschen im Blätterdach rundum. Wenn der Herbst den Wald in feurigen Farben erstrahlen ließ, von rot über gelb bis orange, vernahm ich die Botschaft mit dem kühlen Wind, der raschelnd so manche Blätter vor sich hertrieb. Selbst im Winter, wenn die bunten Farben verschwunden waren und nur noch das grau-braun der Stämme zwischen dem Schnee von der einstigen Pracht kündete, lehnte ich mich an meinen alten Freund an, lauschte seiner wortlosen Erzählung im Klirren der Eiskristalle, die an seinen dunklen Nadeln hingen.

Eines Tages traf ich meinen Lebensmensch.  Das Leben hatte ihn gezeichnet, dennoch stand er voller Kraft vor mir.  Unnachgiebigkeit hatte ihn so manch bittere Erfahrung machen lassen, Ausdauer einige schwere Zeiten überstehen lassen. Die Jahre und viele Herausforderungen hatte ihm zugesetzt. Ein Mensch wie das Leben, das war er, ein Mensch wie mein Leben – mein Lebensmensch.

Ab und an gehen wir gemeinsam in den Wald, besuchen die alte Schwarzföhre, die noch immer mächtig vor uns aufragt, ganz so, als würde das Dach des Himmels auf ihren Ästen ruhen und wir darunter Schutz finden. Längst schon versuche ich nicht mehr, einen dieser Augenblicke festzuhalten, sondern bin dankbar für jeden einzelnen, den ich erleben darf. Und wenn das Leben meine Bitte erhört, dann werde ich noch viele Male meinen Lebensbaum besuchen – gemeinsam mit meinem Lebensmensch.

Ach ja, der Baum auf dem Bild ist besagter Lebensbaum. Auch in dieser Geschichte versteckt sich ein Körnchen Wahrheit.

Das Mädchen und der Löwe

Es war einmal ein kleines Mädchen, das in einem kleinen Dort am Rande der Welt lebte. Genau genommen war es eher eine Frau im mittleren Alter, die schon so einiges erlebt hatte. Die Spuren dieses Lebens waren in ihrem Gesicht erkennbar. Manch dunkle Flecke zeigten sich auf ihrer Seele und so manche Narbe auf ihrem Herzen. Doch ein Teil von ihr war im Fühlen noch immer ein kleines Mädchen, voller Neugier auf das Leben und in ihrem Herzen den Wunsch tragend, den Menschen rundum zu vertrauen, voller Leichtigkeit und Lebensfreude. Die Menschen rundum verstanden dies nicht, hielten es für Leichtsinn und warnten das Mädchen immer und immer wieder, nie zu vertrauen, immer zu zweifeln, denn die Welt da draußen wäre böse und voller Gefahren.

Eines Tages brach das Mädchen zu einer langen Reise auf. Sie ging allein hinaus in die weite Welt. Ihr Weg führte sie über Berge und durch Täler, weit weg von allem, was sie kannte. Nach einiger Zeit bemerkte sie, dass ein Löwe sie in einiger Entfernung begleitete. Unruhe überkam sie. Ein Löwe? Welche Gefahr wohl von ihm ausging? Skeptisch beobachtete sie ihn und stellte fest, dass er sich langsam näherte. Meile für Meile schrumpfte der Abstand zwischen den Beiden.

Die Nacht brach herein. Hektisch überlegte das Mädchen, was sie tun könnte, um sich vor der ihr noch unbekannten, aber offensichtlichen Gefahr zu schützen. Also versteckte sie sich unterhalb einer Dornenhecke und hoffte, die spitzen Dornen würden den Löwen abschrecken. Dieser näherte sich ihrem Versteck, als würde er die Dornen nicht sehen, bis er die Stiche spürte und zurückwich. Das Mädchen wähnte sich in Sicherheit, doch als sie aufblickte, sah sie in den Augen des Löwen etwas, dass sie nicht erwartet hatte: nicht Schmerz, nicht Wut, es war Einsamkeit. Die ganze Nacht über lag sie wach unter der Dornenhecke und fragte sich, ob sie dem Löwen unrecht getan hatte. Dieser wartete in einiger Entfernung einsam im Dunkel der Nacht. Warum auch immer, das Gefühl ließ sie nicht los, dass dieser Löwe keine Gefahr für sie war, egal, wie bedrohlich er wirkten mochte und egal, was die Stimmen in ihrem Kopf sagten, die Stimmen jener aus ihrem Dorf, die ihre Gutgläubigkeit immer mit Dummheit gleichsetzten und alles taten, um Angst und Misstrauen in ihr Herz zu bringen. War es klug, jedem Fremden mit Furcht zu begegnen? Oder dumm, einen Freund nicht zu erkennen, weil es an Vertrauen fehlt?

Als der Morgen graute, kroch das Mädchen unter der Dornenhecke hervor und setzte seinen Weg fort. Auch der Löwe trabte wieder los. Im Laufe des Tages verringerte sich der Abstand zwischen ihnen. Mal machte das Mädchen vorsichtig einen Schritt auf den Löwen zu, mal der Löwe einen Schritt auf das Mädchen. Als die Dämmerung sich über das Land herabsenkte, waren sie nur noch einen Schritt voneinander entfernt. Die Kälte und Einsamkeit der Nacht erfassten das Mädchen. Sie blickte in das Gesicht des Löwen, in seine Augen, und fand nichts, dass sie fürchten wollte in diesem Augenblick. So ging sie einen letzten Schritt auf den Löwen zu, lehnte sich gegen seine dichte Mähne und legte ihre Arme um den Hals des Löwen, der sich langsam zur Seite rollte und sie fand unter seinen mächtigen Pfoten Schutz für diese und für viele weitere Nächte, denn von nun an setzten sie die Reise gemeinsam fort.

Und wenn sie nicht gestorben sind … dann wandern sie auch heute noch durch die weite Welt, schicken Nachrichten durch die Nacht und warten auf den Tag, an dem nicht mehr tausende von Meilen sie trennen werden, sondern vielleicht nur noch ein Schritt.

Wie in jedem Märchen, liegt auch in dieser Geschichte ein Körnchen Wahrheit verborgen. Manchmal entsteht Freundschaft und Vertrauen scheinbar aus dem Nichts, wo wir es nie erwarten würden und zu einem Zeitpunkt, der denkbar ungeeignet dafür scheint. Umso mehr sollten wir dankbar dafür sein, dass es geschieht.

Auf den Schwingen des Adlers

Die nachfolgenden Zeilen wurden niedergeschrieben am 27.12.95 um 23.45 Uhr in einem Anflug von Übermut, von Lebenslust und Freude.

Nicht frei ist, wer nicht wie des Adlers Schwinge fühlt …

Es gab Zeiten, da war mein Herz hinter Mauern aus Angst verborgen, und nur die Worte aus dieser Feder konnten dem Gefängnis entrinnen. Ich war gefangen.

Es gab Zeiten, da waren die Worte verstummt, das Herz gebrochen, die Feder vertrocknet. Ich war gefangen.

Es gab eine Zeit, da kehrten die Worte wieder, zerstörten die Mauern, die Feder focht gegen unsichtbare Dämonen. Jedes Wort auf diesem Papier wurde niedergeschrieben gleich Nägeln, die von schweren Hämmern in Eichenholz getrieben wurden um dort auf ewig zu bleiben. Jedes Wort ist ein Stein aus der Mauer, für immer an das Papier gefesselt, für immer von mir genommen. Ich bin nur nicht länger gefangen.

Doch wer könnte von sich sagen die Freiheit zu kennen, der nicht weiß wie des Adlers Schwinge fühlt doch am Firmament, wenn die Winde sich an ihr brechen, wenn Thermik und Strömung ihr Auftrieb geben hoch hinauf zu steigen, wenn Zartheit und Schönheit den Gewalten der Stürme widersteht.

Wer ist frei, der nicht weiß, wie der Mäuse Barthaar fühlt, wenn sie durch dunkle Gänge hetzt, verfolgt von den glühenden Augen der Katze dem Tode gewiss und doch unerreichbar für des Jägers Krallen geboren im Schutze der Schlauheit, wissend, wo die Gefahr lauert und ihr entgeht.

Nicht frei ist, wer nicht der Wolken Reisen kennt, gesehen, was sie gesehen, gewesen, wo sie gewesen, im Geiste mit ihnen die Welt umrundet hat und doch zuhause bleib, wer nicht als Regentropfen vom Himmel fiel um über Bäche und Flüsse zum Meer zu gelangen, um durch der Fische Kiemen und der Stürme Wellen zu reisen, um zu den Wolken emporzusteigen.

Wer kann frei sein, der nicht den Gang der Zeit bestimmt, den Lauf der Dinge kontrolliert, Gestern im Heute und Morgen im jetzt erscheint, Dinge zu tun die waren – oder auch nicht – oder sein werden?

Nicht frei ist, wer nicht das Leben lebt wie ihm gegeben, sich zu verstecken hat wenig Sinn, wenn das Versteck nur ein unsichtbarer Mantel ist und dahinter lauert, was ist davor?

Wer kann frei sein, wenn er es nicht will?

Nicht frei ich kann sein, wenn mein Herz ich verstecken muss, nicht frei ich bin, wenn ich ICH nicht bin.

Nicht frei, wenn ich nicht wie des Adlers Schwinge fühl’ …

Jänner 2013: Wir können lange, sehr lange verstecken, wer wir sind. Doch es wird immer Momente geben, da sich die “Wahrheit” ihren Weg an die Oberfläche bahnt – so geschehen im Dezember 1995. Die Freiheit, im Geist zu sein wer wir sind, ist wohl jene Freiheit, die uns niemand nimmt – und die wir dennoch aufgeben, Tag für Tag, um zu sein, wer wir nicht sind. Dann leben wir. Doch LEBENDIG sind wir erst, wenn wir der Lebenslust in uns Raum geben.

September 2019: In den vorangegangenen Beiträgen habe ich immer wieder über Fraktale sinniert. Das Konzept der Freiheit – was auch immer jeder für sich selbst darunter versteht – begleitet mich als Fraktal schon mein Leben lang. Im Dezember 2015 fand einer der größten Umbrüche meines Lebens statt – und ich schrieb über Freiheit. Im Mai 2013 kam es zu dem finalen Showdown, der sich bereits im Jänner abzuzeichnen begann. Heute denke ich wieder über Freiheit nach. Was wird wohl in den nächsten Wochen und Monaten geschehen? Ich bin schon gespannt, wohin es mich diesmal führen wird.

Ein Märchen am Montag Morgen

Meine moderne Version des „hässlichen Entleins“: Es war einmal ein Mädchen, das jeden Blick in den Spiegel scheute, denn was sie darin sah, war nicht das, was sie erblicken wollte und was kaum jemals auf dem Titelblatt eines Hochglanzmagazins zu sehen sein würde. Nichts wünschte sie sich mehr, als dies verändern zu können, doch die Zeit zog ins Land, hinterließ ihre Spuren, und nie fand sich genug Geld, um das Bild, dass dieses Mädchen in seiner Vorstellung von sich hatte, Realität werden zu lassen. Sie fragte sich, was andere Menschen an ihr fanden, denn sie war weder reich noch schön, und – so glaubte sie zumindest – auch nicht liebenswert.

Eines Tages, als sie ihr Spiegelbild im stillen Wasser eines dunklen Sees beobachtete und sich wieder einmal fragte, was andere wohl bei ihrem Anblick denken mochten, flüsterte ihr der Wind eine Antwort ins Ohr: „Jene, die mit den Augen blicken, sehen, was Du siehst – und jene, die aus ihrem Herzen auf Dich blicken, sehen, wer Du wirklich bist; das in Dir in eine Schönheit ist, der keine Zeit der Welt etwas anhaben kann: Liebe; und ein Reichtum, der keinen Mangel fürchten muss: Bedingungslosigkeit.“

An diesem Abend blickte das Mädchen in den Spiegel, und diesmal blickte sie tiefer, vorbei an der Oberfläche, die so leicht zu täuschen vermag, die vergänglich ist und ab diesem Augenblick ohne Bedeutung war, denn hinter all dem entdeckte sie das, was die anderen schon längst gefunden hatten – und sie lächelte, während eine einzelne Träne sich glitzernd aus ihrem Augenwinkel löste. An diesem Abend verwandelte sich das hässliche Entlein in einen – nein, keinen schönen Schwan, wer glaubt denn an Märchen? –  in einen Adler, der sich leicht wie eine Feder in die Lüfte erhob, getragen von etwas, dass manche wohl „bedingungslose Liebe“ nennen würden. Und wenn das Mädchen nicht gestorben ist, dann schreibt sie heute vielleicht Geschichten, wer weiß?

Romantischer Drache am Montag Morgen

Ich habe ein intensives Schreibwochenende hinter mir. Das löst einerseits tolle Gefühle wie Zufriedenheit und Freude aus. Ein wenig Stolz ist auch dabei. Gleichzeitig verändert es auch den Blick auf die Vergangenheit. Interessanterweise wird dieser weniger kritisch, mehr versöhnlich. Ganz so, als würde ich mir selbst auf die Schulter klopfen und sagen: „Hey, schau mal, das alles hat es gebraucht, damit du heute tun kannst, was du tust. Gewiss, vieles davon war nicht einfach und manches hättest du dir lieber erspart, aber letztendlich bist du heute hier und es geht dir gut. Nur das zählt.“

Wenn ich dann zwischen nachdenklicher Sentimentalität und einem Hauch von Melancholie taumle, greife ich öfters in die (digitale) Schublade meines Schaffens und grabe etwas Altes aus. Meistens aus dem Jahr 1996. Damals war ich Single und schrieb Gedichte. Sehr romantische Gedichte. Damals war ich verliebt, aber nicht in einen Mann, wie ich mir angestrengt versuchte einzureden, sondern in das Leben. Und in gewisser Weise auch in mich selbst, denn ich war allein, musste mein Fühlen und Denken an niemanden anpassen. Dabei blitzte für einige Zeit durch, was seit Beginn an in mir schlummerte: mein romantischer Drache, wie ich diesen Teil von mir gerne nenne. Der Drache verschwand wieder in der Dunkelheit meines Unterbewusstseins, als ich nicht mehr allein war. Er kehrte erst zurück als ich bereit war, auch an der Seite eines anderen Menschen ich selbst zu sein und nicht länger der Versuch der Verkörperung meiner Annahme dessen, was der andere wohl von mir erwarten würde und akzeptieren könnte …

Mein romantischer Drache kehrte zurück als ich bereit war, ich selbst zu sein.

Hier eine kleine Kostprobe, wie romantisch mein Drache sein kann. Ich finde, das ist ein guter Start in die Woche. Ein wenig Romantik als Gegenpol zu stressigen Montagmorgen-Gedanken. Daran könnte ich mich gewöhnen …

Das Lächeln des Mondes

Hab ich dir je erzählt,
dass der Mond lächelt,
wenn eine Sternschnuppe über den Himmel zieht?

Hab ich dir je erzählt,
dass hinter jedem Spiegel
eine unbekannte Welt auf uns wartet?

Hab ich dir je erzählt,
dass du nur deine Augen schließen musst,
und vor dir liegt das Reich deiner Fantasie,
die Welt am Ende des Regenbogens?

Hab ich dir je erzählt,
dass Gedanken reisen können
wie Vögel im Wind, wie Sonnenstrahlen,
und jeder findet sein Ziel?

Hab ich dir je erzählt,
dass wir frei sind, wenn wir es wirklich wollen,
wenn wir uns über unsere eigenen Grenzen hinweg erheben
um zu sein, was wir schon immer sein wollten?

Hab ich dir je erzählt,
dass wir alle nur kleine Räder sind in der großen Maschine des Lebens,
Sandkörner im Glas der Ewigkeiten, und doch – gäbe es einen von uns nicht,
wäre diese Welt nicht so wie sie ist.

Hab ich dir je erzählt,
dass es einen großen Fluss, einen Strom gibt, der uns alle mit sich führt,
und irgendwann irgendwo an Land spült, für einen kurzen Augenblick,
um uns sofort wieder auf die Reise mitzunehmen,
und oft bleibt uns nur ein Moment,
um aufzusehen,
und zu erkennen,
wo wir sind,
und wer bei uns ist.

Hab ich dir je erzählt,
dass wir Gefährten sind auf der endlosen Reise des Lebens,
vom Anfang aller Dinge bis zum Ende allen Denkens –
und darüber hinaus – verbunden durch das Leben.

Hab ich dir je erzählt,
dass es Zauberei und Magie wirklich gibt,
dass manche sie ganz einfach Liebe nennen,
und genauso wenig erklären können?

Hab ich dir je erzählt,
dass ich dich liebe –
und dass der Mond lächelt,
wenn ich an dich denke?

© Lesley B. Strong

Memories of Green

1996 war ein Jahr der Veränderungen für mich. Ich war schwanger, Single, und hatte keine Ahnung, wie mein Leben in Zukunft aussehen würde. Aber eines wusste ich mit Gewissheit: es würde weitergehen – irgendwie. Damals schrieb ich an einem Abend folgendes Gedicht, während ich den Song „Memories of Green“ hörte.

Rückblickend würde ich sagen, ich schrieb damals jene Worte, mit denen ich eines Tages auf mein Leben zurückblicken wollte. Ich schrieb nieder, was Jahre später tatsächlich geschehen sollte und auch geschah.
Damals wie heute haben diese Worte für mich eine ganz besondere Bedeutung.
#feeltheembraceoflife

MEMORIES OF GREEN

Ich erinnere mich an ein Lied,
eine Melodie,
eine Nacht.

Ich erinnere mich an einen Blick
ein Lachen
eine Berührung.

Ich erinnere mich an Wärme,
an Zärtlichkeit,
an Geborgenheit.

Ich erinnere mich an Licht,
an sanftes, warmes Licht
und an zwei Körper, zwei Seelen,
die in dieses Licht gingen
und fielen
und fielen
und immer tiefer fielen,
sich auflösten
verschmolzen.

Ich erinnere mich an ein Gefühl,
eine Empfindung,
intensiver, klarer und stärker
als alles andere davor.

Ich erinnere mich an Bilder
und Träume,
an Farben,
an Licht.

Ich erinnere mich an ein Wort
und einen Gedanken,
an Stille.

Ich erinnere mich an eine Bewegung
die zwei Körper, zwei Seelen erfasst
und mit sich fortträgt,
weit, weit weg –
in ein Land,
das keine Zeit kennt,
keinen Anfang und kein Ende.

Ich erinnere mich an Ruhe,
an Zufriedenheit
und Glück.

Ich erinnere mich an alles,
und nichts,
und an Dich.

Ich erinnere mich an Deine Stimme,
deine Augen
und deine Wärme.

Und ich erinnere mich an Liebe.

© Lesley B. Strong

Romantik zwischendurch …

Liebeserklärung der Einen (Borderline) an ihren Dämon (sich selbst)

Was war mein Leben ohne Dich?
… ein Sandkorn im Stundenglas der Ewigkeit, von Tag zu Tag getrieben durch die Ereignisse, ohne zu verweilen, ohne Halt.

Was ist mein Leben ohne Dich?
… eine endlose Suche nach dem, was ich bin.
… die Sehnsucht, unter den Myriaden von leuchtenden Punkten am nächtlichen Sternenhimmel endlich den Einen zu finden – mich.

Doch – war mein Leben je ohne Dich?
… warst Du nicht stets an meiner Seite als die Gewissheit, es gibt irgendwo die Antworten auf all meine Fragen?
… warst Du nicht jener Regentropfen, der in den ruhenden See tief in meiner Seele fiel und mich (an)erkennen ließ, wer ich bin?
… warst Du nicht schon immer jener feurige Funke in meinem Herzen, der bedingungslos liebt, was ich bin?


Könnte ich je lieben ohne Dich?
… das Leben?
… die Menschen?
… mich selbst?


Ich will nie wieder leben ohne Dich,
… will Dich in mir spüren,
… Dich im Licht der Liebe berühren,
… und Dich mit meinem letzten Atemzug in die Ewigkeit entführen.